Moorhuhn - ein Fall für Arbeitsgericht und Staatsanwalt?

29.09.2000 von Rainer Wertenauer
Die derzeit beliebte Jagd nach dem Moorhuhn findet meist in Büros statt. Dabei geht oft ein beachtlicher Teil der Jagd zu Lasten der Arbeitszeit. Die rechtlichen Konsequenzen können von Kündigung bis hin zur Strafanzeige reichen.

Verständlich, dass das Abschießen des virtuellen Federviehs von den Arbeitgebern ungern gesehen wird und der Ruf nach rechtlichen Konsequenzen laut wird. Was bedeutet es nun aber, wenn ein Mitarbeiter während der Arbeitszeit, statt zu arbeiten, der Moorhuhnjagd oder anderen Spielen, frönt?

Grundsätzlich sind mehrere Rechtsfolgen zu unterscheiden, die nebeneinander zum Tragen kommen. Einerseits arbeitsrechtliche Folgen, wie Abmahnung, Kündigung und Schadenersatzansprüche des Arbeitgebers, andererseits strafrechtliche Folgen auf Grund eines Betrugs zum Nachteil des Arbeitgebers.

Kündigung

Meist spielen Arbeitnehmer heimlich, also ohne Wissen des Arbeitgebers. Dabei wissen die Mitarbeiter zu schätzen, dass zum Beispiel das Moorhuhn-Spiel mit einer Cheftaste ausgestattet ist, welche es ihnen bequem ermöglicht, durch einfachen Tastendruck blitzschnell wieder auf eine Arbeitsanwendung umzuschalten. Die Verwendung dieser Funktion zeigt deutlich, dass dem Mitarbeiter die Rechtswidrigkeit seines Spielens durchaus bewusst ist. Dies gilt natürlich auch für alle anderen Spiele, die mit einer Cheftaste ausgestattet sind und damit auch für den "Einsatz" im Büro ausgelegt sind.

Bei einem derartigem Fehlverhalten im Vertrauensbereich, - das Vertrauen des Arbeitgebers wird schließlich missbraucht - ist nach der Rechtsprechung der Arbeitsgerichte eine Abmahnung vor Ausspruch einer Kündigung in der Regel entbehrlich.

Eine Ausnahme machen die Arbeitsgerichte nur dann, wenn der Arbeitnehmer mit vertretbaren Gründen annehmen konnte, sein Verhalten sei nicht rechtwidrig und werde vom Arbeitgeber geduldet. Für eine derartige Annahme scheint hier aber kein Raum zu sein, sodass der beim Spielen erwischte Arbeitnehmer damit rechnen muss, außerordentlich gekündigt zu werden. Arbeitgeber, die auf Nummer sicher gehen wollen, sei jedoch angeraten, erst eine Abmahnung auszusprechen und im Wiederholungsfall eine, dann "gerichtsfeste" Kündigung nachzuschieben.

Schadenersatz

Eine berechtigte Frage des Arbeitgebers ist , ob er den Mitarbeiter, der seine Arbeitszeit mit Spielen vertan hat, auch entlohnen muss beziehungsweise ob er bezahltes Gehalt eventuell zurückverlangen kann.

Hier ist der Grundsatz gültig, wonach der Lohn als Gegenleistung für erbrachte Arbeitsleistung gezahlt wird. Demzufolge erhält keinen Lohn, wer nicht arbeitet, oder seine Arbeitsleistung entsprechend nicht zur Verfügung stellt. Während des Spielens arbeitet der Mitarbeiter naturgemäß nicht, sondern geht hier seinen privaten Neigungen während der Arbeitszeit nach.

Somit gilt: Für die Zeit, beispielsweise des Moorhuhnjagens besteht kein Lohnanspruch und der Arbeitgeber braucht diese Zeiten nicht zu bezahlen. Ist der Lohn bereits bezahlt, hat der Arbeitgeber einen Rückzahlungsanspruch. Zu beachten ist dabei, dass der Arbeitgeber die Beweislast zu tragen hat, wie viele Stunden der Arbeitnehmer zum Beispiel auf Moorhuhnjagd gewesen ist. Kann er diesen Beweis, der meist sehr schwierig zu erbringen sein wird, nicht vorlegen, wird eine gerichtliche Durchsetzung dieses Anspruches zumeist scheitern.

Gelingt dem Arbeitgeber aber ein solcher Nachweis, so kann dies je nach Spielhäufigkeit erhebliche Rückforderungsansprüche nach sich ziehen.

Strafrechtliche Konsequenz

Neben den arbeitsrechtlichen Konsequenzen des Spielens am Arbeitsplatz können sich zudem strafrechtliche Konsequenzen ergeben.

Betrachtet man das übliche Verhalten eines Spielers am Arbeitsplatz, so zeigt sich, dass dies so vonstatten geht, dass der Arbeitgeber hiervon nichts merken soll. Dem Mitarbeiter ist dabei bewusst, dass er nicht etwa für das Moorhühner-Jagen bezahlt wird, sondern um zu arbeiten. Unter dankbarer Verwendung der Cheftaste wird der Chef darüber getäuscht, dass nicht gearbeitet wird. Der Vorgesetzte hat vielmehr den Eindruck, dass fleißig gearbeitet wird. Es mag sein, dass sich der Mitarbeiter der Tragweite dieser Täuschung nicht vollständig bewusst ist. Doch weiß er genau, dass der Arbeitgeber nicht sehen soll, dass er spielt, da dies während der Arbeitszeit nicht zulässig ist.

Konsequenz dieser Täuschung ist, dass der Arbeitgeber Lohn bezahlt, auf den der Arbeitnehmer keinen Anspruch hat. Hätte der Arbeitgeber jedoch gewusst, dass gar nicht gearbeitet worden ist, so hätte er den Lohn wohl auch nicht bezahlt.

Damit ist klar, dass beispielsweise Moorhuhnjagen während der Arbeitszeit, im Bewusstsein, dass dies nicht zulässig ist, alle Voraussetzungen des Betruges nach dem Strafgesetzbuch aufweist. In dem Fall sollte man einen Fachanwalt für Arbeitsrecht aufsuchen.

Ein betroffener Arbeitgeber kann daher neben der arbeitsrechtlichen Kündigung auch Strafanzeige wegen Betrugs stellen. Diese sehr schwer wiegende Maßnahme sollte einerseits zwar ein letztes Mittel sein, kann aber andererseits wegen der weiter gehenden Ermittlungsmöglichkeiten der Staatsanwaltschaft dazu führen, dass Beweise gefunden werden, die auch in einem arbeitsgerichtlichen Verfahren verwertet werden können.

Wer wie im konkreten Beispiel am Arbeitsplatz Moorhühner jagt, sollte sich darüber im Klaren sein, dass dies neben den arbeitsrechtlichen Folgen auch zu einer strafrechtlichen Verfolgung führen kann.

Machen sich die Vertreiber strafbar?

In Konsequenz muss man sich zudem fragen, inwieweit sich auch Vertreiber solcher mit Cheftaste ausgestatteter Spiele strafbar gemacht haben könnten. Geht man davon aus, dass der Arbeitnehmer unter Einsatz der Cheftaste den Arbeitgeber betrogen hat, so kommt hier eine Beihilfe oder Anstiftung zum Betrug in Betracht. Seitens des Herstellers der Spiele wurde diese Funktion letztlich für eine Konstellation entwickelt - das heimliche Spielen unter Täuschung eines anderen.

Bedenkt man, dass beispielsweise das Moorhuhn als Bürospiel vertrieben wird, so ist klar, dass die integrierte Cheftaste auf eine Täuschung eben dieses Chefs abzielt. Dabei kommt es nicht darauf an, dass der jeweilige zu täuschende Chef im Einzelnen bekannt ist. Maßgeblich ist allein, dass der Betrug durch das zur Verfügung stellen der Cheftaste maßgeblich unterstützt und gefördert wird, oder sich der Einzelne auf Grund der Cheftaste überhaupt erst traut, während der Arbeitszeit zu spielen.

Es ist somit wahrscheinlich, dass sich insoweit auch der Hersteller oder Vertreiber einer strafrechtlichen Anstiftung/Beihilfe zum Betrug, durch Verbreitung eines Spieles mit "Cheftaste" schuldig gemacht haben. Dies wäre von der Staatsanwaltschaft zu prüfen, wenn es zu einer Betrugsanzeige eines betrogenen Arbeitgebers gegen einen Mitarbeiter kommt, der beim Spielen erwischt wurde.

Fazit

Egal ob Moorhühner oder andere Spiele mit Cheftaste - das Spielen am Arbeitsplatz ist mit erheblichen rechtlichen Schwierigkeiten verbunden. Der Arbeitnehmer muss nicht nur mit einer außerordentlichen Kündigung, sondern unter Umständen auch mit einer strafrechtlichen Verurteilung wegen Betrugs rechnen. fkh)

Über den Autor:

Rainer Wertenauer ist Rechtsanwalt in München und im Internet unter www.onlinekanzlei.de erreichbar.