Mit Glas in die Zukunft

14.12.2001
Durch Gigabit-Ethernet und 10-Gigabit-Ethernet gewinnt die Glasfaser für die Netzwerkverkabelung weiter an Bedeutung. Bei der Frage, in welchen Bereichen sich das investitionssichere Übertragungsmedium lohnt, scheiden sich nach wie vor die Geister.

Von: Andreas Wurm

Mit dem Gigabit-Ethernet-Standard kam die Diskussion in Gang, ob Lichtwellenleiter das Kupferkabel verdrängen werden. Im Primärbereich ist dies schon geschehen. Auf dem Campus selbst mischen sich die Übertragungsmedien. Einige Unternehmen binden bereits das Backbone-Netz über Lichtwellenleiter (LWL) an die Etagenverteiler an. Den Weg vom Switch zum Schreibtisch hat die Glasfaser jedoch noch nicht erobert, und viele Experten sind sich einig, dass das so schnell auch nicht passieren wird. Fast-Ethernet reicht für den größten Teil der Anwendungen völlig aus.

Mit 1000Base-T ist Gigabit-Ethernet auch über Kupferkabel möglich. Diese Lösung hat aber den Nachteil, dass sie keine hohe Investitionssicherheit bietet. Kaum haben die Hersteller von Netzwerkhardware die ersten Module für 10-Gigabit-Ethernet vorgestellt, rufen die ersten Visionäre schon nach 10-Gigabit-to-the-Desk. Längerfristig gesehen werden Kupferkabel nach und nach aus den Netzinfrastrukturen verschwinden.

Verlangsamt wird dieser Prozess bisher durch die Suche nach einer Lösung, um die klassische Telefonie über LWL anzubinden. Weitere Nachteile von Fiber to the Desk (FTTD) sind die höheren Installationskosten und der um ein Vielfaches höhere Preis pro Port bei den aktiven Komponenten. Dem stehen eine Reihe von Argumenten für das optische Medium gegenüber: Es ermöglicht hohe Bandbreiten und größere Reichweiten, ist abhörsicher und zudem immun gegen elektromagnetische Störungen.

Für die Verkabelung von Netzwerken gibt es zwei wesentliche Arten von Lichtwellenleitern:

- Multimode-Gradientenindexfasern

- Singlemode-Stufenindexfasern

Bei Mehrmoden-Fasern sind mehrere Lichtstrahlen, auch Moden genannt, zur Signalübertragung in die Faser eingekoppelt. Sie treten in verschiedenen Winkeln in das Kernglas ein und werden dadurch auf ihrem Weg unterschiedlich häufig an der Grenzschicht zwischen Kern- und Mantelglas gebrochen, laufen also zickzack. Die daraus resultierenden Laufzeitunterschiede heißen Modendispersion.

Die Mehrmoden-Gradientenfaser hat einen typischen Kerndurchmesser von 50, 62,5, 85 oder 100 Mikrometer, der Manteldurchmesser beträgt 125 oder 140 Mikrometer. In Amerika sind LWL mit 62,5 Mikrometern weit verbreitet, in Europa dagegen die 50-Mikrometer-Fasern. Die Signalübertragung erfolgt mit einer Wellenlänge von 850 beziehungsweise 1300 Nanometern. Der Dämpfungswert, der den Energieverlust des Signals auf seinem Weg über die Faser bezeichnet, liegt je nach Wellenlänge bei 3,5 (850) beziehungsweise 1,5 db/km (1300). Das Bandbreitenlängenprodukt beträgt zwischen 200 MHz/km (850) und 500 MHz/km (1300). Dieses Maß klassifiziert die Übertragungsleistung eines Lichtwellenleiters. Es ergibt sich aus dem Verhältnis der maximalen Frequenz zur maximalen Strecke und gibt Auskunft über die höchste Übertragung bis zu einer bestimmten Kabellänge beziehungsweise größtmöglichen Länge bei einer gegebenen Frequenz.

Bei Singlemode-Stufenindexfasern ist der Kerndurchmesser so klein, dass sich nur noch ein Lichtstrahl einkoppeln lässt. Entsprechend dem Durchmesser verringert sich auch der Eintrittswinkel des Lichts. Die bei Multimode-Kabeln auftretende "Welle", die sich im Mantel bricht, entsteht bei Singlemode-Fasern nicht. Dies bietet den Vorteil, dass höhere Übertragungsraten und weitere Strecken möglich sind. Aber Singlemode hat auch Nachteile: Um das Licht einzuspeisen, sind statt der günstigeren LEDs (Light Emitting Diode) Laser notwendig. Für dieses Übertragungsmedium sind die Wellenlängen 1310 und 1550 Nanometer definiert. Der Manteldurchmesser liegt bei acht bis zehn Mikrometern, die Dämpfung ist mit 1 db/km bei Singlemode-Fasern am geringsten. Als Bandbreitenlängenprodukt sind theoretisch mehr als 10 GHz/km möglich.

Arbeitsplätze anbinden

Sollen Endgeräte über Lichtwellenleiter an das Netzwerk angebunden werden, kann dies auf zwei Arten geschehen:

- Fibre to the Desk (FTTD)

- Fibre to the Office (FTTO)

Über LWL lassen sich Endgeräte mithilfe von Gebäude- oder Campusverteilern anschließen. Dies macht es für Administratoren leichter, das Unternehmensnetz zu verwalten und vereinfacht die Infrastruktur. FTTO stellt einen Glasfaseranschluss für mehrere Arbeitsplätze bereit. Über einen Medienkonverter, der eine Glasfaserverbindung auf mehrere Kupferports umsetzt, lassen sich Netzwerkkarten für Kupferverkabelungen in den Rechnern weiter nutzen.

Alternativ dazu erreichen Netzwerkplaner mit FTTD eine flächendeckende LWL-Versorgung. Die PCs werden direkt per Glasfaser angebunden, jedem steht die volle Bandbreite einer Faser zur Verfügung. Die Endgeräte benötigen aber eine neue Netzwerkkarte.

In der Praxis ist eine direkte Anbindung der Anschlussdosen an den Gebäudeverteiler unüblich. Unternehmen, die bereits ihre Büros und Arbeitsplätze über LWL vernetzt haben, setzen auf der Etage trotzdem Patch Panels ein. Ein Grund dafür sind die Längenrestriktionen für Glasfaserkabel. Der Draft der zweiten Ausgabe der ISO/IEC 11801 (International Standardization Organisation/International Electrotechnical Commission) beziehungsweise EN 5073 (Europäische Norm für Gebäudeverkabelungen) enthält keine Angaben über die zulässige Länge der Kabel. Deshalb sind Verteiler auf den Etagen die sicherste Lösung.

Höhere Qualität ist gefordert

Der Gigabit-Standard und 10-Gigabit-Ethernet haben zu Überlegungen geführt, die Qualität heutiger und künftiger Lichtwellenleiter zu verbessern. Ähnlich wie bei den Kupferleitungen sieht der zweite Entwurf der ISO/IEC eine Klassifizierung der Fasern vor. Die Gruppen heißen OM1, OM2 und OM3 und sollen die Leistungen der verschiedenen Kabel spezifizieren. Innerhalb der Klassen wird zwischen einer LED- und einer Laseranregung der Fasern unterschieden. OM3 soll eine Bandbreite von 2000 MHz/km bei einer Wellenlänge von 850 Nanometern bringen und dadurch große Strecken überbrücken. Bei der TIA (Telecommunications Industry Association) liegt ein Entwurf für eine Multimodenfaser mit 50/125 Mikrometer vor (SP-38994-AD1). Sie hat ein Bandbreitenlängenprodukt von 500 MHz/km bei 850 Nanometer über LEDs, mit Laseranregung beträgt der Wert 2000 MHz/km. Bei 10-Gigabit-Ethernet wären also 300 Meter möglich. Die Faser ist mittlerweile verfügbar.

Glasfaserkabel sollen es ermöglichen, die klassische strukturierte Verkabelung zu ersetzen. Kosteneinsparung ist das Zauberwort. Wer Glasfaser bis zum Arbeitsplatz in einer Collapsed-Backbone-Umgebung einsetzt, auch Centralized Optical Fibre Cabling genannt, spart Etagenverteiler und aktive Komponenten wie Hubs und Switches. Derzeit spricht noch einiges gegen Lichtwellenleiter auf der Etage. Die Einstiegskosten schrecken ab, die höhere Bandbreite ist oft nicht zwingend erforderlich, und Voice over IP (VoIP), das nötig wäre, um über Glasfaser zu telefonieren, ist in den meisten Unternehmen noch kein Thema. Zudem ist Gigabit-Ethernet auch über Kupferkabel möglich, wodurch zumindest vorerst mehr als genug Bandbreite zur Verfügung steht.