Nanotechnik: IBM speichert 1 TBit/In²

12.06.2002 von ULRICH BANTLE 
Mit Hilfe von Nanotechnologie haben IBM-Wissenschaftler eine Speicherdichte von einer Billion Bits (1 TBit) pro Quadratzoll erreicht. Damit sind die Daten etwa zwanzig Mal dichter gepackt als auf Magnetspeichern.

Die extreme Dichte von einem TBit pro Quadratzoll - IBM spricht von 25 DVDs auf der Fläche einer Briefmarke - wurde im Rahmen des Projekts "Millipede" (Tausendfüßler) am IBM Forschungslabor Zürich mit Nanomechanik erreicht. Nanomechanik ersetzt dabei die herkömmliche magnetische oder elektronische Speichertechnologie. Mit Tausenden von feinsten Spitzen schreibt Millipede winzige Vertiefungen, die einzelne Bits repräsentieren, in einen dünnen Film aus Kunststoff.

Kern der Millipede-Technologie ist laut IBM-Research eine zweidimensionale Anordnung von V-förmigen Silizium-Federzungen (Kantilever), die 0,5 Mikrometer dünn und 70 Mikrometer lang sind. Am Ende jeder Zunge rage auf einer Seite eine weniger als 2 Mikrometer hohe Spitze heraus, teilte IBM mit. Der derzeitige experimentelle Aufbau enthalte auf 3 mm² 1024 (32 x 32) Zungen, die aus dem Silizium herausgeätzt sind. Das Resultat und die Funktionsweise vergleichen die Forscher mit einer Miniatur-Lochkarte.

Schreiben und Lesen

Die Bits sollen sich auch löschen und überschreiben lassen. Zum Lesen, Schreiben, Löschen und Überschreiben werden die Spitzen mit dem nur wenige Nanometer dünnen Polymerfilm auf dem Siliziumsubstrat in Kontakt gebracht. Das Schreiben von Bits erfolgt durch Aufheizen des in den Kantilever integrierten Widerstands auf 400 Grad Celsius. Die aufgeheizte Spitze weicht das Polymer auf, sinkt ein und hinterlässt eine Vertiefung.

Zum Lesen wird die Temperatur des Widerstands auf 300 Grad Celsius abgesenkt. Bei dieser Temperatur weiche das Polymer nicht auf. "Fällt" nun die Spitze in eine Vertiefung, kühlt sich der Widerstand wegen der erhöhten Wärmeableitung in der "Mulde" leicht ab, was zu einer messbaren Veränderung des Widerstands führt.

Lebensdauer und Geschwindigkeit

Um Daten zu überschreiben, ätzt die Spitze versetzt Vertiefungen in die Oberfläche. Deren äußere Ränder überlappen die alten Vertiefungen und löschen so die alten Daten. Mehr als 100.000 Schreib- und Überschreib-Zyklen haben den Nachweis erbracht, dass sich das Konzept für einen wieder beschreibbaren Speichertyp eignet, heißt es im zugehörigen Forschungsbericht von IBM.

Die derzeitige Schreib- und Lesegeschwindigkeit pro Spitze ist laut IBM auf einen Bereich von einigen KBit/s und damit bei 1000 Spitzen auf wenige MBit/s beschränkt. Nanomechanische Experimente am IBM Forschungszentrum Almaden in Kalifornien hätten aber bereits vor einigen Jahren gezeigt, dass mit einzelnen Spitzen Datenraten von bis zu zwei MBit/s möglich sind.

Der Energieverbrauch des Systems hängt laut Forschungsbericht stark von der Datenrate ab, mit der das Gerät betrieben wird. Bei wenigen MBit/s braucht der Tausendfüßler laut IBM nicht mehr als 100 Milliwatt und damit etwa so viel, wie herkömmlicher Flash-Speicher. Der Verbrauch von Millipede liege aber deutlich unter dem der magnetischen Speicherung.

Datendichten

Mit dem experimentellen Chip mit 1024 Spitzen auf einem Quadrat von 3 mm Seitenlänge hat der Versuch eine Speicherdichte von 200 GBit pro Quadratzoll und eine potenzielle Kapazität von etwa 0,5 GByte erreicht. Die Rekorddichte von einem TBit haben die Forscher mit einer einzelnen Silizium-Spitze erreicht, die Vertiefungen mit einem Durchmesser von 10 Nanometern erzeugt. Der Abstand zwischen den Pits beträgt dabei 20 Nanometer.

Die IBM-Wissenschaftler glauben, dass die Technologie noch zu weit höheren Speicherdichten führen kann. "Da Nanometer-scharfe Spitzen einzelne Atome adressieren können, sind Verbesserungen weit über den Terabit-Meilenstein hinaus möglich", sagte Nobelpreisträger Gerd Binnig, der als treibende Kraft des Millipede-Projekts gilt. Binning: "Während die heute eingesetzten Speichertechnologien allmählich an fundamentale Grenzen stoßen, steht unser nanomechanischer Ansatz erst am Anfang und hat ein Entwicklungspotenzial für tausendfach höhere Speicherdichte."

Weiterentwicklungen

Derzeit arbeitet IBM am Prototypen eines kompletten Speichersystems, das im nächsten Jahr betriebsbereit sein soll. Der Prototyp soll über mehr als 4000 Spitzen verfügen, die in einem kleinen Quadrat von 7 Millimeter Seitenlänge angeordnet sind. Die Dimensionen würden es ermöglichen, ein komplettes Speichersystem hoher Kapazität in das kleinste standardisierte Format für Flash-Memory zu packen.

IBM hält die Forschung für zukunftsweisend. Während die Kapazität von Flash-Speicher voraussichtlich 1 bis 2 GByte nicht übersteige, könne Millipede 10 bis 15 GByte auf derselben Fläche speichern, ohne mehr Energie zu verbrauchen. "Millipede könnte mobilen Geräten wie PDAs, Mobiltelefonen und multifunktionalen Armbanduhren enorme Speicherkapazität verleihen", sagte Millipede-Projektleiter Peter Vettiger. Zusätzliche Informationen finden Sie hier bei IBM-Research.

Zusätzliche Informationen zur Technologie der herkömmlichen Flash-Speicher finden Sie in den Reports Mobile Speichermedien und Trends bei Festplatten & Co. (uba)