Offenheit fördert Online-Projekte

12.10.2001
Internationale Arbeitsgruppen sind auf elektronische Kommunikationsmittel angewiesen. Sandra Bartsch-Beuerlein und Oliver Klee erläutern im Gespräch mit NetworkWorld, auf welche Weise das World Wide Web den Informationsaustausch der Teammitglieder unterstützt.

Von: Dr. Klaus Plessner

NetworkWorld: Frau Bartsch-Beuerlein, Herr Klee, Ihr Buch handelt von Projektmanagement und Internet. Wie passt das eine zum anderen?

Sandra Bartsch-Beuerlein: Das Internet dient Projektteams und Verantwortlichen als Kommunikationsplattform, Ablage und Dokumentmanagementsystem. Mithilfe von E-Mail-Diensten, Video- und Telefonkonferenzen bietet es "virtuellen", räumlich verteilten Teams alle Möglichkeiten der Zusammenarbeit, die Vor-Ort-Teams mit den herkömmlichen Mitteln Papier, Stift und Flip-Chart haben.

NetworkWorld: Kann das Internet traditionelle Kommunikationsmittel voll ersetzen?

Oliver Klee: Nein, nur unterstützen.

NetworkWorld: Inwiefern? Was kann das Internet nicht, was Papier und Bleistift können?

Bartsch-Beuerlein: E-Mail und Webtelefone zeigen nicht das Gesicht, die Mimik der Gesprächspartner, was oft zu Missverständnissen führt. Auch Videokonferenzen können diesen Mangel nicht ganz wettmachen, weil die Kamera nur einen Ausschnitt darstellt. So können nicht zehn Teilnehmer gleichzeitig sprechen, was bei einem Vor-Ort-Treffen schon mal passiert.

NetworkWorld: Welche Unternehmen sind für ein Web-Management ihrer Projekte besonders geeignet?

Bartsch-Beuerlein: Alle Firmen, deren Mitarbeiter nicht vor Ort arbeiten. Das sind insbesondere Consulting-Unternehmen. Selbst Anbieter wie IBM, HP und Siemens führen mit Unterstützung einer Internetarbeitsplattform Webprojekte durch, in die sie auch ihre Kunden einbinden.

NetworkWorld: Sollte denn jedes Unternehmen, das Projekte an mehreren Orten durchführt, eine Internetplattform aufbauen? Oder empfehlen sie vorab eine Bedarfsanalyse?

Bartsch-Beuerlein: Auf die Dauer können solche Firmen ohne eine entsprechende Arbeitsplattform ihre Projekte gar nicht durchführen. Sie brauchen in jedem Fall das Internet.

NetworkWorld: Die zentrale Anlaufstelle eines Internetprojekts, so schreiben Sie in Ihrem Buch, heißt "virtuelles Projektbüro" oder auf englisch "Virtual Project Management Office". Was steckt dahinter?

Klee: Ein virtuelles Projektbüro ist ein Internetportal, auf das die Teammitglieder mit einem Browser zugreifen. Weil der Browser als Schnittstelle für alle Aufgaben dient, von der Zusammenarbeit über die Informationsbeschaffung bis hin zur Informationsablage, müssen die Teammitglieder keine spezielle Software installieren, beziehungsweise erlernen. Der Browser ist plattformübergreifend verfügbar und benötigt kaum Systemressourcen.

NetworkWorld: Gibt es denn fertige Softwarepakete, mit deren Hilfe Unternehmen ein virtuelles Projektbüro im Internet aufbauen können?

Bartsch-Beuerlein: Ja, aber die Hersteller von geeigneten Komplettlösungen sprechen mit ihren Produkten noch nicht die kurzlebigen Projektteams an. Ihre Softwarelizenzen sind meistens an Personen gebunden und können nicht von einem auf das nächste Team übertragen werden. Im Moment haben die Hersteller Unternehmen im Blickfeld, die auf Jahre hinweg investieren und daher mit einer starren Lizenzpolitik zurechtkommen.

NetworkWorld: Ein einfacher Ausweg liegt doch auf der Hand: Die "persönliche" Lizenz einer Software wird von einem Projektmanager erworben, der allen Teams übergeordnet ist.

Klee: Das ist genau unser Ansatz eines Projektmanagement-Büros. Eine zentrale Stelle kümmert sich um den Betrieb des virtuellen Büros und um die Softwarelizenzen. Tritt dieses Management-Office als eigenständige Firma auf, spricht man von einem Application Service Provider.

NetworkWorld: Sind Projektmanagement-Büros bei Unternehmen eine Seltenheit? Eine Stelle muss sich doch um generelle Projektangelegenheiten kümmern, Teams zusammenstellen, Personal ausbilden.

Bartsch-Beuerlein: Der gesunde Menschenverstand würde sagen: ja. Aber ich weiss nicht, warum das bei den meisten Unternehmen noch nicht angekommen ist. Ein ganzheitliches Kompetenzzentrum Projektmanagement wäre zwar wünschenswert, wird jedoch von der Geschäftsleitung nur selten eingerichtet. Und wenn es existiert, fällt es bei der ersten Krise dem Rotstift zum Opfer.

NetworkWorld: Was raten Sie einer Firma, die ihre Internetplattform schrittweise einführen will?

Klee: Ich empfehle grundsätzlich, die Sache modular anzugehen und auch alle Beteiligten an die Fülle der Möglichkeiten eines virtuellen Büros nach und nach heranzuführen. Man fängt zum Beispiel mit einem Informationsportal an, durch das die Projektleitung die Teammitglieder auf dem Laufenden hält. Im nächsten Schritt können die Mitarbeiter selbst Daten einpflegen und auf diese Weise ihre Kollegen und die Teamleitung informieren. Erst im letzten Schritt findet über das Portal eine echte Zusammenarbeit zwischen den Projektbeteiligten statt. Auch wenn ein Softwarepaket von Haus aus über die wichtigsten Funktionen verfügt, sollte ein Unternehmen diese nicht alle auf einmal, sondern Modul für Modul freischalten.

NetworkWorld: Besteht dann nicht die Gefahr, dass das Team mit der Plattform unzufrieden ist, weil sie anfangs nur einen Teil der gewünschten Transaktionen erlaubt?

Bartsch-Beuerlein: Die Software muss den Projektmitarbeitern einerseits alle Funktionen bieten, für die sie reif sind. Das heißt, sie muss ihnen alle Methoden zur Verfügung stellen, die sie kennen. Andererseits brauchen die Mitarbeiter eine funktionierende Plattform, mit der sie erledigen können, was sie erledigen müssen. Deshalb kommt die Modularität erst dann zum Tragen, wenn die Grundfunktionen abgedeckt sind. Und hier widerspreche ich Herrn Klee. Denn ich denke, zu den Grundfunktionen gehört, dass die Benutzer nicht nur Informationen lesen, sondern in die Plattform auch Daten einpflegen und über die Schnittstelle miteinander kommunizieren.

NetworkWorld: Ihr Buch enthält viele Beispiele dafür, wie Unternehmen ihre Projekte mit Open-Source-Software organisieren können. Welche Vorteile bieten freie Produkte?

Bartsch-Beuerlein: Wir haben Open-Source-Lösungen genommen, um zu zeigen, dass die eigentliche Investition nicht dem Kauf von Software gilt. Der Schwerpunkt liegt vielmehr darin, wie gut das Management die Kommunikationsplattform in die Teamarbeit einführt.

Klee: Die Vorteile von Open-Source-Software wurden oft zitiert. Es sind dies die technische Ausgereiftheit der Programme, ihre Stabilität und die Wirtschaftlichkeit. Der Anwender hat die Möglichkeit, Dinge auszuprobieren, ohne zu viel zu investieren.

NetworkWorld: Warum sind die Entwicklerprojekte der Open-Source-Community so erfolgreich?

Klee: Die Community macht es exemplarisch vor, wie Projektmanagement mit Internetechniken funktionieren kann. Da wird genau das betrieben, was wir in unserem Buch skizzieren, nämlich der Austausch von Dokumenten, Informationen und Wissen. Wesentlich ist dabei die Offenheit der Kooperation. Voraussetzung dafür ist der persönliche Kontakt der Teammitglieder, den die Open-Source-Gruppen regelmäßig auf ihren Entwicklerkonferenzen pflegen.

NetworkWorld: Können Unternehmen davon etwas lernen?

Klee: Davon bin ich überzeugt. Nur ist der Ansatz der Offenheit für viele Firmen noch schwer zu verstehen.

NetworkWorld: Ich danke Ihnen für das Gespräch.

Zur Person

Sandra Bartsch-Beuerlein

Die Autorin berät und "coacht" seit 15 Jahren Projektmanager und solche die es werden wollen. Sie ist Mitglied des Zertifizierungsgremiums der Deutschen Gesellschaft für Projektmanagement (GPM).

Oliver Klee

Als Inhaber eines Beratungsunternehmens hat sich der Autor auf Open-Source-Lösungen für virtuelle Teams spezialisiert. Er leitete verschiedene EU-Projekte und richtete virtuelle Projektbüros für die Kinogruppe UCI und den Internet-Carrier Uunet ein.