Ohne Monopol günstiger

14.10.1998
Least Cost Routing ist spätestens ab dem 1. Januar 1998 ein ganz heißes Thema für alle Unternehmen, die endlich unter mehreren Carriern den günstigsten für ihre Sprach-/Datenverbindung auswählen dürfen. Es gibt bisher allerdings wenig Auswahl bei externen oder internen Lösungen, die sich an TK-Anlagen anschließen lassen.

Von: Rainer Miserre

Die Anwendung von Least Cost Routing (LCR) hat seinen Ursprung in den USA, wo die Liberalisierung der staatlichen Monopole schon Ende der siebziger Jahre durch die Zerschlagung der damaligen ATT (Ma Bell) eingeleitet wurde. Klassisches LCR ist die Auswahl des Netzbetreibers mittels Anwahl einer Betreiberkennziffer und somit die Wahl der kostengünstigsten Route für diese Verbindung. Die Art des Dienstes (Sprache, Fax oder Daten) ist nicht relevant. Diese einfache Form des LCR läßt sich vom Teilnehmer selbst oder durch die TK-Anlage automatisiert durchführen. Voraussetzung für die effektive Nutzung der jeweils günstigsten Route ist die ständig aktualisierte Routingtabelle in der TK-Anlage des Teilnehmers. Dafür wird jedoch zukünftig ein Service notwendig sein, was wiederum Kosten verursacht. Komplexere Szenarien, wie die Auswahl des Netzbetreibers anhand der Dienstekennung (Sprache, Fax oder Daten) und/oder des Bestimmungsortes stellen die Routing-Mechanismen der TK-Anlage vor neue Aufgaben. Sogenannte "Least Cost Router", ein Modul zwischen Netzabschluß und TK-Anlage, bieten hierfür eine Lösungsmöglichkeit.

Aber kaum warten die Hersteller auf den Startschuß, um ihre Produkte in den deutschen Markt zu bringen, muß zukünftig auch über bisher unbekannte TK-Wege zum Telefonieren und Datenübertragen nachgedacht werden.

Zu den zukünftigen Veränderungen zählt die Internet-Telefonie, die technisch als "Voice over IP" bezeichnet wird. Gegenüber einem Telefonat über öffentliche Netze, das nach Distanz und Zeit tarifiert wird, würde das gleiche Telefonat (Voice over IP) auf dem Internet wohl nach Volumen tarifiert. Etwas komplexer ist diese Überlegung, wenn die Tarife der Internet Service Provider (ISP) mit in Betracht gezogen werden. Auch hier wird eine Flut an unterschiedlichen Tarifmodellen Einzug halten. Eine weitere Eigenart der Tarifmodelle ist die zeitabhängige Einstufung der Gebühren für einen Dienst. Zeitabhängige Sondertarife werden von den Carriern dazu benutzt, ein attraktiveres Angebot zu bieten. Für diese Variante der Tarifmodelle muß der Faktor Zeit bei der Suche nach der günstigsten Verbindung mit einbezogen werden.

Auch im Zusammenspiel zwischen der TK-Anlage und dem WAN-Kopplungssystem lassen sich schnell falsche Entscheidungen treffen. Nach Aussage von Dr. Jürgen Tusch, Leiter Produktmanagement der Datus GmbH sollte grundsätzlich das Least-Cost-Routing (LCR) von einem WAN-Kopplungssystem und nicht von der TK-Anlage durchgeführt werden. Der Grund dafür: Verlagert der Anwender diese Funktion in die TK-Anlage, läuft er Gefahr, die proprietäre TK-Anlagen-Welt auf das gesamte Unternehmensnetz zu übertragen. Zudem kann in diesem Fall LCR nur in der TK-Anlagen-Umgebung eines Herstellers bewerkstelligt werden. Stellt das Kopplungssystem die LCR-Funktion bereit, läßt sich die Wahl des günstigsten Weges, beispielsweise durch ein Corporate Network, und die Vermittlung des Sprachverkehrs auch im heterogenen TK-Anlagen-Umfeld realisieren.

Der klassische Least-Cost-Router beziehungsweise die wiederholte Erweiterung der Software auf der TK-Anlage kann diese Anforderungen allerdings nicht mehr erfüllen, so die Meinung von Dieter Riegelhof, Mitbegründer und Gesellschafter der Firma Comtel. Die Zukunft verlangt nach einem Access-Server-Gerät, das auf der einen Seite die mangelnde IP-Funktionalität der TK-Anlage ausgleichen kann und zusätzlich in der Lage ist, die angebotenen Tarifmodelle auf ihre Kosteneffektivität zu untersuchen. Letztlich entscheiden muß dann jedoch wieder der Mensch, denn die Beurteilung der Faktoren Service und Kundenbetreuung des jeweiligen Anbieters kann die Maschine dem Tarifmodell nicht entnehmen zumindest bis jetzt nicht. (mi)

Literatur

[1] Schilder, Hans-Jörg: Spürbar Geld sparen; in Gateway 7/96, S. 71 ff.; Verlag Heinz Heise; Hannover 1996

[2] Bak, Eva; Schneider, Martin: Datenanschluß inklusive; in Gateway 7/97, S. 123 ff.; Verlag Heinz Heise; Hannover 1997

[3] Dr. Tusch, Jürgen: Kardinalfehler vermeiden: in Gateway 8/97, S.86 ff.; Verlag Heinz Heise; Hannover 1997