NVIDIA Insides: David Kirk im Interview

10.05.2002 von NICO ERNST 
Der Chefentwickler von NVIDIA riskiert im Gespräch mit tecCHANNEL einen Blick in die 3D-Zukunft: Schon 2003 erwartet Dave Kirk Grafik in Filmqualität, die 2D-Darstellung seiner Grafikkarten soll sich jedoch schon vorher verbessern.

David B. Kirk trägt bei NVIDIA den Titel des "Chief Scientist" und wird firmenintern auch "Father of Architecture" genannt. Wir treffen den Ingenieur in München zu einem zwanglosen Gespräch abseits von Produktvorstellungen und Messe-Trubel.

tecCHANNEL: Bisher hat NVIDIA immer die Taktfrequenzen angehoben und die Architektur auf mehr Polygone pro Frame getrimmt. Wird das so bleiben, oder sollen in Zukunft andere Technologien wie Tiling oder neue Kompressionsverfahren für realistischere 3D-Szenen sorgen?

Kirk: Wir werden natürlich den Takt und die Zahl der Polygone steigern, uns dabei aber gleichzeitig ständig alternative Technologien wie Tiling ansehen und sie mit konventionellen Verfahren vergleichen. Ich glaube, die grösste Neuerung bei zukünftigen Architekturen ist mehr Programmierbarkeit und dabei eher die Berechnung von komplexeren anstelle von immer mehr Pixeln.

tecCHANNEL: Mehr Programmierbarkeit bedeutet aber auch mehr Arbeit für Programmierer. Welche Features verlangen die Entwickler von NVIDIA?

Kirk: Die Programmierer kämpfen damit, zu lernen, wie man Pixel- und Vertex-Shader programmiert. Da sie immer kompliziertere und universell einsetzbare Spezialeffekte erstellen wollen, brauchen sie Zugriff auf immer mehr Daten aus der Pipeline und flexiblere Instruktionen. Auch das Programmieren des Grafikchips auf einer höheren Ebene interessiert sie.

"Mehr Transistoren für Shading"

tecCHANNEL: Im Vorgespräch meinten Sie, dass da zum Beispiel Tiling gar nicht nötig sei, da man das durch besseres Occlusion Culling ersetzen könnte.

Kirk: Schauen wir uns doch an, welches Problem das Tiling lösen will: Die Tiefenkomplexität einer Szene soll auf das beschränkt werden, was man wirklich sieht. Wenn dies als die wesentliche Funktion von Tiling annimmt, ist jede andere Technologie, die dasselbe macht, aber weniger Transistoren braucht, eine bessere Lösung. Wir haben Tiling und Occlusion Culling gegeneinander getestet und herausgefunden, dass ein gutes Occlusion Culling ziemlich genau an ein Tiling herankommt und dabei weniger Chipfläche benötigt.

tecCHANNEL: Kann man daraus schließen, dass die nächsten Chips aus weniger Transistoren bestehen, um Leistungsaufnahme und Wärmeentwicklung zu reduzieren?

Kirk: Wir haben für jeden neuen Chip ein bestimmtes Transistor-Budget, das wir auf eine Vielzahl von Funktionen verteilen müssen. Ich würde also nicht sagen, dass wir unbedingt weniger Transistoren haben werden, aber wir werden mehr Transistoren zur Verfügung haben, die wir dem Shading zuordnen können.

tecCHANNEL: Shading und mehr Polygone sind ein Ansatz zu mehr Performance, der andere war bisher immer die Speicherbandbreite. Bleibt das der wichtigste Flaschenhals?

Kirk: Abhängig sogar von einem Teil der Anwendung, können verschiedene Flaschenhälse auftauchen. Das kann die Speicherbandbreite sein, die Geschwindigkeit der Grafik-Pipeline, des AGP oder die CPU-Leistung. Ist eine Anwendung gut ausbalanciert, sollte sie all diese Ressourcen gut einsetzen. Wenn man also einen der Faktoren beschleunigt, sollte sich das auf die gesamte Anwendung auswirken.

"AGP 8x für professionelle Anwendungen"

tecCHANNEL: Beim AGP steht demnächst eine Beschleunigung auf 8x an. Welche Anwendungen werden davon zuerst profitieren?

Kirk: Da AGP 8x die Download-Geschwindigkeit vom System zur Grafikeinheit verdoppelt, nutzt das Anwendungen, die dynamisch sehr viele Daten ändern. Das sind zum Beispiel Vertices von sehr großen 3D-Modellen, die jemand animiert, oder Texturen, die sich bei sehr komplexem Rendering dauernd ändern. So etwas kommt eher bei professionellen Anwendungen vor. Da wird man mit AGP 8x definitiv einen Unterschied sehen.

tecCHANNEL: Aber nicht bei Spielen?

Kirk: Das kommt auf das Spiel an. Wenn ein Spiel den AGP ohnehin nicht sehr belastet, hilft es nichts, diesen zu beschleunigen. (Anm. d. Red.: Dave Kirk zielt hier auf die Tatsache ab, dass die wenigsten der aktuellen Spiele den AGP wirklich ausnutzen. Das liegt an den vergleichsweise kleinen Texturen und der Kompression durch DXTC.)

tecCHANNEL: Es gibt immer wieder Probleme mit der Bildqualität bei 2D-Darstellungen von NVIDIA-Grafikkarten. Im direkten Vergleich mit anderen Chipherstellern war NVIDIA meistens unterlegen. Warum ist das so, und will NVIDIA das ändern?

Kirk: (seufzt) Ich glaube, dass dieses Problem nichts mit den GPUs zu tun hat, die wir bauen. Die Signalqualität der GPU ist ziemlich hoch, aber wir kontrollieren nicht die Qualität der Komponenten bei den Grafikkarten, auf denen unsere GPUs eingesetzt werden. Und gelegentlich, vielleicht auch etwas öfter als nur gelegentlich, entscheiden sich einige Hersteller, Bauteile von geringerer Qualität für die Kondensatoren und Filter einzusetzen. Das Resultat ist ein schlechteres Bild.

"Keiner macht ein eigenes Design"

tecCHANNEL: Was ist mit den Herstellern, die vorgeben, NVIDIAs Referenz-Design zu verwenden? Wenn sie das tun, sollten sie doch auch die spezifizierten Bauteile verwenden?

Kirk: Richtig. Wenn sie vorgeben, das Referenz-Design wirklich zu verwenden, und sie die Bauteile verwenden, die wir spezifizieren, sollte man eine hohe Bildqualität erhalten. Wenn sie unsere Empfehlungen auch nur ein kleines bisschen überreizen, mindert dies die Qualität. Wir arbeiten mit unseren Partnern an einem "NVIDIA Certified Program". Dabei zertifizieren wir die Hersteller, die sich an unsere Spezifikationen halten und hohe Qualität liefern. Die Käufer können sich dann nach diesem Logo richten und die von NVIDIA zertifizierten Hersteller erkennen.

tecCHANNEL: Was genau bekommen die Kartenhersteller von NVIDIA als "Referenz-Design"? Einige geben an, ein eigenes Design für die Karten zu verwenden.

Kirk: Ich glaube nicht, dass einer unserer Partner sein eigenes Design macht. Ich denke, wir geben ihnen nicht die Informationen, die sie bräuchten, um ein eigenes Design zu entwickeln. Jeder benutzt eines unserer Designs und unsere Treiber, denn wir geben dieses Material nicht in Quellenform heraus. Wir liefern nur, was zur Herstellung notwendig ist.

tecCHANNEL: Wie kommt es denn, dass ständig neue inoffizielle NVIDIA-Treiber im Netz auftauchen?

Kirk: Ich habe keine Ahnung....

tecCHANNEL: Das wirkt fast wie ein System.

Kirk: Es fasziniert uns schon, wie schnell die Treiber immer entkommen.

"In einem Jahr Filmqualität"

tecCHANNEL: Was genau bekommen die Kartenhersteller von NVIDIA geliefert? Nur die Grafikchips und den Speicher, oder vollständige Grafikkarten?

Kirk: Sie bekommen GPUs, und abhängig von der Konfiguration auch Speicher. Normalerweise wird der Speicher nur mit den absoluten High-End-Konfigurationen geliefert, wo der Speicher schwer zu bekommen ist und getestet werden muss. Und darum schicken wir ihnen keine Karten, wir erlauben ihnen, eigene Karten zu fertigen.

tecCHANNEL: Die letzte Frage: Wie lange wird es denn noch dauern, bis wir Darstellungen in computeranimierten Filmen wie bei "Ice Age" oder "Shrek" auf Desktop-PCs sehen?

Kirk: Ich glaube, das kommt bald, und wahrscheinlich schneller als die meisten Leute denken. Auf der SIGGRAPH im letzten Jahr (Anm. d. Red.: Die Konferenz SIGGRAPH ist das Mekka für professionelle 3D-Animation) haben wir eine Szene aus dem Film "Final Fantasy" in Echtzeit als Demo dargestellt. Wir haben diese Szene nur ein wenig abgespeckt, etwas weniger Texturen, etwas weniger Polygone - aber es sieht ziemlich gut aus, ziemlich realistisch. Auf einem GeForce3 lief diese Szene interaktiv mit etwa 12 bis 15 Bildern pro Sekunde. Mit dem GeForce4 können wir diese Szene mit konstant über 30 Bildern pro Sekunde laufen lassen. Wenn man rund ein Jahr in die Zukunft schaut, erwarte ich, die echten Szenen aus dem Film per Hardware in der echten Filmqualität rendern zu können. Vielleicht nicht jede Szene aus dem ganzen "Final Fantasy", aber die Szenen, die wir letztes Jahr interaktiv gezeigt haben, werden per Hardware in Echtzeit gerendert werden.

tecCHANNEL: Herr Kirk, wir danken Ihnen für dieses Gespräch. (nie)