MS Office: Aktivieren statt Registrieren

01.06.2001 von ULRICH BANTLE 
Microsoft hat Details zur Aktivierung künftiger Office-Versionen genannt. Der Softwarekonzern zielt damit vor allem auf vermeintliche Raubkopierer in Unternehmen.

Microsoft führt mit Office XP (2. Quartal 2001) und Windows XP (vermutlich 4. Quartal 2001) einen neuen Kopierschutz ein, was viele User empört. So versagt die neue Office-Suite beispielsweise den Dienst, wenn sie nicht vor dem 51. Start aktiviert wurde. Ähnlich reagiert Windows XP, dort geht nach Ablauf von 30 Tagen ohne Aktivierung nichts mehr.

Für den privaten Benutzer bedeutet die Aktivierung der Software einen Mehraufwand. Bei vorinstallierten Versionen kann die Aktivierung vom Händler/Hersteller übernommen werden. Eine Office-CD wird aber auch in diesem Fall laut Microsoft beiliegen. Dass Office als illegale Dreingabe im hart umkämpften PC-Mark installiert wird, soll mit der Aktivierung unmöglich werden.

Die CD bildet aus ihrer Versionsnummer und einer Prüfsumme der auf dem PC installierten Hardwarekomponenten eine Installations-ID. Damit soll verhindert werden, dass ein und dieselbe Office-CD für Installationen auf unterschiedlichen Rechnern verwendet wird. Für Office gilt der Sonderfall, dass die Lizenzbedingungen von Microsoft eine zweite Installation auf einem Laptop zulassen, sofern dieser nicht gleichzeitig mit dem PC benutzt wird.

Für Volumenlizenzen, die bei großen Firmen zum Einsatz kommen, existiert ein abweichender Modus. Dort kommt ein so genannter Volume-Licence-Key zum Einsatz. Die Software kann damit auf den Clients administrativ installiert werden. Die Installationsgrundlage bilden dann ausschließlich die von Microsoft "World Wide Fullfillment" (WWF) und "Select" genannten CDs.

Aktivierung per Telefon oder online

Nach der Installation von Office aus dem Paket oder bei nicht voraktivierten OEM-Systemen erscheint der Assistent für die Produktaktivierung. Nun hat der Benutzer zwei Möglichkeiten. Er kann sich die zur Aktivierung nötige Installations-ID über das Internet bei Microsoft holen oder er greift zum Telefonhörer. 24 Stunden, sieben Tage die Woche, sind die Aktivierungs-Hotlines besetzt, sagt Microsoft. Dort muss man zuerst den 50-stelligen Installationscode aufsagen, welcher der Software beiliegt. Die Gegenstelle diktiert dann die Zahlenkombination, die in den von bisherigen Installationen bekannten Feldern eingetragen werden müssen. Sechs dieser Felder - von A bis G - gilt es, mit Zahlen zu füllen. Um Fehler durch Groß- und Kleinschreibung zu vermeiden, hat Microsoft auf Buchstaben im Code verzichtet.

Über das Internet soll es einfacher gehen. Der Assistent sucht die Standardverbindung heraus oder wartet, bis die gewünschte Verbindung gestartet ist. Angeben muss der Benutzer, wie auch beim telefonischen Kontakt, nur das Land, in dem die Software installiert wurde. Der Screenshot, den Microsoft von der Aktivierungsprozedur präsentierte, weist auf eine sichere Verbindung hin. Außerdem können vor dem Absenden freiwillige Informationen eingetragen werden, etwa ob man über Updates oder Produktneuheiten informiert werden möchte. Dafür ist dann eine E-Mail-Adresse einzutragen. Ohne diese freiwillige Angabe sei die Aktivierung jedoch anonym. Es werde weder ein Cookie gesetzt noch seien aus der Prüfsumme Rückschlüsse auf die Hardware möglich.

Wer die Aktivierung versäumt, soll laut Microsoft mit Office XP keine neuen Dateien mehr anlegen können. Alte Dateien lassen sich ebenfalls nicht mehr abspeichern. Für Windows XP steht derzeit fest, dass die Aktivierung enthalten ist und dass statt 50 Starts eine Frist von 30 Tagen gesetzt wird. Mit welchen Restriktionen das Betriebssystem aufwartet, falls es nicht aktiviert wird, konnten die Microsoft-Mitarbeiter derzeit nicht beantworten. Da die Aktivierung weltweit eingesetzt wird und die nationalen Rechtsprechungen nicht einheitlich sind, dient Office wohl auch als juristischer Versuchsballon in Europa.

Aktivierungslimit durch Hardware

Zur Frage, welche Hardwarekomponenten für die Installations-ID abgefragt werden, ließ Microsoft sich nur wenige Informationen entlocken. Dass die Grafikkarte ohne Neuregistrierung getauscht werden kann, konnte man aus dem Vortrag von Microsoft-Systems Engineer Uwe Würzberger heraushören. Zusätzliche Komponenten wie Brenner oder Netzwerkkarte "dürften" auch keine Probleme bereiten, hieß es. Festnageln ließ sich Würzberger darauf jedoch nicht.

Meldet sich der Aktivierungsassistent nach entscheidenden Hardwareveränderungen, fängt das Prozedere von vorne an. Gleiches gilt, wenn die Festplatte formatiert wurde. Office erlaubt zwei Registrierungen via Internet. Darin ist der Laptop für die Zweitinstallation inbegriffen. Ab der zweiten Aktivierung muss zwingend bei Microsoft angerufen werden. Wie oft der Benutzer die Festplatte formatieren, seinen PC tauschen oder über das Aktivierungslimit nachrüsten kann, und "problemlos" einen neuen Aktivierungsschlüssel bekommt, teilte Microsoft nicht mit. Die je nach Benutzer unterschiedlich hohe Hemmschwelle, einen anonymen Anruf zu tätigen, bei dem man sich einen neuen Aktivierungscode holt, ist letztlich der einzige Schutz, den das ganze System bietet.

Dass Microsoft sich auf diese psychische Barriere verlässt, deutet auf die Hauptzielgruppe hin, die der Konzern ansprechen will: kleinere, mittelständische Unternehmen und Organisationen mit kleineren Netzwerken und/oder mehreren PCs. Den von Business Software Alliance (BSA) erhobenen Zahlen zufolge ist die Rate der Software-Piraterie in Deutschland seit 1994 stetig von 48 Prozent auf 27 Prozent zurückgegangen. Der Anteil kleiner Unternehmen daran sei mit rund 66 Prozent aber extrem hoch. Trotz des Rückgangs liege der Schaden in Deutschland mit geschätzten 1,25 Milliarden Mark daher auf gleicher Höhe wie 1994.

Keine Übertragung persönlicher Daten

Microsoft hat diese Aktivierungsmethode seit 1999 mit dem Release von Office 2000 in den USA, Australien, Brasilien, Kanada, Neuseeland und China im Einsatz. 6 Millionen "erfolgreiche" Aktivierungen meldet Microsoft in den Testmärkten, Volumenlizenzen ausgenommen. Wie Microsoft-Rechtsanwalt Andreas Krumpholz versicherte, gab es in keinem der genannten Länder einen Rechtsstreit wegen der Aktivierung. Juristisch glaubt man sich auch hierzulande auf der sicheren Seite, unter anderem, weil die Packung einen Hinweis auf die zur Nutzung nötige Aktivierung trägt. Das Wörtchen Registrierung wird tunlichst vermieden. "Es werden keinerlei persönliche Daten oder Informationen übertragen", betonte Krumpholz. Damit finde keine Zwangsregistrierung statt - ein in Deutschland nicht unerheblicher Unterschied. Das Landgericht München II etwa hatte im Mai 2000 einem Softwarehersteller untersagt, seine Texterkennungssoftware mit einer Zwangsregistrierung auszustatten. Damals hieß es in dem Urteil: Der Erwerber eines Programms habe das Recht, "ohne Zwang über die Weitergabe seiner Daten selbst zu entscheiden".

Die Frage, ob es vom kommenden Betriebssystem Windows XP nebenher auch die umstrittenen Recovery-CDs geben wird, konnten die versammelten Microsoft-Mitarbeiter nicht beantworten. Recovery-CDs kommen teilweise bei OEM-Systemen zum Einsatz. Das vorinstallierte Windows ist dabei mit dem BIOS gekoppelt. Die Recovery-CD selbst dient nur zur Rettung der wichtigsten Systemdateien und taugt nicht für eine Komplettinstallation.

Verbraucherverbände prangern MS an

Die Verbraucherzentrale Nordrheinwestfalen (NRW) hatte im Dezember den jüngsten Aldi-PC, der mit Windows-Recovery-CDs verkauft wurde, zum Anlass genommen, die neuen Microsoft-Praktiken anzuprangern. Inzwischen ist es der Verbraucherzentrale NRW per einstweiliger Verfügung vom Landgericht München untersagt worden, öffentlich gegen vorinstallierte Windows-Versionen Stellung zu nehmen. Auf den Seiten der Verbraucherzentrale war - wie berichtet - ein Musterbrief herunterzuladen, mit dessen Hilfe man beim Händler auf eine Vollversion drängen konnte.

Über die technischen Eigenschaften der kommenden Microsoft-Programme informiert ein Test der Betaversionen von Microsoft Office XP (Codename Office 10) und Windows XP (Codename Whistler). Microsoft informiert auf eigenen Webseiten über Software-Piraterie und die Aktivierung. (uba)