Noch kaum Konkurrenz für DSL

08.06.2001
Nach der Deregulierung des Telekommunikations-Marktes in Deutschland ist das Angebot an Breitbanddiensten auf der "Letzten Meile" größer geworden. Neben der Digital Subscriber Line (DSL) und TV-Kabelnetzen wird jüngst sogar Ethernet über Lichtwellenleiter angepriesen.

Von: Bernd Reder

Weniger rasant, als dies Service Provider und Carrier noch vor wenigen Monaten prophezeiten, werden derzeit in Europa Breitbanddienste implementiert. "In den vergangenen 18 Monaten litt der Markt unter einer Kombination negativer Faktoren", sagt Hamish Mackenzie, Senior Research Analyst bei der Marktforschungs- und Beratungsgesellschaft International Data Corporation (IDC). "Neben der nur halbherzig umgesetzten Deregulierung des TK-Marktes waren das technische und logistische Problem die Zurückhaltung der etablierten Carrier, der Mangel an speziellen Inhalten und Services für Breitbanddienste sowie das wechselhafte Wirtschaftsklima." In der Folge sei Europa hinter Ländern wie den USA oder Korea zurückgeblieben.

Dennoch malt der Fachmann ein durchaus rosiges Bild für Breitband-Services. IDC erwartet, dass im Jahr 2005 mit solchen Diensten ein Umsatz von fast 15 Milliarden Dollar erzielt wird. Die Zahl der Breitbandverbindungen soll bis dahin auf 50 Millionen klettern. Als Basistechniken behaupten sich Kabelmodems, digitale Teilnehmeranschluss-Leitungen (Digital Subscriber Line) und funkgestützte Verfahren, insbesondere Broadband Fixed Wireless Access. Zusätzlich würden ab 2005 die Provider in einigen Ländern damit beginnen, Geschäftsgebäude und Privatgebäude über Glasfaserleitungen anzubinden.

Digital Subscriber Line: Breitbanddienste für die Massen

Zu den Gewinnern unter den oben genannten Breitband-Zugangstechniken zählt sowohl in Nordamerika als auch Europa die Digital Subscriber Line. DSL hat den Vorteil, dass es die vorhandenen Telefonleitungen nutzt; eine Neuverkabelung ist also normalerweise nicht erforderlich. Die Grundbausteine sind ein DSL-Access-Multiplexer (DSLAM) am Kopfende der Verbindung sowie ein DSL-Modem oder -Router, der beim Nutzer steht. Die Datensignale werden bei DSL in Tonfrequenzen "übersetzt" und auf die Sprachsignale aufmoduliert. Die Frequenzen liegen in einem Bereich, den Menschen nicht mehr wahrnehmen können, sodass Telefongespräche nicht gestört werden.

Es gibt eine ganze Reihe von DSL-Varianten: Die mit dem größten Verbreitungsgrad ist Asymmetric Digital Subscriber Line (ADSL), gefolgt von Symmetric Digital Subscriber Line (SDSL). Weitere Versionen sind VDSL (Very High Bit-Rate DSL) und G. SDHDSL, ein symmetrisches DSL-Protokoll für Übertragungsraten von 192 kBit/s und 2,3 MBit/s in beiden Richtungen.

Für Privatleute und den Small-Office-/Home-Office-Bereich kommt primär Asymmetric Digital Subscriber Line (ADSL) in Frage. In Deutschland bieten die großen Carrier wie die Deutsche Telekom mit T-DSL und Arcor (Arcor-DSL) diese Technik an, aber auch kleinere Service Provider und regionale oder lokale Telekommunikationsfirmen wie QSC (Q-DSL und Speedway-DSL). ADSL erlaubt Datenraten von maximal 8 MBit/s downstream - also beim Herunterladen von Informationen aus dem Netz - und 768 kBit/s in der Gegenrichtung.

Welche Bandbreite de facto zur Verfügung steht, hängt von der Qualität der Verkabelung ab, in erster Linie jedoch von der Entfernung zwischen der Vermittlungsstelle und dem Nutzer. Bei Datenraten von 2 MBit/s beträgt die maximale Distanz nach Angaben des DSL-Forums je nach Kabeltyp etwa 4,6 bis 5,5 Kilometer. Bei 6 MBit/s reduziert sie sich auf etwa zwei Kilometer. Aus diesem Grund hat beispielsweise die Telekom bei T-DSL die Upstream-Rate auf 128 kBit/s begrenzt. Höhere Raten würden zu stark zu Lasten der Leitungslänge gehen.

ADSL ist in erster Linie eine Technik, die - zumindest zum jetzigen Zeitpunkt - nur in Ballungsräumen Sinn macht. Größere Strecken, etwa auf dem Land, lassen sich teilweise nur überbrücken, wenn der Anwender Leistungseinbußen in Kauf nimmt, also niedrigere Datenraten. Wegen der asymmetrischen Übertragungsraten eignet sich ADSL primär für Privatanwender, die häufig im Web surfen oder häufig große Dateien herunterladen. Die Kosten für ADSL-Services liegen zwischen 50 und etwa 100 Mark pro Monat, zuzüglich eines ISDN-Anschlusses.

Zu den Schwachpunkten von DSL generell zählt, dass es nicht überall verfügbar ist. Zwar sind nach Angaben der Deutschen Telekom die gröbsten Lieferengpässe überwunden, für die Systemzulieferer Siemens verantwortlich gewesen sein soll. Die Telekom geht jedoch davon aus, dass sie bereits bis zum Ende des Jahres etwa 2,1 Millionen Kunden an das DSL-Netz angeschlossen hat.

SDSL: In beiden Richtungen gleich schnell

Für Anwender, die nicht nur größere Datenmengen empfangen, sondern auch versenden müssen, ist die symmetrische DSL-Version interessanter. Das gilt beispielsweise für Unternehmen, die kleinere Web-Server betreiben oder über das Internet mit Geschäftspartnern Bilddaten oder Konstruktionszeichnungen austauschen. Auf der Fachmesse Internetworld, die im Mai in Berlin stattfand, präsentierten denn auch einige Service Provider SDSL-Angebote, die auf mittelständische Unternehmen zugeschnitten sind. Die Münchener Firma Highway One beispielsweise bietet für 500 Mark im Monat eine Verbindung mit 512 kBit/s an. Doppelt so viel kostet der Dienst von Claranet. Dafür steht dem Kunden eine Bandbreite von 2,3 MBit/s zur Verfügung, inklusive 5 GByte Transfervolumen pro Monat.

Eine Weiterentwicklung von SDSL ist G.SHDSL (Global Standard for Single-Pair Highspeed Digital Subscriber Line). Neben Infineon, Adtran und Cisco Systems haben Rad Data Communications, Globespan und Alcatel Vorarbeiten geleistet. Seit Februar ist G.SHDSL unter der Bezeichnung G.991.2 eine offizielle Empfehlung der International Telecommunication Union (ITU-IT).

Der Hauptvorteil des neuen Verfahrens besteht darin, dass es bis 30 Prozent längere Strecken zwischen Vermittlungsstelle und Nutzer erlaubt. Zudem werden im Gegensatz zu ADSL die Telefoniedienste bei G.991.2 dank eines anderen Codierungsverfahrens nicht im Basisband übertragen, sondern direkt im Datenstrom. Geräte mit G. SHDSL-Schnittstellen sind bereits auf dem Markt. So stattete die israelische Firma Rad Data Communications ihr Integrated-Access-Device LA-140 mit einem solchen Interface aus. Auch Cisco bietet unter der Bezeichnung "Global DSL" entsprechende Produkte an, unter anderem Upgrades für seine DSL-Router und DSL-IP-Switches wie den 6015.

Noch offen ist, wann die Technik in Deutschland verfügbar sein wird und was entsprechende Dienste kosten werden. Es ist davon auszugehen, dass Carrier frühestens im kommendem Jahr auf G.SHDSL umsteigen. Zum einen deshalb, weil dies neue Investitionen in Systeme erfordert, zum anderen, weil sich angesichts der abflauenden Konjunktur die Nachfrage nach - noch relativ teueren - symmetrischen DSL-Diensten nicht so positiv entwickelt, wie noch vor einigen Monaten die Marktforscher prognostiziert haben.

Gleiches gilt für einen noch schnelleren DSL-Spross: Very High Bit Rate DSL. VDSL ist mit Downstream-Raten von 26 beziehungsweise 52 MBit/s die derzeit schnellste DSL-Technik. Daten lassen sich mit 1,5 oder 26 MBit/s versenden. Das genügt auch für bandbreitenhungrige Anwendungen, wie etwa Streaming-Media, Sprache über DSL (Voice over DSL, VoDSL) oder den Transfer großer Datenmengen. In Nordamerika und manchen europäischen Ländern gilt VDSL deshalb als ernsthafter Konkurrent von Glasfaserleitungen bis zum Teilnehmer.

Allerdings weist auch VDSL einige Schwachpunkte auf. Einer ist die Kupferkabelverbindung zwischen Teilnehmer und Verteiler am Straßenrand. Wegen der hohen Datenraten muss sie eine hohe Qualität aufweisen. Mittelfristig könnten die Kupferkabel zudem durch Glasfasern ersetzt werden, die dann für andere Verfahren wie Ethernet bis zum End-User zur Verfügung ständen. Ein weiteres Manko ist bei VDSL die geringe Reichweite. Sie beträgt maximal 1,5 Kilometer. Das ist selbst in Städten nicht gerade viel.

Breitbanddienste über Kabel-TV-Netze

Wie die Carrier bei DSL wollen auch die Betreiber von Kabel-TV-Netzen eine bereits vorhandene Infrastruktur nutzen und darüber interaktive Sprach- und Datendienste anbieten. Jahrelang spielten die Koaxial-Netze der Kabelfirmen als Zugangstechnik für Breitbanddienste eine marginale Rolle. Ein Grund dafür war, dass die Deutsche Telekom als größter Anbieter auf diesem Sektor verständlicherweise wenig Interesse daran hatte, einen internen Konkurrenten zu ihren etablierten Telekommunikationsdiensten aufzubauen, vor allem ISDN.

Nachdem sich nun die Telekom auf Druck der Wettbewerbshüter von einem Großteil ihres Kabelnetzes trennen muss, ändert sich die Lage. Ein Beispiel dafür ist Kabel NRW, das mit 4,2 Millionen angeschlossenen Haushalten größte Kabelnetz Deutschlands. Callahan Associates, das 55 Prozent der Anteile an Kabel NRW hält, baut das Netz in Nordrhein-Westfalen zu einem redundanten Breitbandnetz mit einer doppelten Ringstruktur aus. Es verfügt über 100 Kanäle mit jeweils 8 MHz, das Datenverkehr in beiden Richtungen zulässt.

Die Grundlage des neuen Netzes bilden Primär- und Sekundär-Backbone-Ringe mit Glasfaserkabeln. Die Privat- und Geschäftsgebäude werden über Hybrid-Glasfaser-Koaxialleitungen (Hybrid Fibre Coaxial) angebunden. Die Schnittstelle zwischen dem Glasfaser- und Koaxialkabel bilden HFC-Knoten. Dort werden die IP-Daten in RF-Traffic (Radio Frequency) umgewandelt. Um eine möglichst hohe Datenrate und Signalqualität zu erzielen, legt Kabel NRW die Glasfaserstränge so nah wie möglich zu den angeschlossenen Gebäuden, das heißt bis in eine Entfernung von wenigen hundert Meter. Neben Datenservices will Kabel NRW auch Dienste wie Sprache über IP anbieten. Bis Ende des Jahres sollen 1,6 Millionen Wohneinheiten angeschlossen sein und die erweiterten Möglichkeiten des Netzes nutzen können.

Als "große Herausforderung" sieht Kabel NRW die Verbindung zwischen dem Übergabepunkt im Haus und der Verkabelung in der Wohnung oder dem Büro - also die Netzebenen 4 und 5. Dort sind unterschiedliche Typen von Endgeräten vorhanden, die über entsprechende Schnittstellen in das neue Breitbandnetz integriert werden müssen. Um das sicherzustellen, muss Kabel NRW mit den Betreibern der Netzebene 4 zusammenarbeiten, also beispielsweise den Wohnungsbaugesellschaften. "Kabel NRW ist hier in konkreten Gesprächen, um gemeinsam Lösungen zu finden", ließ das Unternehmen verlauten.

Welche Bandbreite einem Teilnehmer in einem Kabelnetz zur Verfügung steht, hängt davon ab, wie viele Nutzer der Betreiber pro Kabelmodem vorsieht. Kabelmodems stellen 30 MBit/s und mehr zur Verfügung. Wenn jedoch an ein solches System 800 Teilnehmer angeschlossen sind, reduziert sich die Bandbreite auf etwa 400 kBit/s. Ähnlich wie bei DSL könnten Modelle zum Zuge kommen, die unterschiedliche Up- und Downstream-Datenraten vorsehen, etwa 700 kBit/s für den Empfang und 100 kBit/s für das Versenden von Daten. Für Anwender aus dem professionellen Umfeld ist diese Bandbreite allerdings nicht ausreichend. Hier werden die Netzbetreiber andere Modelle entwickeln müssen, die zumindest für kleine und mittlere Unternehmen Übertragungsraten im Bereich von SDSL vorsehen, also mindestens 2 MBit/s.

Wer die neuen Digitaldienste über das Kabelnetz nutzen will, muss nach Angaben von Kabel NRW 15 bis 20 Mark pro Monat für den Decoder zahlen. Hinzu kommen die Kosten für den Telefondienst. Für ihn will der Betreiber etwa zehn Prozent weniger als der Marktführer verlangen. Für den Internetzugang sind mehrere Modelle im Gespräch: eine Flatrate und eine Variante, bei der nach Zeiteinheiten abgerechnet wird.

Ethernet als Zugangstechnik

Noch in den Kinderschuhen steckt ein Ansatz, der auf einem Verfahren aufsetzt, das ursprünglich nur in lokalen Netzen zu Hause war: Ethernet als Teilnehmeranschlusstechnik. Die Arbeitsgruppe "Ethernet in the First Mile" der für LAN/MAN-Standards zuständigen Abteilung 802.3 des Institute of Electrical and Electronics Engineers (IEEE) hat sich zum Ziel gesetzt, ein solches Verfahren zu entwickeln. Mit ihm sollen sich Dienste auf Grundlage von Ethernet in Geschäfts- und Privatgebäude liefern lassen.

Die Protagonisten dieses Ansatzes argumentieren, dass mit Gigabit- und künftig 10-Gigabit-Ethernet Verfahren zur Verfügung stehen, mit denen jedem Teilnehmer genügend Bandbreite zur Verfügung gestellt werden kann, nötigenfalls dedizierte 10 MBit/s oder sogar 1 GBit/s. Damit lassen sich Anwendungen wie das Herunterladen von Videos (Video on Demand), Telefonieren (Voice over IP) oder Videokonferenzen realisieren.

Was das Ethernet-Lager geflissentlich herunterspielt, ist die Tatsache, dass das Verfahren keine "echte" Quality of Service (QoS) unterstützt, die für die Übertragung von Echtzeitdaten notwendig ist. Gremien wie die Internet Engineering Task Force (IETF) wollen dieses Manko mit Methoden wie Diffserv, Intserv oder Multiprotocol Label Switching (MPLS) beseitigen. Doch diese Verfahren wurden noch nicht flächendeckend in Routern und Switches implementiert (siehe dazu den Beitrag "Theorie gut, Praxis mangelhaft - Dienstgüte bei ATM und IP" in NetworkWorld 8/2001).

Noch unklar ist außerdem, auf welche Weise Ethernet ins Bürogebäude oder die Wohnung gelangen soll. Einige Firmen, wie etwa World Wide Packets, favorisieren Lichtwellenleiter ("Fibre to the Subscriber"). Glasfasern bieten ausreichende Übertragungskapazitäten und sind unempfindlich gegen elektromagnetische Störungen. Ein weiteres Plus ist die große Reichweite. Ihr Nachteil ist nach wie vor der hohe Preis, bedingt durch die aktiven optischen Komponenten.

Kupferkabel, wie die klassischen Telefonleitungen, wiederum weisen die bei DSL genannten Einschränkungen auf: die bei hohen Datenraten geringe Reichweite sowie höhere Störempfindlichkeit. Andererseits sind sie die wesentlich preisgünstigere Variante. Cisco Systems hat unter dem Namen "Long Reach Ethernet" bereits eine Familie von Netzwerkkomponenten vorgestellt, mit denen sich Ethernet über DSL-Leitungen in Hotels sowie Wohn- und Geschäftsgebäude transportieren lässt (siehe dazu Beitrag auf Seite 26 in dieser Ausgabe).