GPS und WLAN treffen Linux und Touchscreen

Nokia N810: Der Linux-PDA im Praxistest

01.02.2008
Das Nokia N810 vereinigt WLAN, GPS und einen großen Touchscreen in einem PDA. Als Betriebssystem setzt Nokia im N810 auf das neue Open-Source-Betriebssystem Maemo 4. TecChannel testet den Nachfolger des Nokia 770 und das Linux-Derivat Maemo 4.

Im Nokia-Sortiment ist der N810 ein richtiger Exot. Der Mobilfunkkonzern verzichtet bei dem Gerät nicht nur auf das Symbian-Betriebssystem, sondern auch auf sämtliche Mobilfunkfunktionen. Im Endeffekt handelt es sich dabei um einen klassischen PDA – allerdings mit einigen Unterschieden zu herkömmlichen Modellen. Der N810 ist das dritte Nokia-Gerät, das Maemo, einen Open-Source-Linux-Klon als Betriebssystem verwendet. Bis auf den Mangel an Mobilfunkfähigkeiten bietet der N810 aber durchaus ein interessantes Innenleben.

Startbildschirm: Nutzer können verschiedene Widgets auf dem Home-Bildschirm anzeigen lassen.

Im Gerät steckt ein heller Touchscreen, der Inhalte in der Auflösung 800 x 480 Pixel darstellt. Kontakt zur Außenwelt nimmt der Linux-PDA über WLAN oder Bluetooth auf. Die größten Unterschiede zu den Vorgängermodellen sind aber das intergrierte GPS-Modul und die ausziehbare QWERTZ-Tastatur. Diese macht das Gerät nur unwesentlich dicker, ist der virtuellen Tastatur der Vorgänger aber deutlich überlegen. Auch am Speicher hat Nokia gedreht.

Alltagseinsatz – Paradedisziplin Internet

Konzipiert wurden der N810 und seine Vorgänger vor allem als tragbare Internet-Terminals. Diesen Anspruch erfüllt das Gerät auch sehr gut. Als Browser kommt erstmals ein Mozilla-basierter MicroB zum Einsatz, im Gegensatz zu den Opera-Browsern in den Vorgängern. Der Zugang ist, einmal mit einem WLAN verbunden, schnell und einwandfrei. Gerade beim Surfen ist die Bildbreite von 800 Pixeln praktisch, lassen sich die meisten Websites so komplett oder mit minimalem seitlichen Scroll-Aufwand anzeigen.

Mozilla: Statt Opera liefern diesmal die Firefox-Macher einen passenden Browser.

Ein weiterer Vorteil von MicroB ist, dass er das „richtige“ Internet darstellen kann – sprich, auf dem Gerät läuft aktuelles Flash, JavaScript und die damit zusammenhängenden Technologien. Auch Add-ons und Plug-ins werden unterstützt, allerdings hapert es noch ein wenig an der Auswahl. Lediglich Microsofts Silverlight macht Probleme, was aber derzeit noch an der fehlenden Linux-Unterstützung liegt.

Echtes Web: Der Browser stellt Websites unverändert dar.

Im alltäglichen Einsatz fehlen uns aber mehrere Programme: Zum einen fehlt ein anständiges Office-Paket, die Notizfunktion kann da nur unzureichend mithalten. Auch ein Kalender sollte bereits integriert sein, am besten mit iCal-Unterstützung, damit der Abgleich mit Web- und Desktop-Kalendern einfach ist. Zudem ist ärgerlich, dass der integrierte RSS-Reader das OPML-Format nicht unterstützt, es lassen sich also keine Feeds importieren.

Innenleben – die Hardware des N810

Im Inneren des N810 arbeitet ein Chipsatz von Texas Instruments, der 400 MHz an Rechenpower bereitstellt. Dem neuen Internet-Tablet stehen 2 GByte interner Speicher zur Verfügung. Wem das nicht reicht, der kann mittels MiniSD-Karten nachrüsten. Nokia unterstützt den High-Capacity-Standard, sodass auch 8 GByte große Steckkarten kein Problem sind.

Erweiterbar: Auf der unteren Kante finden sich der Slot für die Speicherkarten sowie der Entriegelungsschieber für den Akku.

Das WLAN-Modul funkt gemäß den Standards IEEE 802.11b und g. Zusätzlich ist Bluetooth nach der Spezifikation 2.0 enthalten, das mit EDR (Enhanced Data Rates) aufwarten kann. Die unterstützten Profile sind HID, FTP, DUN, GAP, SPP, HSP, SIM und OPP. Leider fehlt uns hier A2DP, mit dem Stereo-Bluetooth-Lautsprecher angesteuert werden können. Wer mit den internen Lautsprechern nicht zufrieden ist, kann am 3,5-mm-Klinkenanschluss eigene Headsets anschließen.

Kabellose Verbindung: WLAN-technisch kommt der N810 mit allen aktuellen Standards zurecht.

Das neue GPS-Modul enttäuscht in der Praxis. Der First-Fix dauert sehr lang, länger als bei einem dedizierten Navi-Gerät oder etwa dem MDA Vario III. Ein Problem, das auch andere Anwender in Blogs und Foren beschreiben. Auch fehlt es noch an sinnvoller Software, mitgeliefert ist nur eine Karte, auf der sich der Standpunkt per GPS bestimmen lässt.

Seitenblicke: Oben links sehen Sie den MicroUSB-Stecker, in der Mitte ist der Stromanschluss, darunter die Buchse für Kopfhörer.

Am PC findet der N810 über eine MicroUSB-Schnittstelle Anschluss. Dabei handelt es sich um eine relativ junge Spezifikation, die speziell auf mobile Geräte zugeschnitten sein soll. Das erklärt auch den Zweitnamen USB-On-The-Go. Gegenüber MiniUSB hat sie mehrere Vorteile, so sind die Stecker beispielsweise kleiner und benötigen weniger Energie. Für den Anwender ist der größte Vorteil, dass MicroUSB Geräte ohne dedizierten Host-Adapter verbinden kann. Damit lassen sich etwa Dateien zwischen Mobiltelefonen direkt und ohne separaten PC tauschen. Nachteil der Technologie ist, dass sie eigene Kabel und Stecker benötigt, die noch nicht sehr verbreitet sind.

Maemo – das mobile Linux

Im Inneren des N810 arbeitet das Linux-basierte Betriebssystem Maemo in der aktuellen Version 2008, Codename Chinook. Der Vorteil: Maemo ist ein „richtiges“ Linux; eine große Anzahl der Anwendungen lässt sich daher ohne großen Aufwand portieren. Die Distribution basiert auf Debian und besitzt eine auf mobile Geräte optimierte grafische Oberfläche, die wiederum auf dem GTK+-Framework aufbaut. Mehr Informationen zu Maemo sowie die SDKs finden Sie auf der Homepage des Projekts.

Katalogware: Sind die entsprechenden Programmkataloge hinterlegt, können Sie bequem die zu installierende Software auswählen.

Maemo erfreut sich mittlerweile einer soliden Nutzer- und Entwicklerbasis. Immer mehr Tools und Programme kommen hinzu. Zusätzlich lockt das Gerät auch Hacker an, die die Grenzen von Maemo ausloten wollen. Dadurch gibt es inzwischen spezielle Pakete, die das Internet-Tablet etwa zu einem Penetration Testing Device aufrüsten.

Einfach: Die Installation geschieht vollautomatisch.

Die Open-Source-Entwickler kümmern sich außerdem zuverlässig um die Programme, die uns in der Standardausstattung gefehlt haben. Vom GPE-Projekt, eigentlich eine Community von Palm-Entwicklern, gibt es beispielsweise einen sehr guten Kalender. Und auch die Textverarbeitung Abiword wird derzeit auf das aktuelle Maemo portiert. Wer nun selbst die Grenzen seines N810 ausloten will, findet in der Tabelle die interessantesten Links rund um Maemo.

Die besten Links für Maemo

Maemo.org

Maemo-Apps.org

Maemoapps.com

Nokia OS2008

Hacking the Nokia N810

INdT’s Repository

Überblick über alle Programmkataloge

Linux-to-Go

Lauf und Ladezeit

Großer Touchscreen und WLAN, das zieht an den Leistungsreserven des Akkus. Damit sind wir bei einer weiteren Schwachstelle des N810, der Akkulaufzeit. In unserem Test hielt das Gerät bei aktiviertem WLAN 252 Minuten, also etwa 4,2 Stunden, durch. Der größere Akku hat dem Gerät sichtlich gut getan, hielt doch der Vorgänger 770 nicht einmal zwei Stunden durch.

Ladezyklus: Mehr als zwei Stunden benötigt der N810 um aufzuladen.

Der relativ große Akku von 1050 mAh benötigt allerdings einiges an Zeit, bis er wieder geladen ist. Im Test dauerte das ganze 156 Minuten. Nokia hat gegenüber den Vorgängern gut aufgerüstet, dennoch sollten das Ladekabel und eine Steckdose in Griffweite sein. Schade ist, dass sich der N810 nicht über die MicroUSB-Schnittstelle laden kann.

Tabelle: Der Nokia N810 im Überblick

Hardware

Prozessor

Texas Instruments, 400 MHz

Speicher

2 GByte intern

Erweiterungsslot

MiniSD, maximal 8 GByte

Display

800 x 480 Bildpunkte

Größe

72 x 128 x 14 mm

Gewicht

226 Gramm inklusive Akku

Akku

1050 mAh

Verbindung, Kommunikation und Betriebssystem

Mobilfunk

nicht unterstützt

WLAN / GPS

ja / ja

Bluetooth

ja, 2.0

Profile u. a.: Headset, Freisprechen, Dateitransfer

Schnittstelle

MicroUSB

Synchronisation

Nokia PC Suite, diverse Clients

Betriebssystem

Maemo 2008, Codename Chinook

Vertrieb und Preis

Hersteller

Nokia

Preis (voraussichtlich), mit Vertrag

nicht verfügbar

Ohne Vertrag

UVP: 449 Euro

Vertrieb

Direktvertrieb

Fazit: Praktisches Spielzeug

Ein Nokia-Gerät ohne Mobilfunkfähigkeiten ist zumindest ungewöhnlich. Aber im N810 steckt mit der flexibelste Begleiter, den Technikinteressierte und Linux-Fans haben können. Maemo ist mittlerweile unglaublich vielseitig, beinahe täglich kommen neue Funktionen hinzu.

Kommunikation: Ein Jabber-Client ist bereits vorinstalliert.

Dank dieser Software eignet sich das N810 nicht nur als Videoplayer oder Surfstation, sondern kann auch für Penetrationstests eingesetzt werden. Eine praktische Anwendung wäre beispielsweise die Suche nach Rogue Access Points, also WLAN Hotspots, die ohne Wissen und Genehmigung der IT-Abteilung innerhalb eines Gebäudes betrieben werden und dadurch eine nicht zu unterschätzende Sicherheitslücke darstellen.

Terminal: Die Konsole im N810.

Zudem macht sich das Gerät gut als Gadget, wenn man beispielsweise den Hype rund um die Apple-Geräte nicht mitmachen will oder der Eee PC von Asus zu unspektakulär ist. Dank des offenen Betriebssystems lässt sich so ziemlich jeder Medien-Codec integrieren, die Unterstützung für große Speicherkarten macht den mobilen Video- und MP3-Player perfekt. (mja)