Normen schreiben Praxis fest

25.10.2002
Im September hat die ISO auf ihrer letzten Konferenz im US-Staat Virginia die lange erwartete zweite Version des Verkabelungsstandards "Customer Premises Cabling" verabschiedet. Die Norm definiert Kategorie-6- und -7-Komponenten, Link-E- und F-Verbindungen und legt die Parameter für Fiber-to-the-Desk-Modelle fest.

Von: Dr. Klaus Plessner

Gesetze für die Datenübertragung entstehen offenbar schneller als Normen für die Verkabelung. Obwohl Gigabit-Ethernet-Techniken auf der Basis von Kupferleitungen in Firmennetzen längst Einzug gehalten haben, sind erst vor wenigen Wochen die nötigen Standards festgeklopft worden, als die Arbeitsgruppe JTC 1/SC 25/WG 3 der ISO/IEC im September in der US-Stadt McLean tagte und die zweite Ausgabe der Norm "Customer Premises Cabling" oder kurz "ISO/IEC 11801" fertigstellte. Für den Anwender bedeutet das zunächst eine Bestätigung von Techniken, die ohnehin bereits gang und gäbe waren. Gleichzeitig erhöhen die Regelungen seine Investitionssicherheit. So sind Firmen bei der Auswahl ihrer passiven Infrastruktur nicht mehr an einen Hersteller gebunden, denn die Norm sichert, dass Leitungen unterschiedlicher Fabrikate zu einander kompatibel sind.

Die neuen Regeln erweitern das herkömmliche "Interconnect-TO-Modell", das bei der Etagenverteilung bislang den Ton angab. Es schloss fünf Komponenten ein, nämlich das Patchfeld mit dem Patchkabel, das Verlegekabel und die Anschlussdose mit dem Patchkabel zum Endgerät. Weil die Verbindung vom Switch zum Endgerät zwei Connector-Übergänge enthielt, einen im Patchschrank und einen an der Anschlussdose, hieß sie "Zwei-Connector-Channel". Durch Ergänzungen des Interconnect-TO-Modells im Verteilerbereich oder im Anschlussbereich hat die Normierungsgruppe auch Drei-Connector-Channels eingeführt; zum Beispiel die "Crossconnect-TO"-Variante oder "Interconnect CP TO". Dadurch wächst die Flexibilität des Anwenders beim Anschließen von Endgeräten.

CP steht dabei für "Consolidation Point" und bezeichnet ein Konzept, das den Administrator beim Managen der Etagenverteilung beweglicher machen soll. Eine solche Struktur kommt nach Anicht von Frank Weberbauer, Kabelspezialist beim Beratungsunternehmen Röwaplan, vor allem in Großraumbüros mit Raumteilern zum Tragen. Consolidation Points in der Zwischendecke versorgen je nach Bedarf verschiedene Anschlussdosen. Ein CP darf maximal zwölf Arbeitsgruppenbereiche versorgen. Welche Dosen am Netz hängen, bestimmt der Netzverwalter, der sie über ein Patchkabel oder ein Verlegekabel mit den Consolidation Points verbindet. Der Nachteil eines Drei-Connector-Channels, so Weberbauer: Im Vergleich zur Zwei-Connector-Variante erfordert sie mehr Sorgfalt bei der Installation der Verkabelungsstrecke. Mit steigender Anzahl von Komponenten, ist es schwieriger, die Wellenwiderstände der Teile aufeinander abzustimmen. Anwender von Mehrconnectorverbindungen sollten deshalb alle Komponenten von einem Hersteller beziehen.

Fibre to the Desk

Im Gegensatz zur ersten Ausgabe schreibt die jüngste Fassung des ISO/IEC-Standards 11801 die schon lange praktizierte Technik des Fibre to the Desk fest. Die ursprüngliche Norm begrenzte im Tertiärbereich Kupfer- und Glasfaserleitungen auf eine maximale Länge von 90 Metern. Jetzt ist es laut Standard möglich, über größere Strecken hinweg die Anschlussdose direkt an den Gebäudeverteiler oder den Campusverteiler anzuschließen. Auf diese Weise entsteht ein "Collapsed Backbone", bei dem die Campus- und die Gebäudeverteilung, ja mitunter auch die Etagenverteilung in einem oder in wenigen Räumen untergebracht sind. Collapsed Backbones vereinfachen die Struktur des Netzes und verringern den Verwaltungsaufwand. Weil die Komponenten auf wenige Schaltzentren konzentriert sind, sinken die Kosten für die Gebäudeinfrastruktur. Das Unternehmen muss weniger Räume mit Klimaanlagen, Zugangskontrollen und Brandschutzvorrichtungen ausrüsten. Allerdings schafft sich der Netzverantwortliche damit einen "Single Point of Failure", der im Katastrophenfall zum IT-Desaster führt. Der Standard sieht als maximale Linklänge für die Verbindung zwischen den Verteilern und den Endgeräten 300 Meter vor.

Wie für Kupferverbindungen definiert der Standard auch für Glasfasern verschiedene Arten von Channels. Bei der Gebäudeverteilung sind drei Varianten möglich. Der "Patched Combined Channel" arbeitet im Etagenverteiler mit Patchkabeln. Beim "Spliced Combined Channel" sind die Backbone-Kabel der Steigleitung und die Verlegekabel im Stockwerk durch mechanische oder thermische Spleiße verbunden. Der "Direct Combined Channel" schließlich funktioniert ohne einen Etagenverteiler. Stattdessen sind die Steckerleisten am Arbeitsplatz unmittelbar mit den Patchpanels in den Gebäudeverteilern verbunden. Es sei denn, der Netzplaner lässt in den Büros Consolidation Points anbringen. Diese sind bei allen drei Channel-Modellen erlaubt.

Welche Architektur die Kosten langfristig am meisten senkt, ist die zentrale Frage der Netzwerkplaner. Sie wägen den Aufwand für eine Installation gegen die "Zukunftssicherheit" ab. Diese drückt aus, wieviel Zeit sie bis zum nächsten Großprojekt der Verkabelung haben. Je größer die Bandbreiten, die die Leitungen zulassen, desto länger der Investitionszyklus. Dachte man vor wenigen Jahren noch in Zeiträumen von 10 bis 15 Jahren, ist man heue bescheidener geworden und plant auf höchstens zehn Jahre hin. Die Kostenrechnung fällt unterschiedlich aus, je nachdem, welche Anwendungen eine Firma plant. Fiber to the Desk gilt technisch als das Nonplusultra. Jedoch benötigt heute kaum jemand die dadurch gewährleisteten Kapazitäten. Kupfer reicht im Etagenbereich in vielen Fällen aus, selbst auf Jahre hin gerechnet. Auch das Gebäude eines Unternehmens wirkt sich auf die Kalkulation aus, sagt Uwe Beulmann, Inhaber der Consultingfirma Consulan. Wer einen Altbau verkabelt, der unter Denkmalschutz steht, sei auf Glasfaserleitungen angewiesen, weil er diese im Gegensatz zu Kupferkabeln in den bestehenden Steigleitungen der Stromversorgung verlegen kann. Kupfer benötigt eigene Kanäle, die der Hausbesitzer nur im Widerspruch zu den Denkmalbestimmungen bohren könnte.