Notes für Linux: Konzept und Architektur

15.10.2006 von Martin Kuppinger
Der Novell Client for Linux 7.0.1 wurde Ende Juli angekündigt. Er soll erst im Laufe des Jahres allgemein verfügbar werden, liegt aber Expert’s inside Lotus Notes/Domino bereits vor. Einen ersten Einblick in das Konzept und die grundlegende Architektur gibt der vorliegende Beitrag.

Das Erscheinen des Novell Client for Linux 7.0.1 ist sicherlich eine der interessantesten Ankündigungen von Novell in diesem Jahr. Damit wird Lotus Notes-Funktionalität unter Linux verfügbar weil der neue Client einiges von der zukünftigen „Hannover“-Version, also dem voraussichtlichen Lotus Notes 8 erkennen lässt – zumindest was die grundlegende Architektur betrifft (allerdings noch nicht in Bezug auf die Oberfläche).

In diesem Heft geben wir einen Überblick über das Konzept und die Architektur sowie die Systemvoraussetzungen und die Installationsvorbereitung. Die nicht ganz einfache Installation sowie die Nutzung werden wir in späteren Ausgaben ausführlich besprechen.

Basis IBM Workplace Management Client

Die technische Basis für den neuen Novell Client for Linux ist wie erwähnt die Technologie des IBM Workplace Management Client, also im Kern eine Eclipse-Plattform. Wichtig zu erwähnen ist aber, dass man nur die Clientplattform benötigt, aber keinen IBM Workplace Server für die Verteilung des Novell Client for Linux 7.0.1 einrichten muss. Das hätte zu einem noch deutlich höheren Aufwand für die Installation und Konfiguration geführt, als es auch so schon der Fall ist.

IBM hat offiziell verlauten lassen, dass die Rich Client Platform (RCP) der Eclipse Foundation die Basis für alle zukünftigen Clients sein wird. Schon bei Sametime 7.5 wird darauf aufgesetzt. Dort kommt ebenfalls der Eclipse RCP zum Einsatz, um mit einer Codebasis für alle Betriebssysteme arbeiten zu können und Eclipse als Abstraktionsschicht einzusetzen.

IBM betrachtet Eclipse als eine Art „Middleware“ für Anwendungen, die zwischen diesen und dem Betriebssystem sitzt und wesentliche Aufgaben der Abstrahierung von Betriebssystemfunktionen übernimmt.

Die Anwendungen werden daher zukünftig als Eclipse-Anwendungen entwickelt und müssen entsprechend nicht mehr portiert werden. Das Aussehen von Anwendungen ist damit sozusagen ein Eclipse-Aussehen, das über verschiedene Systemwelten hinweg identisch bleibt.

Keine Protierung

IBM erklärt daher auch, dass mit dem Lotus Notes Client for Linux keine Portierung auf Linux vorgenommen wurde, was im Kern richtig ist. Was man gemacht hat ist eine Portierung auf Eclipse. Und genau dies geschieht auch bei der Entwicklung von „Hannover“: eine Portierung von Notes mit einer Weiterentwicklung vor allem der Oberfläche, aber auch anderer Funktionen, auf Eclipse. Damit wird die Anwendung auf den verschiedenen Systemumgebungen, auf denen Eclipse verfügbar ist, relativ einfach nutzbar gemacht.

IBM betont, dass der größte Teil des Codes identisch ist und nur ein kleiner Teil der Funktionalität des IBM Workplace Management Client benötigt wird. Der Blick auf die Unterschiede zwischen den Versionen zeigt allerdings doch, dass die aktuelle Version bezüglich der Portierung nur einen ersten Schritt geht. IBM wird auf dem Weg zum „Hannover“-Release noch einiges an Arbeit haben.

Obwohl der Lotus Notes Client for Linux auf der Eclipse-Plattform basiert, kann der IBM Managed Client des IBM Workplace nicht für die Ausführung genutzt werden. Das soll allerdings mit der für das zweite Halbjahr dieses Jahres geplanten Version 2.6.1 des IBM Managed Client möglich werden.

Außerdem wird es mit dem Release von Lotus Notes/Domino 7.0.3 voraussichtlich auch ein erstes Maintenance-Release für die aktuelle Version 7.0.1 des Notes-Clients for Linux geben.

Ein netter Nebeneffekt der gewählten Architektur ist übrigens, dass beim Start zunächst der Managed Client geladen wird, was auch beim vorübergehenden Startbildschirm zu sehen ist, und nicht Lotus Notes.

Einschränkungen

Etliche Unterschiede zwischen der Linux- und der Windows-Version von Lotus Notes 7.0.1 werden deutlich, wenn man sich etwas intensiver mit den beiden Varianten beschäftigt.

Logische Unterschiede ergeben sich durch die verschiedenen Betriebssysteme. Dateinamen und Verzeichnisstrukturen erscheinen in der jeweils auf das Betriebssystem angepassten Version, was aber auch in Ordnung ist, weil sich die Benutzer sonst bei der Arbeit innerhalb eines Betriebssystems umstellen müssten.

Spezifische Funktionen von Windows wie OLE oder Drag&Drop stehen unter Linux ebenfalls in anderer Form oder überhaupt nicht zur Verfügung. Das sind aber generelle Aspekte, die sich nicht auf die spezielle Software beziehen. Außerdem gibt es Unterschiede in der Behandlung von offenen Fenstern zwischen den beiden Betriebssystemen.

Der erste große, sichtbare Unterschied zeigt sich bei der Installation. Da der Notes Client for Linux auf Basis von Eclipse eingerichtet wird, muss eben zunächst der IBM Workplace Management Client installiert werden. Das ist zwar dokumentiert, aber vor allem aufgrund spezieller Systemanforderungen dennoch nicht ganz einfach.

Die Toolbar mit den Smart Icons ist bei der Linux- Version nicht verfügbar. Das wird sich vermutlich bei späteren Releases ändern.

Alternativen?
Im Internet berichten einige Benutzer von Lotus Notes davon, dass sie das Produkt mit WINE in einer Emulation unter Linux laufen lassen. Dieser Ansatz hat den grundlegenden Nachteil, dass es dafür keinen Support von IBM gibt. Dagegen wird der Lotus Notes Client for Linux auf den offiziell unterstützten Plattformen auch supportet.

Fehlendes Instant Messaging

Eine Instant Messaging-Integration fehlt ebenfalls noch. Man kann zwar Instant Messaging-Lösungen parallel einsetzen, aber eben nicht mit der hohen Integrationstiefe, die es zwischen Lotus Notes und Sametime gibt. Das dürfte sich aber relativ schnell ändern, nachdem Sametime 7.5 ja eine weitere Anwendung ist, die aktuell auf die Eclipse-Basis umgestellt wird. Insofern sollte die Integration der Funktionalität in späteren Versionen auch keine große Hürde sein.

Auch die Unterstützung der Version 7.0.1 für SAP-Anwendungen wird es nur für die Windows- Plattform geben. Das wird sich vermutlich erst im Laufe der Zeit ändern.

Dass keine Farbausdrucke erstellt werden können, dürfte für die meisten Anwender nicht so entscheidend sein. Problematisch ist dagegen, dass sich zwar in Java geschriebene Agenten einsetzen lassen, aber keine Java-Applets. Das kann für die eine oder andere Anwendung zum Problem werden.

Weitere Einschränkungen sind die fehlende Möglichkeit zur Konfiguration der Standardseite und die nicht aktivierten Lesezeichen.

Während eine kurze Übersicht im TID 1242703 nur eine überschaubare Zahl von Unterschieden nennt, wird man beim Blick auf die Release Notes eines Besseren belehrt. Denn in den größeren Darstellungen beschränkt sich Lotus auf die Feature limitations im Sinne völlig fehlender Funktionen. Bei den vorhandenen Funktionen sind aber zahlreiche Unterschiede im Detail zu erkennen.

Ansicht von Dateianhängen

So gibt es beispielsweise eine Reihe von Problemen mit der Ansicht von Dateianhängen, weil bestimmte Dateiformate überhaupt nicht unterstützt werden. Hinzu kommen viele kleinere Bugs, weil beispielsweise bestimmte Felder in Dialogfeldern nicht korrekt angezeigt werden oder Tastenkombinationen nicht so arbeiten wie gewohnt.

Wenig überraschend ist, dass auch der Domino Designer und der Domino Administrator noch nicht unter Linux unterstützt werden. Lotus hat sich zunächst auf die Portierung des Clients konzentriert.

Ob man gleich auf den Lotus Notes Client for Linux umstellt, muss man daher genau überlegen. Faktisch ist es das erste Release mit den entsprechenden Kinderkrankheiten. Wenn es nicht konkrete Anforderungen aus Projekten erforderlich machen, eine schnelle Umstellung durchzuführen, sollte man sich wohl zumindest bis zum nächsten Zwischenrelease primär auf die Evaluation des Produkts konzentrieren.

Lizenzierung
Da es sich beim Lotus Notes Client for Linux „nur“ um eine weitere unterstützte Plattform und kein vollständig neues Release handelt, ist das Produkt ohne zusätzliche Lizenzkosten erhältlich und kann anstelle der Windows- oder Macintosh-Clients eingesetzt werden.