Neues Gebührensystem: US-Online-Radiosendern wie Pandora droht das Aus

09.03.2007 von Markus Pilzweger
Bislang mussten US-Online-Radiosender einen prozentualen Anteil an ihren Umsätzen an die Musikindustrie abführen, damit sie ihr Programm legal per Internet übertragen dürfen. Diese Vereinbarung ist nun ausgelaufen. Das neue Gebührensystem könnte für viele Stationen das Ende bedeuten, da die Zahlungen um einiges höher liegen.

Alte Regelung ausgelaufen

Im Jahr 2002 einigten sich die US-Online-Radiosender und die US-Musikindustrie auf ein einfaches Lizenzgebührensystem. Demnach müssen reine Online-Sender 12 Prozent ihres Umsatzes an "Soundexchange" abführen, eine Organisation, die von der Recording Industry Association of America (RIAA) eingerichtet wurde und an die die Gebühren für die Künstler und Musikfirmen gezahlt werden muss. Diese Vereinbarung ist nun jedoch ausgelaufen und ein neues System an Stelle des alten Modells getreten, berichten unsere Kollegen der Computerworld.

Nach einer Vorgabe des Copyright Royalty Board of the Library of Congress werden die prozentualen Umsatzbeteiligungen nun auf eine Gebühr umgestellt, die pro Song und pro Hörer abgerechnet wird. Betroffen von dieser Umstellung sind reine Online-Radiosender, digitale Music-Stations wie pandora.com und traditionelle Radiosender, die ihr Programm auch über das Internet streamen.

Das neue Gebührensystem liest sich wie folgt: Für das Jahr 2006 werden für einen Song pro Hörer 0,0008 Dollar fällig, 2007 0,0011 Dollar, 2008 0,0014 Dollar, 2009 0,0018 Dollar und im Jahr 2010 0,0019 Dollar. Anbieter mehrerer Musik-Channel wie pandora.com zahlen eine Flatrate in Höhe von 500 Dollar pro Kanal und pro Monat. Mit dieser Gebühr ist aber nur eine bestimmte, nicht näher definierte Stundenzahl verbunden. Hört ein Anwender einen Kanal länger, werden höhere Gebühren fällig.

Kurt Hanson, der in Chicago das Online-Radio accuradio.com betreibt, erklärte, dass er nach der alten Regel 48.000 Dollar an Gebühren zahlen musste, nach der neuen Regel würden für das Jahr 2006 600.000 Dollar anfallen. "Damit sind wir bankrott", so Hanson. Und in der Tat: Stimmen die Angaben Hansons, müsste er auf seinen Jahresumsatz noch mal 50 Prozent drauflegen, um die neuen Raten zahlen zu können. Laut Hanson prüfen verschiedene Betreiber von Online-Radiostationen, wie sie weiter vorgehen können. Denkbar sei eine Berufung gegen die Entscheidung des Copyright Royalty Board of the Library of Congress.

"Das macht dann bitte 3,5 Millarden Dollar"

Komplett irrsinnig wird das Ganze, wenn man die Auswirkungen der neuen Gebühren auf Dienste wie pandora.com betrachtet. Dort können Anwender nach bestimmten Künstlern oder Musiktiteln suchen. Der Service erstellt aus diesen Vorgaben personalisierte Musik-Kanäle, die dem jeweiligen Geschmack der Anwender entsprechen (sollen). Jeder Nutzer kann dabei bis zu 100 eigene Sender erstellen. Dies würde laut Hanson bedeuten, dass pandora.com über 3,5 Milliarden Dollar an Gebühren zahlen müsste. Aus Sicht von Hanson drängt die neue Gebührenstruktur Online-Radios komplett aus dem Geschäft.

Soundexchange-Sprecher Willem Dicke widerspricht dieser Darstellung und erläutert, warum aus seiner Sicht eine Neustrukturierung der Gebühren nötig geworden ist. So stiegen die Werbe-Umsätze von Online-Radiosendern von geschätzten 50 Millionen Dollar im Jahr 2003 auf 500 Millionen Dollar im vergangenen Jahr. "Wir sehen dies als faire und ausgewogene Entscheidung", so Dicke.

Pandora-Gründer Tim Westergren hält in seinem Blog dagegen: "Dies ist eine absolut lächerliche Entscheidung, die jede Form von Internet-Radio unwirtschaftlich macht." Und weiter: "Die Probleme der Musikindustrie haben nichts mit Online-Radios zu tun und diese zu töten wird ihrem Geschäft weiter schaden und nicht helfen."

Joe Kennedy, CEO von Pandora, pflichtet bei: "Diese Gebühren sind desaströs. Ich kenne kein Internet-Radio, das daran glaubt, sein Geschäft unter diesen Vorgaben weiter aufrecht erhalten zu können. Der einzige Grund, weshalb die Dienste nicht sofort abgeschaltet werden ist der Glaube daran, dass die Rationalität letztlich obsiegen wird, entweder durch eine Berufung oder durch Eingriff des Kongresses. Bleibt es bei diesen Tarifen, könnten Satelliten- und normale Radiosender alles sein, was übrig bleibt. Herkömmliche Radiosender müssen diese Gebühren nicht bezahlen und im Vergleich zu Satelliten-Sendern müssten Online-Radios vier bis fünf Mal mehr bezahlen."

Doch neben Wirtschaftsunternehmen wären auch non-profit-Organisationen wie der Sender KCRW in Santa Monica, Kalifornien, betroffen. Die Station gehört zum National Public Radio, muss keine Steuern abführen, überträgt sein Programm aber per Stream ins Internet. Auch hier würde die 500-Dollar-Flatrate-Gebühr pro Kanal zuschlagen, was laut KCRW im Jahr 2006 immerhin 138.000 Dollar ausgemacht hätte. Für das Jahr 2007 wären es 188.000 Dollar. Der Sender steht nun vor der Frage, ob es nötig sein wird, sein Programm nur noch registrierten Mitgliedern online zugänglich zu machen. Dies würde aber dem Anspruch von KCRW als öffentlicher Sender widersprechen. (PC-Welt/mja)