Mit innovativen Ideen aus der Krise

31.05.2002
Das One-to-Many-Modell der Softwarevermietung befindet sich weiter auf Achterbahnfahrt. Nach euphorischen Wachstumserwartungen im Jahr 2000 wurde es ein Jahr später für tot erklärt. Gekürzte IT-Budgets und die verzweifelte Suche der Manager nach Einsparpotenzialen verhelfen nun den Anbietern pfiffiger Lösungen zu neuem Schwung.

Von: Dr. Thomas Hafen

Das Outsourcing-Geschäft gilt als Hoffnungsträger in der schwächelnden IT-Branche. Im Gegensatz zu anderen Sparten ist der Dienstleistungsbereich nämlich wenig betroffen vom negativen Trend. Nach einer Erhebung des Branchenverbandes Bitkom (Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und Neue Medien) ging beispielsweise das Marktvolumen für Computerhardware im vergangenen Jahr um fast zehn Prozent zurück. Ausgaben für Dienstleistungen stiegen dagegen um über fünf Prozent. Das Bild florierender IT Services muss jedoch differenziert werden - zumindest wenn man den Analysten von Forrester Research Glauben schenkt. Nach deren Untersuchung und Prognose "Europe’s IT Services Retrench" geht es der gesamten Sparte eher schlecht. Der Umsatz in Europa ging von 2000 auf 2001 um zehn Prozent zurück und soll 2002 gerade mal um 2,5 Prozent steigen. Wesentlich rosiger sieht es für den Teilbereich Outsourcing aus: Die mittlere jährliche Wachstumsrate (Compound Annual Growth Rate, CAGR) soll in den nächsten fünf Jahren circa 20 Prozent betragen (siehe Grafik).

Outsourcing-Boom hilft ASP

Der Teilbereich Application-Serviceproviding (ASP) - schon mehrmals totgesagt - profitiert von der steigenden Outsourcingbereitschaft. Obwohl die Zuwächse in Westeuropa für 2002 laut IDC um 12 Prozent hinter den Erwartungen zurückbleiben, geben die Marktforscher eine günstige Prognose ab. Zwischen 2001 und 2006 sollen die Umsätze von 258 Millionen Dollar auf 6,5 Milliarden Dollar steigen, was einer durchschnittlichen jährlichen Zunahme (CAGR) von 91 Prozent entspräche. Der größte Wachstumsmarkt mit einem Anteil von 36 Prozent liegt dabei in Deutschland (siehe Grafik).

Die innovativsten ASP-Anbieter Deutschlands stehen seit der CeBIT 2002 fest. Gemeinsam mit NetworkWorld wählte dort das ASP-Konsortium aus 90 Kandidaten Gewinner in fünf Kategorien. Außerdem vergab die Jury zwei Sonderpreise.

Als Anbieter mit der fundiertesten TCO-Analyse (Total Cost of Ownership) wurde das Hamburger Unternehmen Simplyst ausgezeichnet. Der Spezialist für Rechnungswesen ist Channel-Partner von SAP. In einer sehr detaillierten Beispielrechnung zeigte Simplyst, dass beim Einsatz der Personalabrechnungs-Software "Aspayroll" auf Basis von "mysap.com" Gesamtkosten von 6,87 Euro pro Mitarbeiter und Monat anfallen. Bei Beauftragung eines Steuerberaters liegen diese in der Regel um 40 bis 50 Prozent höher.

Für das innovativste Billing-System zeichneten das ASP-Konsortium und NetworkWorld die Kölner Firstgate Internet AG aus. Das Unternehmen bietet mit "Click & Buy" Internethändlern die Möglichkeit, digitale Inhalte kostenpflichtig zu machen. Der Anbieter verfolgt dabei einen "Many-to-Many"-Ansatz: Sowohl Händler als auch Endverbraucher nutzen das Billing-System als Interaktionsplattform. Jeder Neukunde hat dabei automatisch Zugriff auf alle registrierten Händler.

In der dritten Kategorie hieß der Gewinner Classware. Mit "HR Works" (vormals "Reisekosten.de") betreibt das Freiburger Unternehmen nach Ansicht der Jury die größte produktive ASP-Lösung. Derzeit nutzen über 400 Firmen das Angebot für das Travel-Management, die Reisekostenabrechnung und die Urlaubsplanung von insgesamt mehr als 27 000 Mitarbeitern (siehe auch NetworkWorld 09/02, Seite 35). Die modular aufgebaute Software steht den Mitarbeitern online zur Verfügung. Vorgegebene Regeln sorgen dafür, dass diese bei der Beantragung von Reisen oder der Kostenabrechung Unternehmensrichtlinien einhalten.

Den Award für das innovativste ASP-Produkt erhielt der Anbieter ABB Utilities für "Calpos-Main". Energieversorger können mit der Lösung über das Internet die Instandhaltung ihrer Versorgungsnetze planen und koordinieren (siehe auch NetworkWorld 08/02 Seite 29). Zur Datenerfassung können mobile Endgeräte wie Personal Digital Assistants (PDA), proprietäre Terminals oder Barcode-Leser genutzt werden. Calpos-Main ist online mit den Betriebsmitteldateien der zentralen Unternehmensdatenbank verbunden. Damit ist der Zugriff auf den aktuellen Datenbestand gewährleistet.

Mit dem Preis für das richtungsweisendste Projekt wurde schließlich die Fünfte Sonnenplatz Beteiligungs GmbH ausgezeichnet. Die Tochter der Dresdner Bank stellt mit "Starship" eine Lösung vor, die als ASP-Leitprojekt in der Finanzdienstleistungsbranche gilt. Zentraler Punkt ist das Portal auf ".Net"-Basis, das Single Sign On mit verschiedenen Sicherheitsstufen (Smartcard, Secure ID, Passwort) ermöglicht. Über Intergrationsplattformen lassen sich Standardapplikationen wie Microsoft Office oder Angebote externer Provider integrieren. Nach Angaben des Herstellers soll Starship 10 bis 20 Prozent der Servicekosten sparen helfen.

Neben den Preisen in fünf Kategorien vergab die Jury außerdem zwei Spezial-Awards. Den Sonderpreis für eine Wertbeitragsanalyse erhielt Siemens Business Services. Das "ASP-Assessment" ermittelt im Vorfeld einer Entscheidung, ob das vorhandene IT-Umfeld für den erfolgreichen Einsatz von Mietsoftware geeignet ist. Das Verfahren besteht aus vier Phasen. Nachdem die Kundensituation durch strukturierte Interviews geklärt wurde, identifiziert Phase zwei Veränderungspotenziale, die im Zusammenhang mit den Zielen und Prioritäten des Auftraggebers stehen. In der Bewertungsphase arbeiten die Beteiligten konkrete Handlungsszenarien aus, analysieren die Kosten und bereiten Entscheidungsvorlagen vor. In der letzte Phase wird diese Vorlage mit dem Kunden abgestimmt und abschließend präsentiert.

Schließlich ging die Auszeichnung für das größte Projekt in Forschung und Lehre an das SAP-Hochschulkompetenzzentrum in den Universitäten Magdeburg und Passau. Zusammen mit den Partnern Hewlett-Packard, T-Systems, Sun und Serkem konnten an den beteiligten Hochschulen die Kosten für den Softwareeinsatz erheblich reduziert werden.