Netzwerk für Sprache optimieren

14.09.2001
Sprache und Daten über dasselbe Netzwerk zu transportieren, bietet eine ganze Reihe Vorteile. Eine hohe Sprachqualität lässt sich aber nur erreichen, wenn man die IT-Umgebung an die technischen Anforderungen von Voice over IP anpasst.

Von: Christoph Lange

Über das Internet zu telefonieren, ist nach wie vor etwas für Enthusiasten, es eignet sich nicht für die geschäftliche Kommunikation. Das Web transportiert IP-Pakete über verschiedene Wege mit unter-schiedlich langen Laufzeiten. Der Anwender hat keine Steuerungsmöglichkeiten, die Sprachqualität ist deshalb in der Regel schlecht.

Im lokalen Netzwerk dagegen hat es der Administrator in der Hand, die Netzkomponenten so zu konfigurieren, dass sie die erforderliche Dienstgüte bereitstellen. Für Unternehmensnetze ist die IP-Telefonie deshalb bereits heute eine Alternative. Richtig implementiert, kann sie sich bei der Sprachqualität durchaus mit ISDN messen.

Ein häufig genannter Vorteil von VoIP ist die Einsparung der Telefongebühren. Dies wird allerdings erst dann richtig zum Tragen kommen, wenn IP-Telefonie auch über das Internet mit hoher Qualität möglich ist. Ein großer Pluspunkt ist, dass mit VoIP nur noch eine IT-Infrastruktur gepflegt werden muss.

Die von NetworkWorld gemeinsam mit dem Partner Lab EANTC (European Advanced Networking Test Center) in den vergangenen Monaten durchgeführte VoIP-Testreihe hat gezeigt, dass die heute auf dem Markt erhältlichen VoIP-Systeme reif für den praktischen Einsatz sind (www.networkworld.de/testcenter). Alle getesteten Anlagen bieten eine gute bis sehr gute Sprachqualität. Unterschiede zeigten sich vor allem bei Funktionsumfang und Bedienungsfreundlichkeit sowie der Skalierbarkeit.

Komponenten von VoIP-Anlagen

Für die Signalisierung von VoIP-Verbindungen hat sich das H.323-Protokoll als Quasi-Standard etabliert. Es soll die Interoperabilität zwischen Geräten unterschiedlicher Hersteller garantieren. Allerdings ist derzeit meist H.323 in Version 2 implementiert, die nur einen begrenzten Funktionsumfang bietet. Viele Hersteller haben deshalb proprietäre Erweiterungen entwickelt. Die inzwischen verfügbare leistungsfähigere Version 3 ist bislang selten anzutreffen.

Ob sich H.323 langfristig durchsetzen kann, ist fraglich. Denn mit dem Session Initiation Protocol (SIP) wird derzeit eine Alternative für die Signalisierung in VoIP-Netzen entwickelt. Wer heute in VoIP-Systeme investiert, sollte deshalb darauf achten, dass sie H.323 und SIP unterstützen (siehe Kasten).

H.323-Systeme bestehen im Wesentlichen aus Gatekeeper, Gateway und den Endgeräten. Der Gatekeeper übernimmt die Zuordnung von IP-Adressen zu Telefonnummern sowie die Zugriffskontrolle und verwaltet die im LAN verfügbare Bandbreite. Das Gateway stellt die Verbindung her zwischen dem VoIP-Netz und dem öffentlichen Telefonnetz. Es baut Gespräche auf und wieder ab, komprimiert die Sprache und packt sie in IP-Pakete ein. Als Endgeräte sind IP-Telefone mit Ethernet-Anschluss und Software-Clients erhältlich. Sie erfüllen die gleichen Aufgaben wie das Gateway. Sobald eine Verbindung aufgebaut ist, tauschen die Endgeräte die Sprachdaten direkt miteinander aus.

Netzwerk sprachfähig machen

Damit ein LAN Sprache per VoIP mit hoher Qualität übertragen kann, muss es bestimmte Voraussetzungen erfüllen. Die ITU (International Telecommunication Union) definiert als "sehr gute Sprachqualität" Paketverluste von weniger als fünf Prozent und eine Verzögerung von unter 200 ms. Verzögerungen von 200 bis 400 ms bei maximal fünf Prozent Verlustrate qualifiziert die ITU als "akzeptable Sprachqualität". Zu berücksichtigen sind zudem die ab Laufzeiten von 30 ms auftretenden Echos. Bis zu Verzögerungen von 150 ms lassen sie sich technisch kompensieren, bei höheren Delays stören sie deutlich.

Paketlaufzeit und Verlustrate sind für VoIP so wichtig, weil zu spät eintreffende Sprachpakete verloren gehen. Subjektiv störend können bereits Laufzeitschwankungen ab 25 ms sein. Negativ wirken sich auch unterschiedlich lange Paketlaufzeiten aus (Jitter).

Damit VoIP-Pakete möglichst schnell ihren Empfänger erreichen, sollten Administratoren die Priorisierungs-Mechanismen von LANs nutzen. Auf dem Ethernet-MAC-Layer sind dies vor allem 802.P und Q (Tagging und VLAN). Die IP-Ebene stellt Diffserv, Intserv und RSVP zur Verfügung. Die Wirksamkeit dieser Verfahren hängt stark vom Queue-Management der beteiligten Switches und Router ab. Je nach Hersteller gibt es hier sehr große Unterschiede: Einige unterstützen lediglich zwei Queues, andere haben bis zu sieben Stufen implementiert.

Zu beachten ist auch, ob Verschlüsselungsmechanismen die Paketlaufzeiten verlängern. Die Tolly Group hat festgestellt, dass sich VoIP-Übertragungen dadurch zusätzlich um etwa 10 bis 20 ms verzögern. Die Sprachqualität hängt zudem vom gewählten Codec ab: Je stärker die Komprimierung, desto länger die Verzögerung.Er bestimmt auch, wie groß der IP-Overhead ausfällt. Dieser lässt sich bislang nur mit proprietären Techniken reduzieren. Die IETF hat mit Compressed RTP (cRTP) einen Standard in Arbeit, der die 40 Byte des IP-Headers auf 2 reduziert.

Fazit

Ein optimal konfiguriertes Netzwerk ist die wichtigste Voraussetzung, um mit VoIP eine hohe Sprachqualität zu erreichen. Für eine wirksame Priorisierung des Sprachverkehrs müssen die einzelnen Netzkomponenten sorgfältig aufeinander abgestimmt werden. Dann lässt sich mit den heute verfügbaren VoIP-Lösungen innerhalb von lokalen Netzen sogar ISDN-Qualität erreichen.