Nazi-Domains raus aus dem Web

09.08.2000 von ULI BANTLE 
Die Registrierung der Domain heil-hitler.de hat Internetprovider und die zentrale Domainvergabestelle DENIC mitten in die Diskussion um den Kampf gegen den Rechtsextremismus katapultiert. Das Bundesjustizministerium ruft nun die Unternehmen zur Mitverantwortung auf und stößt auf offene Ohren.

Zusammen mit Serviceprovidern, sozialen Einrichtungen und Organisationen will das Ministerium eine Liste erarbeiten, um rechtsradikale und menschenverachtende Begriffe in .de-Domainnamen künftig auszufiltern. Die Aktion nennt sich "Bündnis für Toleranz und gegen Fremdenfeindlichkeit". "Das Bundesjustizministerium übernimmt die Koordination der Liste", sagte Christian Arns, ein Sprecher des Ministeriums. Schärfere Gesetze brauche es in diesem Fall nicht, vielmehr sei die Mitverantwortung der Wirtschaft gefragt. Für Unternehmen gelte: "Was ich nicht tun will, muss ich nicht tun", sagte Arns. Das heißt: Ein Provider, der eine Domain nicht hosten will, soll es lassen.

Sören Heinze, Sprecher des Internetproviders Strato AG, bei dem die heil-hitler-Domain angemeldet wurde, begrüßt die Aktion des Justizministeriums: "Wir sind die Ersten, die mitmachen." Dass Strato bereit sei, Verantwortung zu übernehmen, zeige bereits das Löschen der Domain, trotz rechtlicher Unsicherheit. Eine Klage des Kunden, mit dem man einen Vertrag habe, nehme man damit in Kauf. Die Durchlässigkeit des Systems erkennt man daran, dass die Domain erneut registriert wurde und ein zweites Mal gelöscht werden musste. Die von Strato eilends eingerichtete Taskforce hat außerdem übers Wochenende mit hitler-adolf.de eine weitere Domain aufgelöst. Hinter der Domain steckte kein Inhalt, sagte Heinze, und damit fehle auch hier die rechtliche Basis.

Rechtslage ist unsicher

Die unsichere Rechtslage entsteht bereits beim Anmelden, weil Provider und auch die DENIC angeblich dem boomenden Internet Tribut zollen müssen. 200.000 Domains trägt die DENIC nach eigenen Angaben im Monat ein. Strato, als einer der großen Domain-Hoster, steuert dazu rund 70.000 Einträge bei. Eine Prüfung jedes Eintrags sei bei diesen Massen unmöglich. Laut Sören Heinze kontrolliert Strato stichpunktartig. Die Anmeldung selbst sei größtenteils automatisiert. Der Kunde bestellt zum Beispiel via Internet seine Wunsch-Domain und bestätigt den Vertrag per Fax. Dann geht der Antrag an die DENIC, wo mittels Datenbank geprüft wird, ob es die Domain schon gibt. Ist dies nicht der Fall, wird sie registriert.

Das Heer von Mitarbeitern das zur Prüfung nötig wäre, könne sich kein Provider leisten, sagte der Strato-Sprecher. Bei den Hostern herrscht ein harter Preiskampf und die Zahl der Mitbewerber im Domain-Geschäft wächst stetig. Das Gesetz biete zwar die Möglichkeit, Seiten wegen illegaler Inhalte sofort zu schließen, bei Domainnamen selbst ist die Rechtslage laut Heinze nicht eindeutig. Das bloße Registrieren von solchen Domainnamen sei noch nicht illegal. Der Bundesverfassungsschutz bestätigte dies in einer ersten Stellungnahme: Man müsse prüfen, ob nicht schon durch die Domain heil-hitler.de der Status der Volksverhetzung gegeben sei.

Nur manuelle Kontrolle hilft

Eine verbindliche Liste für unerwünschten Domains könnte künftige Versuche abblocken. Die derzeitigen Datenbanken zahlreicher Hoster eignen sich angeblich nicht für ein automatisches Sperren, manuelle Kontrolle ist nötig. Wie die Taskforce von Strato zeigt, ist aber die Mitarbeit der Providers an der Suche nach unerwünschten Domains gewiss. Das Bundesjustizministerium hat auch von der DENIC bereits Zusagen zur Zusammenarbeit erhalten.

Die Liste mit unerwünschten Domainnamen soll mit Hilfe von Organisationen und Institutionen wie zum Beispiel dem Zentralrat der Juden erstellt werden. "Interessierte Organisationen können sich an das Bundesjustizministerium wenden", sagte Christian Arns, "zurzeit am besten schriftlich". Sobald konkrete Vorschläge vorliegen, werde man die Aktion auch über die Internetseiten des Ministeriums vorstellen. Im Justizministerium hofft man auf eine Signalwirkung über die Landesgrenzen hinweg. Das Argument, "was wir verbieten, wird anderswo gehostet", zähle dann auf Dauer nicht mehr. Es gibt auch Pläne, für fragwürdige Domainnamen einen gemeinnützigen Verein zu gründen. Der Verein könnte die Domains reservieren und unter den Adressen über Rechtsextremismus aufklären.

Strato will sich dafür einsetzen, dass sich alle rund 120 DENIC-Mitglieder beteiligen. Der geeignete Ort für die Installation eines Filters sei die zentrale Vergabestelle. Die Mitglieder müssten dann aber auch bereit sein, die finanzielle Verantwortung für das Ausfiltern mitzutragen. An der Kooperationsbereitschaft der Provider herrscht schon wegen des öffentlichen Interesses kein Zweifel.

Fehler der Vergangenheit

Die Versäumnisse der Vergangenheit lösen Liste und Filter aber nicht. Und das Beispiel heil-hitler.de ist nur eines unter vielen, dass durch die Maschen der Domainverwalter und Provider geschlüpft ist. Grenzbereiche gibt es wie bei jeder Indizierung: Nicht hinter jeder rechtsradikal klingenden Domain, wie beispielsweise Hakenkreuz.de, muss eine Nazi-Organisation stecken. Es gibt auch antifaschistische Gruppen, die solche Domains reservieren, quasi als Vorsorge oder um Aufklärung zu leisten. Gleiches gilt auch für Domains mit scheinbar kinderpornografischen Namen, hinter denen sich teilweise Aufklärungsangebote des Kinderschutzbundes verbergen. Teilweise findet sich hinter fraglichen Domains, wie NSDAP.de, auch schlicht Quatsch oder Pamphlete linker Gruppierungen.

Sollte der Betreiber tatsächlich aus dem rechtsradikalen Milieu stammen, fällt die Schließung bestehender Sites scheinbar schwer, falls sich dort keine rechtswidrigen Inhalte finden. Im Fall der heil-hitler-Domain ermittelt laut einem Bericht der Bild Zeitung inzwischen die Staatsschutzabteilung der Kriminalpolizei gegen einen Oberfeldwebel. Das Ergebnis der Ermittlungen könnte zeigen, ob eine Domain-Registrierung für eine Anklage ausreichen kann.

Fazit

Einen Beitrag zur Bekämpfung des Rechtsextremismus im Internet stellt die Aktion schon deshalb dar, weil die Teilnehmer Verantwortung übernehmen, auch wenn das Medieninteresse seinen Teil dazu beigetragen hat. Im Justizministerium hätte man sich dieses Interesse für die internationale Konferenz "Verbreitung von Hass im Internet" gewünscht, die im Juni nahezu unbemerkt über die Bühne ging. uba)