MPF: Neue Wege ins Web

11.10.2000 von Christian Vilsbeck
Der Zugang zu digitalen Medien ohne komplexen PCs wird die Computerlandschaft verändern. Auftakt des Microprocessor Forums 2000 war deshalb auch ein ganztägiges Seminar über Information Appliances.

Information Appliances (IA) sind im Jahr 2000 zu einem neuen Schlagwort geworden. Das Thema "einfache Internetgeräte", das die Computerlandschaft nach Meinung vieler Analysten in den nächsten Jahren neu gestalten wird, stand bereits auf der Computex 2000 in Taipei im Mittelpunkt.

Viele Hersteller sehen die "Internetgeräten" der Zukunft als WebPad mit großem Touchscreen und drahtlosem Internetzugang. Gezeigt werden meist Prototypen, das Gros der Hersteller befindet sich noch in der Experimentierphase. Unsicherheit herrscht immer noch hinsichtlich Form und Anforderungen an IAs. Zu neu ist der Markt, dass sich hier schon klare Richtungen abzeichnen, was der Markt akzeptiert, so der Tenor der Hersteller. Einig ist man sich aber darüber, dass die Geräte vor allem preisgünstig und einfach zu bedienen sein müssen.

Auf den folgenden Seiten finden Sie eine Zusammenfassung des ganztägigen Eröffnungsvortrags des Microprocessor Forums 2000 in San Jose über die zukünftige Entwicklung der Information Appliances. Gehalten wurde diese Präsentation von Steve Leibson, Chief Analyst der MicroDesign Resources und Chefredakteur des renommierten Microprocessor Report.

Was sind IAs?

Information Appliances sind die fünfte Generation der Computer: Nach Mainframes, Minicomputern, Microcomputern und PCs sind nun die IAs an der Reihe. Als treibende Kraft für die Entwicklung von IAs wird klar das Internet in den Vordergrund gestellt. Das Web ist zu einem Massenmedium geworden und E-Mail ersetzt immer mehr den klassischen Brief.

Web, E-Mail, Audio, Video und Bilder in digitaler Form sind stets präsent und erfordern einen schnellen und vor allem einfachen Zugriff: Hierfür geeignete Geräte nennen sich Information Appliances.

Grundvoraussetzung für den Erfolg von IAs sind dabei die einfache und selbst erklärende Bedienung. Besonders das "Ease of Use" können die klassischen PCs nicht bieten, weil sie Multifunktionsgeräte sind und nicht auf eine Anwendung wie Internetzugang zugeschnitten sind. Hier liegt auch der Hauptunterschied zu den IAs: Information Appliances sind "task-optimized", das heißt; Design und Funktion des Gerätes sind überwiegend auf eine Anwendung hin optimiert, zum Beispiel den Internetzugang. Die Bedienelemente lassen sich somit auf das Nötigste reduzieren und garantieren eine einfache Handhabung - im Gegensatz zum PC.

Die Optimierung der IAs für eine Anwendung geht einher mit der Verwendung von günstigen Komponenten. Es müssen nicht die schnellsten und stromhungrigen Prozessoren verbaut werden, um Zugriff auf das Internet zu haben - auch wenn Intel das anders propagiert. Nicht umsonst sind dem Prozessormarkt für IAs wie PDAs und WebPads enormes Wachstumspotenzial vorhergesagt und viele Hersteller bieten entsprechende Produkte an.

IA: Gerätetypen

Zur Geräteklasse der IAs zählen nach Ansicht von Steve Leibson nicht nur PDAs und WebPads: Set-Top-Boxen, Bildschirm-Telefone, Digitalkameras, Bildbetrachter, Spielekonsolen, Handys, DVD-Player oder MP3-Player bringen digitale Informationen und Anwender möglichst einfach zusammen.

Kategorien von Information Appliances

Mobile Geräte

Desktop-Geräte

Set-Top-Geräte (TV)

Internet

PDA, Handhelds, WebPads

Dot.Station, IOpener

WebTV

E-Mail

PDA, PocketMail

MailStation

WebTV

Spiele

GameBoy

--

PlayStation

Bilder

Digitale Kameras

Digitale Bilderrahmen

Set-Top-Bildbetrachter

Sprache / Video

Handys, Pager

Bildschirmtelefon

--

Die portablen Geräte haben nach Ansicht vieler Experten das größte Wachstumspotenzial. Der Handy-Markt boomt seit Jahren und ermöglicht durch WAP und bald UMTS immer mehr Möglichkeiten durch Internetzugang. Auch PDAs erfreuen sich wachsender Beliebtheit und ermöglichen Web- und E-Mail-Zugang. Immer mehr Hersteller; wie die bereits mit dem Visor erfolgreiche Firma Handspring oder jetzt Sony; versuchen sich mit eigenen PDAs. Schlüsselfunktionen bei den mobilen Geräten sind lange Akkulaufzeiten, einfache Connectivity, geringes Gewicht und eine qualitativ hochwertige Visualisierung.

Von Erfolg gekrönt sind bereits die Set-Top-Devices. Besonders im Unterhaltungsbereich erfreuen sich die Spielekonsolen mit einfachem TV-Anschluss wachsender Beliebtheit. Funktionen wie Webzugang finden sich immer öfter in Konsolen wie Sonys PlayStation2. Das Potenzial dieser Geräte hat auch Microsoft erkannt und kommt mit der XBox auf den Markt.

Connectivity

Eine zentrale Frage bei den IAs ist: Wie geht man online, koppelt sich ins Firmen- oder Heimnetzwerk ein und wie kommuniziert man mit anderen Geräten? Die Antwort geht eindeutig in Richtung drahtlose Kommunikation. Kabel haben bei den IAs der Zukunft ausgedient und stören nur die Bedienfreundlichkeit der Geräte.

Lösungen gibt es verschiedene. Die wichtigsten Beispiele sind Bluetooth, IrDA , IEEE802.11 (WLAN) oder DECT:

Eine sehr einfache Form der drahtlosen Kommunikation sind auch integrierte GSM-Module. Zwar sind die Datentransferraten mit maximal 14,4 KBit/s sehr gering, reichen aber für einfache E-Mails und WAP-Seiten. Handspring und Palm bieten beispielsweise für ihre PDAs einsteckbare GSM-Module an, um ohne Umweg E-Mail- und Webzugriff zu ermöglichen. Schon lange verfügbar ist auch Nokias Communicator, ein PDA mit integriertem Mobiltelefon.

Prozessoren für IAs I

Preisgünstige und leistungsfähige Microprozessoren gehören zur Grundausstattung jedes Information Appliance. PC-Prozessoren scheiden damit schon vom Kostenfaktor aus. Hinzu kommen viel zu hohe Verlustleistungen. Zudem wären die Prozessoren mit ihrer Performance für die typischen IA-Anwendungen wie E-Mail und Webzugang schlichtweg überdimensioniert. Als entscheidendes Merkmal fungiert dagegen gerade bei portablen IAs eine lange Akkulaufzeit und somit die Forderung nach Lowpower-CPUs.

Bei IAs kommt eine breite Palette verschiedener Core-Architekturen zum Einsatz. Kompatibilität zu x86-Designs sowie vorhandener PC-Software ist dabei nicht notwendig. Die verwendeten Betriebssysteme erlauben hier viel Flexibilität.

Die am häufigsten eingesetzten Prozessoren in IAs verwenden die ARM-Architektur oder entstammen Motorolas 68000er-Baureihe:

Prozessoren für IAs II

Zu den x86-kompatiblen Architekturen für IAs zählen Nationals Geode-Prozessoren sowie Transmetas Crusoe:

Weitere Prozessoren für IAs kommen von MIPS, Hitachi (SuperH) und Cirrus (EP7212).

Problem Display

Der wichtigste Bestandteil eines Information Appliances ist das Display. Es ist verantwortlich für die Qualität der Informationsdarstellung und grenzt gleichzeitig viele IAs in ihrer Funktionalität ein. Bestes Negativbeispiel sind WAP-Handys: Die Displays sind viel zu klein, um vernünftig Informationen darstellen zu können.

Bei vielen IAs mit größeren Displays (WebPads) verschlingt das Display mehr als die Hälfte der Kosten. Besonders die qualitativ hochwertigen aktive LC-Bildschirme (TFT) liegen preislich auf einem hohen Niveau und verbieten deren Einsatz in kostengünstigen IAs.

Durch die hohen LCD-Preise weichen die Hersteller bei Desktop-IAs noch immer auf die billige CRT-Technik aus. Ein aktuelles Beispiel ist Intels Dot.Station. Bei den mobilen Geräten kommen aber nur LC-Displays in Frage. Selbst die "preisgünstigen" Passiv-STN-Bildschirme sind bei den IAs noch der kostentreibende Faktor. Information Appliances, die die 300-Dollar-Grenze überschreiten, sind nach Meinung von Steve Leibson bereits nicht mehr vom Erfolg gekrönt. Bei den heutigen Display-Preisen ist diese Grenze aber nur mit kleinen Bildschirmdiagonalen zu schaffen - zu Lasten der Darstellungsqualität.

Neue Technologien sind mit Microdisplays (Projektion des Bildes auf die Netzhaut), Polysilicon-LCDs und Digital-Paper-Displays im Kommen. Sie bieten zwar Features wie geringeren Platz- und Strombedarf und qualitativ hochwertige Bilder, nur den Preis werden sie anfangs nicht nach unten drücken. Nur durch massive Investitionen in Fertigungsanlagen für TFT-Displays werden die Preise langfristig sinken und gleichzeitig eine ausreichende Verfügbarkeit sicher stellen.

Betriebssysteme

Anders als in der PC-Welt spielt bei den Information Appliances nicht nur ein Betriebssystem die dominierende Rolle. Eine Vielzahl von Softwarelösungen hat sich in den letzten Jahren etabliert. Entscheidend sind dabei Features und Kosten für das Betriebssystem, nicht wie bei PCs die installierte Basis. Bei IAs tritt die Anwendung in den Vordergrund, das Betriebssystem sollte unsichtbar und vor allem stabil im Hintergrund arbeiten.

Zu den verbreitetsten IA-Betriebssystemen zählen Windows CE und Palm OS:

Viele IAs wie WebPads setzen aber auf andere Betriebssysteme: Embedded Linux, Wind River VxWorks oder QNX, das in den kommenden IAs von 3Com Verwendung finden soll.

Fazit

Die Idee hinter den Information Appliances heißt: Anwenderoptimierter und kostengünstiger Zugriff auf die digitalen Medien. IAs dürfen nicht an der Funktion eines PCs gemessen werden, sondern sollten für eine Funktion optimiert sein. Zum Beispiel schneller und unkomplizierter E-Mail-Zugriff.

Die Hersteller machen bei ihren ersten Exemplaren von IAs oft den Fehler, zu viele Features in die Geräte zu integrieren. Folge: Die Bedienung wird wieder kompliziert und der Preis steigt. Beides widerspricht den Anforderungen an IAs. Der Misserfolg ist damit nach Meinung des MDR-Analytikers Steve Leibson vorprogrammiert.

Die zunehmende Verbreitung des Internets und der Wunsch, überall und nicht nur hinterm PC darauf zugreifen zu können, sind die treibende Kraft bei der Entwicklung neuer IAs. Viele Menschen wollen sich auch nicht mit einem komplizierten PC auseinander setzen, trotzdem aber im Internet surfen und E-Mails versenden. Der potenzielle Markt für Information Appliances und die damit verbundenen Gewinnaussichten ist damit für alle Hersteller verlockend. cvi)