Office 2000: Lohnt der Umstieg?

18.04.2001 von THOMAS RIESKE 
Mit Office 2000 hat Microsoft vor wenigen Monaten die Millenniumsausgabe ihres Bürogehilfen vorgestellt. Die bunten Werbeprospekte versprechen auch diesmal, dass alles besser, schneller, sicherer geworden ist. Doch wo liegen die Fallstricke, und für wen lohnt das Update wirklich?

Die Vereinigung von Desktop mit Intra- und Internet hat sich Microsoft für diese Ausgabe ihres Officepakets auf die Fahne geschrieben. Für den Privatanwender ist dies in der Regel weniger interessant. Und so bewegen sich die für ihn relevanten Änderungen an der Oberfläche.

Auffällig sind zunächst die verkürzten Menüs und Symbolleisten. Das Programm merkt sich selten benutzte Funktionen und blendet diese aus. Erst ein Klick ans Ende der Liste lässt sie wieder erscheinen.

Mehr Platz dagegen beanspruchen nun Word- und Excel-Dokumente, da jedes ein eigenes Fenster mitbringt, das auch in der Taskleiste erscheint. Bei entsprechend großen Bildschirmen ist das sicher kein Problem. Ebenfalls Ungewohntes in der Textverarbeitung: Statt links oben mit der Eingabe zu beginnen, genügt jetzt ein Doppelklick auf eine beliebige Stelle einer leeren Seite, um dort Text zu platzieren. Zum umfangreichen Datenaustausch zwischen den Officekomponenten erweist sich die erweiterte Zwischenablage als äußerst praktisch. Dort ist nun Platz für bis zu zwölf Elemente.

Karl Klammer hat Gesellschaft in Form neuer Gestalten aus der Familie der Hilfeassistenten bekommen. Diese sind nun nicht mehr an ein Fenster gefesselt, sondern lassen sich beliebig auf der Oberfläche verschieben. Dem Trend zum Arbeiten mit diesen Helfern ist jedoch die Möglichkeit zum Opfer gefallen, die Hilfe im Volltext zu durchsuchen.

Weitaus sinnvoller ist hingegen die Option, Programmteile vorzumerken, die erst bei Bedarf nachinstalliert werden. Wahlweise lassen sich einige Funktionen auch direkt von CD starten. Leider funktionieren diese Möglichkeiten nicht mit PhotoDraw, der ressourcenhungrigsten Komponente.

Für den Fall, dass eine Office-2000-Datei zerstört sein sollte, hat Microsoft seinem Paket Fähigkeiten zur Selbstdiagnose und -heilung spendiert. Zieht man einer Applikation durch Löschen oder Umbenennen der Exe-Datei den Boden unter den Füßen weg, merkt Office dies beim Start, und fordert zur Reparatur die CD oder die entsprechende Netzwerkverbindung an. Dies funktionierte genau so gut bei korrumpierten Dateien, in die wir testweise einige zusätzliche Bytes geschrieben hatten. Wenn dieses Feature sich doch nur auf Anwenderdateien übertragen ließe. Zumindest ist aus diesen die Benutzerkennung GUID verschwunden, die in der letzten Version noch für Schlagzeilen sorgte.

Systemanforderungen

Jede neue Software meldet einen immer größeren Bedarf an RAM und Festplattenplatz. Und wie üblich, gibt es die Diskrepanz zwischen den offiziellen Angaben des Herstellers und dem, was zum effizienten Arbeiten erforderlich ist. Laut Microsoft kann man bereits mit einem 75 MHz Pentium loslegen. Soll auch PhotoDraw zum Einsatz kommen, steigen die Minimalanforderungen auf einen Pentium 166.

Für die erforderliche Größe des Arbeitsspeichers macht die Truppe aus Redmond folgende Rechnung auf:

Windows 9x beansprucht für sich allein 16 MByte, NT 32 MByte RAM. Dazu kommen 4 MByte pro gleichzeitig ausgeführter Officekomponente. Outlook, Access sowie Frontpage verlangen gleich 8, PhotoDraw gar 16 MByte.

Was Microsoft aber nicht beachtet: Der typische Büroanwender hat gleichzeitig Word, Excel und Outlook geöffnet. Somit ist man unter Windows 9x bereits bei 32 MByte und unter NT bei 48 MByte. Da neben dem Mail Client der Browser meist gleich mit im Einsatz ist, und in den Applikationen ja auch Dateien geladen werden, erhöht sich der Bedarf schnell auf 48 und 64 MByte. Dies stellt wohlgemerkt die untere Anforderungsgrenze dar. Um wirklich zügig arbeiten zu können, empfiehlt sich ein 366er Celeron mit 64 MByte für Windows 9x und 128 MByte für NT. Jedes Megabyte Speicher weniger macht sich im stärkeren Gebrauch der Auslagerungsdatei bemerkbar. Wobei man ohnehin genug freien Platz auf der Festplatte vorhalten sollte. Was bei der Standardinstallation des Einsteigerpakets mit 200 MByte noch zu verkraften ist, steigert sich zu 547 MByte bei der Premium-Ausgabe.

Dicke Brocken

Für einen umfangreicheren Test haben wir uns lediglich auf Word konzentriert. Zum einen ist es die Applikation aus dem Gesamtpaket, die großflächig zum Einsatz kommt. Zum anderen lässt sich hier auf Grund der meisten Änderungen gegenüber der Vorversion am besten überprüfen, inwieweit Fortschritte bei der Fehlerbehebung zu verzeichnen sind.

Eine Textverarbeitung mit dem Umfang von Word ist geradezu prädestiniert zum Verfassen umfangreicher wissenschaftlicher Arbeiten. Dass dies in der Vergangenheit häufiger als Drama endete, hat manch leidgeprüfter Student am eigenen PC erfahren. Um zu kontrollieren, ob sich mit Word 2000 eine Wende zum Besseren ergibt, haben wir dem Textspezialisten einige knifflige Aufgaben gestellt. Ein 180-seitiges Dokument mit Grafiken, Fußnoten, den berühmt-berüchtigten Filialdokumenten sowie Inhalts- und Stichwortverzeichnis diente als Grundlage. Das beim Arbeiten typische Hin- und Herbewegen von Zeilen und Absätzen simulierte im Test ein Makro. Damit keine andere Software dazwischenfunken konnte, installierten wir den Testkandidaten auf einem frischen Windows 98 SE.

Beim ersten Ausdrucken des Dokuments trat ein alter Fehler wieder in Erscheinung: Statt der Gesamtseitenzahl in der Fußzeile, auf dem Monitor noch korrekt dargestellt, erschien dort die Nummer der aktuellen Seite. Der oft angewendete Trick, das Drucken im Hintergrund zu deaktivieren, half in diesem Falle nicht. Erst als wir Word anwiesen, die Seiten in umgekehrter Reihenfolge auszugeben, erhielten wir das gewünschte Ergebnis.

Viel Geduld vom Anwender erfordert beim Bearbeiten langer Dokumente der von Word durchgeführte Seitenumbruch. Während dieser Aktion ist der Anwender zum Warten verdammt, oder er gibt sich mit der Normalansicht zufrieden. Dies bedeutet allerdings den Verzicht auf die Darstellung von mehrspaltigem Text, Kopf- und Fußzeilen sowie Bildern.

Letztere sind seit jeher ein bekannter Schwachpunkt. Nach dem Umstellen größerer Textpassagen ragten einige Bilder über die Ränder hinaus, überlappten sich oder begruben gar Fußnoten unter ihren Pixelmassen. Daher der Tipp: Grafische Elemente immer ganz zum Schluss in das Dokument einfügen.

Ecken und Kanten bieten wie gehabt die Filialdokumente. Ursprünglich als Erleichterung beim Aufsplitten umfangreicher Dateien gedacht, erreicht man häufiger das Gegenteil. Beim Verschieben dieser Komponenten muss der Anwender darauf achten, dass er sie genau an den filigranen Dokumentsymbolen anfasst. Geschieht dies am Text selbst oder an den Plus-Zeichen, ruiniert man möglicherweise die Datei.

Ins Netz gegangen

Hauptschwerpunkt dieser Officeausgabe bildet die Integration mit Intra- und Internet. Dies macht sich an mehreren Stellen bemerkbar.

Die Speicherung im HTML-Format beherrschen bis auf Access alle Einzelkomponenten. Word geht sogar so weit, im Datei-Öffnen-Dialog HTML gleichberechtigt neben .doc und .dot als nativen Dateityp aufzuführen.

Wie in Excel, ist es auch in der Textverarbeitung möglich, zuvor in HTML exportierte Dokumente beim Import in die Ursprungsformate zurückzuverwandeln. Möglich wird dies durch Anweisungen, die in Kommentar-Tags stecken, sodass ein Browser sie ignoriert. Wir erzeugten als einfachen Test in Word eine Tabelle, die nichts weiter enthielt, als eine Zeile und zwei Spalten, und speicherten diese als HTML-Datei. Allein der Internet Explorer stellte sie anschließend korrekt dar. Im Navigator war lediglich eine horizontale Trennlinie zu erkennen. So viel zum Thema "Unterstützung offener Standards". Außerdem belegt die von Word erzeugte Tabelle 3 KByte auf der Festplatte, während die gleiche Tabelle mit dem Netscape Composer nur 1 KByte benötigt.

Komponentenverschmelzung ist auch beim Erstellen und Versenden von E-Mails angesagt. Die Installation von Outlook vorausgesetzt, kann man direkt aus Word, Excel und Powerpoint heraus Officedokumente verschicken. Komplette Arbeitsmappen der Tabellenkalkulation lassen sich allerdings weiterhin nur als Anlage mit auf den Weg geben. Zur Anzeige auf Empfängerseite ist ein HTML-fähiger Mailclient erforderlich.

Um das Maß voll zu machen, spendierte Microsoft mit den Webcomponents einige Tools als ActiveX-Ausführung. Zu deren Umfang zählen eine Tabellenkalkulation, PivotTable-Listen, ein Diagramm-Modul sowie ein Utility zur Anbindung an Datenbanken. Mittels FrontPage lassen sie sich auf Websites unterbringen, zum Ausführen benötigt man allerdings eine Office-2000-Lizenz und den Explorer als Browser. Ferner sollte der Probierwillige einen Tag abwarten, an dem kein Security Bulletin aus Redmond rät, das Ausführen aktiver Inhalte auf Grund von Sicherheitsmängeln zu deaktivieren.

Reformierte Rechtschreibung

Spätestens mit der Umsetzung der Rechtschreibreform durch die deutschsprachigen Nachrichtenagenturen zum 1.8.1999 sind die neuen Orthografieregeln ins öffentliche Bewusstsein vorgedrungen. Wer häufiger Texte abwechselnd nach alten und neuen Regeln verfassen muss, freut sich über die entsprechende Umschaltfunktion unter Extras/Optionen/Rechtschreibung und Grammatik . Die Überprüfung ist nicht aufs Deutsche beschränkt, sondern unterstützt zusätzlich Englisch, Französisch und Italienisch, wobei die Sprachen auch zusammen in einem Dokument vorkommen dürfen. Bei unseren Tests schoss Word dabei jedoch häufig übers Ziel hinaus. So versuchte es bei den Abkürzungen "u.Ä." sowie "o.Ä." das französische Wörterbuch zu konsultieren, bei "Adressbuch" das englische. Umgekehrt suchte die Textverarbeitung "After Shave" als deutschen Ausdruck und wollte ihn zu "After Save" konvertieren.

Nicht unbedingt positiv ist auch die Anwendung der neuen deutschen Rechtschreibregeln. Bei gleichzeitig aktivierter Grammatikprüfung beharrte Word auf der Kleinschreibung von "Abend" in unserem Beispielsatz "Gestern Abend waren wir im Kino". Als Lektüre für Microsoft sei an dieser Stelle dringend die Dudenregel Nr. 45 angeraten.

Hier lauert wohl noch manche böse Überraschung, und für diese Module dürfte ein Bugfix, pardon 'Service Release', als Erstes anstehen.

Kompatibilität

Erfreuliches gibt es beim Datenaustausch mit der Vorgängerversion zu berichten. Angesichts der geringen Änderungen konnte Microsoft das alte Dateiformat bei seinen Flaggschiffen Word und Excel beibehalten. In Word 2000 gespeicherte Dokumente ließen sich problemlos in Word 97 öffnen und weiter bearbeiten. Neue Funktionen werden dabei schlicht und einfach ignoriert. Wer ganz auf der sicheren Seite sein will, kann in Word 2000 alle neuen Funktionen ausschalten.

Excel sieht diesen Schalter erst gar nicht vor. Beim Laden in der 97er Version wandelt diese die verwendete Features automatisch um, sodass die interaktiven Pivottabellen zu herkömmlichen Diagrammen werden.

Access 2000 hingegen verwendet ein neues Format. Datenbanken aus Access 97 lassen sich zwar problemlos importieren, wer dabei jedoch auf die Konvertierung verzichtet, kann deren Struktur nicht editieren. Für den umgekehrten Weg steht eine Funktion bereit.

Outlook und Powerpoint bieten ebenfalls keinen Anlass zur Kritik. So problemlos hat es schon lange nicht mehr geklappt.

Fazit

Zurzeit besteht kein Grund, auf das neue Office umzusteigen. Vor allen Dingen sollten diejenigen, die bereits jetzt mit ihrer Hardwareausstattung an Performancegrenzen stoßen, die Finger davon lassen. Größere Probleme beim Datenaustausch sind durch die Dateikompatibilität der Kernapplikationen Word und Excel nicht zu erwarten. Und für Office 95 und 97 steht sogar eine aktualisierte Rechtschreibprüfung mit den neuen Orthografieregeln zur Verfügung.

Ein eigentlich überzeugendes Kaufargument, mit der vollständigen Implementierung von HTML gelänge ein leichterer Austausch von Dokumenten, führt Microsoft gleich selbst ad absurdum. Statt der Unterstützung offener Standards ist die Truppe von Bill Gates munter dabei, diese durch das Hinzufügen proprietärer oder noch nicht verabschiedeter Erweiterungen zu verwässern. Fehlerfrei nutzbar sind diese dann ausschließlich mit den Produkten aus dem eigenen Haus.

Letztendlich verführen die Updatepreise ebenso wenig zu einem Umstieg. Zumindest für den Privatanwender sind sie mit minimal 500 Mark alles andere als attraktiv. Bei Sonderkonditionen für Großfirmen mag das schon unterschiedlich aussehen. Trotzdem wird sich, das lehrt die Vergangenheit, die Millennium-Suite rasch verbreiten: Als Softwarebundle zusammen mit jedem neu verkauften PC. (tri)