Mobile Logistik für Kundenzufriedenheit

22.09.2000
Dem Logistikbereich steht durch den Siegeszug von E-Commerce ein beachtlicher Boom und gleichzeitig eine Umwälzung der Anbieterstruktur bevor. Nur wer sich in die elektronischen Prozesse zur Auftragsvergabe und -verfolgung erfolgreich einklinkt, spielt mit.

Von: Konrad Buck

Wann kommt meine Ware? Diese Frage konnte Andreas Bärmann einfach nicht mehr hören. Muss er jetzt auch nicht mehr, denn seitdem sein Chef Marco Schelp, Geschäftsführer des Berliner Handelshauses für Kfz-Teile Top Autoteile EDV & Kommunikationsservice GmbH, ein neues Informationssystem installiert hat, werden alle Anfragen zum Verbleib der Artikel automatisch beantwortet. Dies hilft auch den Kunden, beispielsweise Autowerkstätten. Sie können die Verfügbarkeit etwa dringend benötigter Ersatzteile für einen Reparaturauftrag jetzt genau einplanen und den Einsatz ihrer Servicetechniker besser steuern.

Möglich wird die neue Übersichtlichkeit durch WAP-Handys, gekoppelt mit moderner Logistiksoftware. Die mobilen Telefone liefern Status- und Standortmeldungen per Funk an die Zentrale, dort setzt die dazu gehörige Software alle Daten direkt in ein Online-Informationssystem für Disponenten und Kunden um. Teure und zeitraubende Telefonate zwischen Fahrern, Disponenten und Kunden entfallen. Medienbrüche und damit fehlerträchtige Mehrfacherfassungen von Daten sind vergessen. WAP (Wireless Application Protocol) macht jedem Programm, so auch der Logistiksoftware, kurzerhand Beine. Informationen werden mobil, umfassend verfügbar und damit zum Mehrwertfaktor. Nur wer den besten Service bietet, weiß Schelp, bekommt - und vor allem hält - den Kunden.

Logistik-Dienstleistungen im Internet

Die Notwendigkeit, sich mit neuen Diensten gegenüber dem Wettbewerb abzusetzen, hat der Top-Autoteile-Partner, die Hamburger Loon GmbH, erkannt und einen bundesweit bislang einmaligen Service aufgesetzt. Das Logistic Offer and Order Net (LOON) verbindet Logistikunternehmen mit der herstellenden Industrie zu einer umfassenden Kette. Auf der nur für Loon-Teilnehmer zugänglichen Internet-Site wird ein durchgehender Geschäftsvorgang vom Moment der Warenbestellung bis hin zur Auslieferung an den Kunden abgebildet. Per WAP-Handy können Lieferstatus, Auftragsannahme oder -erfüllung aktualisiert werden. So ist jeder Teilnehmer in der Lage, den Status seines Auftrages genau zu verfolgen.

Marco Schelp dazu: "Nach der Analyse des in unserer Branche gängigen Dienstleistungsangebots haben wir genau an der Stelle angesetzt, welche heutzutage in der Kfz-Teile-Branche wichtig ist, der Logistik." Neben dem Tuning der internen Abläufe hat der Berliner gleich auch noch den Faktor Mensch neu bewertet. Denn je mehr stupide Arbeit die Informations- und Kommunikationstechnik den Mitarbeitern abnimmt, desto mehr können sie sich auf das Wesentliche konzentrieren, nämlich den Verkauf. Daneben setzt Schelp demonstrativ auf Firmenzugehörigkeit: "Üblicherweise wird heute kaum noch mit eigenen Fahrern gearbeitet, was zu einer Entfernung der Kunden vom Unternehmen führt, der menschliche Kontakt reißt ab. Daher unser deutliches Bekenntnis, den eigenen Fuhrpark zu vergrößern und damit den Servicegrad zu erhöhen."

Heute setzt Top Autoteile insgesamt 18 Fahrzeuge ein, die mittels WAP effektiv gesteuert werden sollen. Alle an der Logistikkette beteiligten Firmen und Personen erhalten somit ein Höchstmaß an Information und Transparenz. In diesem Jahr will das 1997 gegründete Unternehmen mit 31 Mitarbeitern an den Standorten Berlin, Potsdam und Werder rund sieben Millionen Mark erwirtschaften und den Umsatz mit Hilfe der neuen Technik um 1,5 bis 2 Millionen nach oben schrauben.

Kern des Unternehmens ist eine selbst weiterentwickelte Branchenlösung "KFZPC" vom Softwarehaus Computer-Systeme-Schmitz GmbH in Wuppertal für den Kfz-Teilehandel, die Schelp bereits seit 1992 vertreibt. Sie erlaubt Flexibilität in der Abbildung verschiedenster Organisationsstrukturen. Direkt an die Plattform angeschlossen ist die Finanzbuchhaltung "SBS", so dass auch in der Buchhaltung die in jeder Branche so wichtige "Tagfertigkeit" gegeben ist. Um diesen Kern herum werden an jedem Arbeitsplatz die verschiedensten Softwarepakete verwendet. Dazu gehört beispielsweise das Kommunikationsprodukt "David" von Tobit Software AG, welches bis jetzt als zentrale Faxlösung genutzt wird und in Zukunft den gesamten Fax- und E-Mail-Verkehr verarbeiten soll.

Hinzu kommen diverse elektronische Teilekataloge und Programme für E-Banking sowie Bürosoftwarepakete. Die Verbindung zum Firmennetz nehmen die Fahrer mit handelsüblichen D2-WAP-Handys via Loon auf. Über die Plattform für Logistikservices sind je nach Bedarf Einzelbewegungen miteinander koordinierbar und Ressourcen somit optimal auslastbar. Was Speditionen bisher über die traditionellen Kanäle Fax oder Telefon abgewickelt haben, kommunizieren sie heute über das Internet und mittels WAP-Geräten.

WAPpen statt Telefonieren

In der ersten Realisierungsphase werden bei Top-Autoteile dreimal täglich die Auftragsdaten aller Touren (Auftragskopf- und -positionsdaten) in das Loon-System überspielt. So verändern die Fahrer beispielsweise nach dem Besuch der Kunden den Stand über das Handy, um den Status und Standort den Verkäufern und Kunden über das Internet zugänglich zu machen. Besonders interessant wird dies nach der Implementierung des Tracking-Systems für eine Ortung der Fahrzeuge durch das Mobilfunknetz. Laut Schelp ist Loon der erste Schritt in das E-Business im Bereich Business-to-Business. Andere Lösungen sind für ein Unternehmen solcher Struktur momentan nicht effektiv oder hilfreich.

IP-Logistik im ASP-Verfahren

Der große Nutzen des Systems liegt für Schelp in der schnellen Verfügbarkeit von Informationen über den Auftragsstatus des Kunden. Der Kunde ruft beispielsweise an und fragt, wann seine Ware kommt. Der Verkäufer gibt die Straße oder Postleitzahl in Loon ein und erhält alle Daten des momentan in der Lieferung stehenden Kundenauftrags: Welche Station als letzte vom Fahrer erledigt wurde und wie viele Stationen vor dem Anlaufen der Firma des Anrufers zu erledigen sind. So erhält der Auftraggeber schnell und ohne Rückfragen bei anderen im Unternehmen beschäftigten Mitarbeitern eine zufrieden stellende Antwort. Das erleichtert ihm die Planung in seiner Werkstatt. Wichtige Kunden werden Schelp zufolge eigene Passwörter erhalten, so dass sie selbst die entsprechenden Abfragen via Internet vornehmen können.

Mit solchen Lösungen können auch kleine und mittlere Spediteure Services wie die ganz großen Logistiker bieten, schlägt die neue Technik doch nur mit einen Bruchteil dessen zu Buche, was die bisherigen Systeme kosteten. Davon ist auch Manfred Gillhofer überzeugt, Prokurist beim Fuhrunternehmen RST aus Bad Reichenhall. Gillhofer ist sicher, mit seiner neuen Software nicht nur immer den aktuellen Status seiner Warenflüsse im Blick zu haben, sondern gleichzeitig auch noch enorme Zeit- und Kosteneinsparungen zu erzielen. Der Clou seiner neuen Lösung ist die Steuerung der gesamten Logistikvorgänge mittels Internet- und WAP-Technik. Realisierungspartner sind hier die Regensburger NetLogistics AG und die Düsseldorfer Wapme Systems AG.

Wenn die LKWs morgens aus dem Hof fahren, ist ihre gesamte Tour nicht nur fertig disponiert, sondern elektronisch in einer Art flexible Plantafel abgelegt. Auf die Informationen kann jederzeit mittels Internet-Browser oder WAP-Handy zugegriffen werden. Somit haben Disponenten und auch Kunden immer den aktuellen Überblick über den Verbleib der Waren. Gerade für moderne Produktionsprozesse, bei denen Bauteile auf die Minute genau zur Produktion angeliefert werden, im Fachjargon "just in sequence", spielen solche Fähigkeiten von Spediteuren eine immer wichtigere Rolle. Keine Frage, dass die Anforderungen eine äußerst präzise Logistik voraussetzen. Konkurrenzdruck, aber auch der Zwang zu Rationalisierung und vor allem die neuen Regeln der E-Conomy prägen die Logistiker.

Telefonkosten drastisch reduziert

Die RST Bad Reichenhaller Spedition, vor 50 Jahren als Reichenhaller Salz-Transporte gegründet, nimmt für seine 40 Beschäftigten, 45 Fahrzeuge und Hunderte von Kunden ein zukunftskompatibles Managementsystem in Betrieb. Damit macht RST sein Unternehmen fit für die E-Conomy - und das auf durchaus klassischen Wegen: Die Kundenbindung wird durch Services wie Sendungsverfolgung oder erhöhte Erreichbarkeit der Disponenten erreicht. Wenn die Tourenplaner ihren Fahrern nicht mehr permanent nachtelefonieren müssen und die Kunden selbst per Mausklick den Verbleib ihrer Ware abfragen können, haben die Disponenten freie Hand, um sich dem Verkauf zu widmen.

Sobald sie digitalisiert ist, bietet die Netzlogistik eine ganze Reihe weiterer Vorteile: In der Auftragsabwicklung werden die Kosten reduziert, weil die Arbeitsabläufe gezielt steuerbar sind und doppelte Datenhaltungen strikt vermieden werden. Gleichzeitig sind alle Investitionen in bestehende Programmsysteme geschützt. Diese sind bequem in die neue Lösung zu integrieren. Insgesamt will RST-Prokurist Gillhofer gegenüber seinem Management mit signifikanten Kostensenkungen des täglichen Betriebs glänzen: Die teuren Handy-Telefonate mit den Fahrern können selbst konservativen Prognosen zufolge um bis zu 60 Prozent reduziert, die Steigerung der Produktivität der Disposition um bis zu 20 Prozent erhöht werden. Nicht zuletzt kann RST auch für die Vielzahl von Subunternehmern und auch für komplette andere Logistik-Unternehmen die Dispo-Dienstleistungen übernehmen und sich dadurch ein zusätzliches Standbein aufbauen.

Vor der jetzt avisierten Netzlogistik hatte RST seinen Internet-Auftritt konsequent vorbereitet. Für Auftragsverwaltung und Fakturierung setzt das Unternehmen auf eine Individuallösung des Salzburger Softwarehauses. Darüber hinaus wurden bereits mit zwei Großkunden Auftragsdaten mittels Edifakt ausgetauscht. Gerade diese Kunden sind heute von dem neuen System begeistert. Denn sie können die von RST gesendeten Daten direkt in ihre Internet-Lösungen einspielen.

Mit dem massiven Einstieg in das E-Business will Gillhofer die Zukunftsfähigkeit seines Unternehmens frühzeitig sichern. Um sich vom Wettbewerb abzusetzen, braucht die Spedition neue Mehrwertdienste. Dazu gehört neben dem Einbinden bewährter Subunternehmer in die eigene Dispo auch das Erhöhen der Effizienz durch Optimieren und Stabilisieren der Abläufe oder Prozesse. In Zukunft wird das neue System automatisch die Faktura auslösen, wenn vom Fahrer-Handy die Meldung kommt: "Ware abgeladen und angenommen."

Auch bei der Realisation und dem Betrieb des Systems gehen alle Beteiligten neue Wege. Netlogistics wird die neue Lösung im ASP- oder Web-Hosting-Modus betreiben. Mit Internet-Technik ist es vollkommen gleich, ob Hard- und Software im eigenen Unternehmen oder bei einem Dienstleister stehen. Der Kunde macht lediglich seine Anforderungen deutlich. Dann ist es Sache des Service-Unternehmens, für einen reibungslosen und sicheren Betrieb zu sorgen. (sf)