Nokia hat sich den den letzten Jahren nicht gerade als Innovationsführer im Smartphone-Bereich hervorgetan. Das finnische Unternehmen musste deutlich Marktanteile an Newcomer wie Apple mit dem iPhone oder Google mit seiner Android-Plattform abtreten. Dem Smartphone-Trend hin zur einfachen Multitouch-Bedienung mit den Fingern statt Tastatur folgten die Finnen zunächst nur halbherzig, wie das Beispiel des Modells N97 im Sommer 2009 nochmals offenbarte.
Nun startet das Unternehmen mit dem Nokia N8 einen weiteren Versuch, um verlorenen Boden im Highend-Bereich gut zu machen. Allerdings startet das N8 etwas holprig, denn der Erscheinungstermin musste verschoben werden. Außerdem hat Nokia angekündigt, dass das Handy mit dem zwar neuen Betriebssystem Symbianˆ3 arbeitet, bei künftigen Highend-Smartphones aber das zusammen mit Intel entwickelte Linux-System MeeGo zum Einsatz kommen soll.
Hardware
Nokia hat nicht an der Qualität gespart, um seinem Ruf als Hardwarehersteller gerecht zu werden. Das N8 ist gut verarbeitet und hebt sich mit seinem in fünf verschiedenen Farben erhältlichen eloxierten Aluminium-Gehäuse bereits rein optisch aus dem Einheitsbrei an schwarzen Touchscreen-Smartphones hervor. Kleine Schönheitsfehler sind die Kunststoff-Schutzkappen für USB-und Mini-HDMI-Ausgang, SIM- und MicroSD-Karte. Mit 135 Gramm ist das N8 nicht gerade ein Leichtgewicht, liegt aber gut in der Hand und macht einen wertigen Eindruck.
Auch die inneren Werte können sich sehen lassen. Dazu zählt insbesondere die - leider etwas hervorstehende - 12-Megapixel-Kamera mit lichtstarker Zeiss-Optik, extra großem Bildsensor (1/1,83 Zoll bei 5,9 mm Brennweite) und Xenon-Blitz. Das N8 kann damit zwar - insbesondere bei schlechten Lichtverhältnissen - kein Profigerät ersetzen, erlaubt es dem Nutzer aber, seine Schnappschusskamera getrost zu Hause zu lassen.
Zur Ausstattung des N8 zählen weiterhin HSDPA (10,2 Mbit/s) und HSUPA (2,0 Mbit/s), WLAN (b/g/n), GPS, Bluetooth 3.0, Kompass und verschiedene Sensoren. Außerdem verfügt das Gerät über 16 GByte internen Speicher, der via microSD-Karte um bis zu 32 GByte erweitert werden kann.
Das Nokia-Flaggschiff wartet zudem mit verschiedenen Kleinigkeiten auf, die das mobile Leben fernab von PC oder Notebook angenehmer machen. Dazu zählt etwa ein FM-Transmitter zum Abspielen von Musiktiteln über ein Radio. Hervorzuheben ist auch der Host-fähige USB-Port (USB On-the-Go), mit dem nicht nur Speicher-Sticks direkt beschrieben werden können - allerdings darf wegen des verwendeten Dateisystems FAT32 die Dateigröße von 4 GB nicht überschritten werden. Auch der Anschluss von Mäusen und anderen Peripheriegeräten an den USB-Port ist möglich.
Ein weiteres kleines Highlight ist der miniHDMI-Port zum Anschluss an HD-fähige Fernseher, Displays oder Beamer. Nutzer können damit nicht nur - etwa im Hotelzimmer - HD-fähige Videos mit Dolby Surround auf einem Fernseher abspielen. Da auch das normale Handy-Display übertragen wird, eignet sich diese Funktion zudem für Videotelefonate oder zum Arbeiten (etwa in Kombination mit Bluetooth-Tastatur und USB-Maus), Surfen und Spielen am Smartphone.
Es gibt allerdings auch Schattenseiten bei der Hardware: So lässt sich das 3,5-Zoll große kapazitive Amoled-Display gut bedienen, die Auflösung ist aber mit 640 mal 360 Pixel etwas gering ausgefallen. Der mit 680 Megahertz getaktete ARM-11-Chipsatz wiederum hinkt trotz Grafikbeschleuniger mit 3D-Unterstützung nicht nur auf dem Papier den aktuellen 1-Ghz-Snapdragons der Konkurrenz hinterher. Zumal ihm nur 256 MByte RAM zur Seite gestellt wurden, fallen die Startzeiten mitunter etwas zu lange aus. Besser schlägt sich der mit 1200 mAH eigentlich relativ schmalbrüstig ausgefallene Akku - einen Tag hält die fest verbaute Batterie trotz starker Beanspruchung immerhin aus.
Software
Präsentiert sich die Hardware weitgehend auf dem Stand der Technik, fühlt man sich bei der Software um etliche Jahre zurückversetzt. Abgesehen von Kleinigkeiten wie Multitouch-Bedienung, Widgets und drei Homescreens bietet Symbianˆ3 kaum Neues. Da die Plattform mit den gleichen verschachtelten Menüs wie das Vorgängersystem S60 aufwartet, müssen sich die Nutzer noch immer mühsam erschließen, wie sie zu bestimmten Einstellungen, Funktionen oder gar Programmen gelangen.
Hinzu kommen nervige Altlasten, etwa dass zur Texteingabe noch immer ein extra Formularfenster geöffnet wird. Nach wie vor wird im Porträtmodus keine virtuelle Qwertz-Tastatur geöffnet - sondern das klassische Telefon-Tasten-Layout. Immerhin, so gab die bei Nokia für Smartphones zuständige Managerin Jo Harlow kürzlich in einem Interview bekannt, gehören diese Tücken in der Benutzerführung zu den Dingen, die Anfang 2011 per Upgrade verbessert werden sollen.
Andere Probleme kann der Anwender selbst aus der Welt schaffen, etwa, indem er den etwas betagten Browser durch Opera Mobile 10 ersetzt. Auch ein gelegentlicher Blick auf den Task Manager - Menütaste lange drücken - schadet nicht: Symbian^3 unterstützt zwar Multitasking, allerdings sinkt die Performance rapide, wenn zu viele Anwendungen nicht aktiv beendet werden, sondern im Hintergrund weiterlaufen.
Bei der Software gibt es auch gute Seiten: So kommen die Multimedia-Fans als Hauptzielgruppe des N8 auf ihre Kosten - sie können auf dem Gerät sogar eigene Fotos und Videos bearbeiten. Für den Business-Einsatz wiederum bietet das Smartphone Organizer-Funktionen und die Unterstützung für Pushmail über Exchange ActiveSync. Auch die Quickoffice-Suite (Texte, Tabellen und Präsentationen) ist vorinstalliert - leider nur in der Viewer-Version. Wer Dokumente direkt auf dem Gerät bearbeiten will, muss in die kostenpflichtige Variante Quickoffice Premier investieren. Last but not least erhält der Nutzer mit Ovi Maps eine kostenlose Onboard-Navigationslösung mit der Möglichkeit, Karten auf dem Gerät zu speichern. In der Praxis gestaltete sich das Laden der Karten aus Ovi allerdings nicht ganz einfach.
Fazit
Bekennende Nokia-Anhänger werden die Kritikpunkte wohl kaum vom Kauf eines N8 abhalten: Das Smartphone ist gut verarbeitet, zudem erfüllt es mit der technischen Ausstattung und den zahlreichen Features nahezu vollständig den Anspruch eines digitalen Taschenmessers. Außerdem ist es mit einer Preisempfehlung von 480 Euro auch nicht übertrieben teuer.
Bei den Kunden der Konkurrenz dürfte Nokia dagegen wohl kaum einen Stich machen: Das Bedienkonzept ist in Zeiten von iPhone und Android einfach veraltet und kaum ein Nutzer ist heutzutage bereit, vor dem Gebrauch die Bedienungsanleitung zu studieren, einzelne Features herauszusuchen und das Gerät gemäß seinen Wünschen einzustellen. Das ist schade, denn mit einem zeitgemäßen Betriebssystem hätte das N8 ein großer Wurf werden können, da Hardware und Gesamtkonzeption sich sehen lassen können.
Dieser Artikel basiert auf einem Beitrag unserer Schwesterpublikation Computerwoche. (mec)