Patentverletzungen, Fälschungen und Co.

Mit dem Zoll unterwegs - Die Plagiatsjäger

24.02.2015 von Armin Weiler
Wenn es darum geht, Patentverletzungen, ignorierte Geschmacks- und Gebrauchsmuster oder schlicht Fälschungen zu entlarven, dann ist oft der Zoll gefragt. Wir haben die Beamten beim Kampf gegen Plagiate begleitet.

Samstagmorgen kurz nach acht. Während andere sich erst langsam über das Frühstück Gedanken machen, platzt die kleine Zolldienststelle auf der Frankfurter Messe aus allen Nähten. Wo sonst sechs Mitarbeiter des Zollamts Frankfurt am Main-Osthafen ihren Dienst tun, drängen sich rund 150 Menschen. Gleich wird die Paperworld, die Leitmesse der Papier-, Büro- und Schreibwarenbranche, ihre Pforten öffnen.

Mit dem Messebeginn starten auch der Zoll, die Staatsanwaltschaft sowie die Anti-Counterfied-Spezialisten der Hersteller ihre Suche nach gefälschten, nachgemachten oder rechteverletzenden Waren. Bereits im Vorfeld haben die Originalhersteller Verdachtsfälle zusammengetragen.

Heute werden drei Gruppen den Kampf gegen die Plagiate aufnehmen: Eine kümmert sich nur um Stifte, eine um Verbrauchsmaterial für Drucker und eine um den Rest. Stefan Pranzas, Sachbearbeiter Verbote und Beschränkungen beim Hauptzollamt Darmstadt, führt die Gruppe der Verbrauchsmaterialspezialisten an. Der Zoll nennt diese Aktionen "Rundgang", das klingt gemütlich, ist es aber für alle Beteiligten nicht.

Rundgang mit dem Zoll auf der Paperworld 2015

Für Plagiate, Fälschungen und Schutzrechtsverletzungen durch Firmen mit Sitz außerhalb der Europäischen Union ist der Zoll zuständig.

In der Zolldienststelle auf der Frankfurter Messe bereiten sich Herstellervertreter und Zollmitarbeiter auf die Aktion vor.

Mit einem ganz speziellen "Einsatzfahrzeug" macht sich der Zoll auf den Weg.

Für die Messe ist das Zollamt Frankfurt am Main - Osthafen zuständig.

Um Produktpiraterie einzuschränken hat die Messegesellschaft das Programm "Messe Frankfurt against Copying" ins leben gerufen.

Ziel der Einsatzgruppe: Die Remanexpo, die die Aussteller aus den Bereichen Drucker-Verbrauchsmaterialien und Zubehör, Recycler-Industrie sowie OEM-Toner -Tintenkartuschen bündelt.

Vor dem Rundgang bespricht Stefan Pranzas, Sachbearbeiter Verbote und Beschränkungen beim Hauptzollamt Darmstadt, mit den Beteiligten die Verhaltensregeln.

Unter Leitung von Sachbearbeiter Stefan Pranzas werden verdächtige Messestände inspiziert.

Auch Listen und Kataloge werden kontrolliert.

Der Rundgang des Zolls durch die Halle 6.0 bleibt nicht unbemerkt.

Mancher Aussteller lässt die Plagiate schnell in den Schränken verschwinden, doch auch dort schaut der Zoll nach.

Auch im Reisegepäck können verdächtige Ausstellungsstücke versteckt sein.

Selbst eine Handtasche weckt das Interesse des Zolls.

Die Vertreter von Brother haben Plagiate entdeckt. Leider kann der Zoll nicht einschreiten, da eine Vertriebsniederlassung in der Europäischen Union existiert.

Hinter angeblicher Originalware verstecken sich oft geschickte Fälschungen.

Der Anwalt eines großen Kopiererherstellers inspiziert zusammen mit einem Zollbeamten ein verdächtiges Ausstellungsstück .

Den Standbesitzern wird die Sachlage erklärt.

In den Katalogen müssen alle Stellen mit den beanstandeten Produkten geschwärzt werden.

Das gilt auch für die Werbeplakate, die Pranzas und seine Kollegen entdeckt haben.

Entweder Abhängen oder übermalen - dieser Standbetreiber entscheidet sich für zweites.

Oberstaatsanwalt Weizmann wird hinzugezogen.

Auch hier könnten noch problematische Tonerkartuschen in den Schränken lagern.

Typenbezeichnungen werden genau mit Listen mit Verdachtsfällen verglichen, die schon im Vorfeld erstellt wurden.

Immer wieder verzögern lange Diskussionen mit den Standbetreibern den Rundgang.

Der Hersteller dieser Tonerkassetten hat wesentliche Designmerkmale von Brother kopiert.

Oberstaatsanwalt Weizmann lässt sich von den Brother-Spezialisten den Verdacht schildern.

Nun werden die verdächtigen Tonerkartuschen einer genauen Untersuchung unterzogen.

Alles wird für ein späteres Verfahren genau dokumentiert.

Die Kartuschen werden durch den Zoll sofort sichergestellt.

Die Aktivitäten des Zolls zeigen Wirkung: In den letzten Jahren wurden auf der Paperworld deutlich weniger Plagiate entdeckt.

Der Tross "Verbrauchsmaterial" steuert die Halle 6.0 an. Hier befindet sich die Heimat der Remanexpo, die die Aussteller aus den Bereichen Drucker-Verbrauchsmaterialien und Zubehör, Recycler-Industrie sowie OEM-Toner -Tintenkartuschen bündelt.

Am Halleneingang gibt Pranzas nochmals die Verhaltensregeln für die Gruppe durch. "Wenn Ihnen ein verdächtiges Produkt auffällt, dann sagen Sie erst uns Bescheid. Wir gehen dann auf den Stand und informieren die Betroffenen über den Sachverhalt. Betreten Sie erst den Stand, wenn wir das OK gegeben haben und fotografieren Sie nur nach Erlaubnis", lauten die Anweisungen. Dann geht es los.

Dienstpistolen und Aktenordner

Die Zollbeamten sind mit ihren Dienstpistolen bewaffnet, die Vertreter der Originalhersteller mit dicken Aktenordnern. Fast alle großen Drucker- und Kopiererhersteller sind mit Anwälten und Plagiatsspezialisten vertreten, die meisten wollen aber unerkannt bleiben.

Auf der Paperworld in Frankfurt am Main: Originalhersteller kämpfen mit Hilfe des Zolls gegen Fälschungen und Plagiate.

Gleich zu Beginn der Zollaktion hat einer der Anwälte eines großen japanischen Kopiererherstellers ein verdächtiges Produkt auf dem Stand eines chinesischen Anbieters entdeckt. Die entsprechenden Kartuschen scheinen bei den Produktpiraten besonders beliebt zu sein, denn es ist nicht der letzte Einsatz für den Juristen. Was nun folgt, wird sich an diesem Tag in Halle 6 des Frankfurter Messegeländes mehrmals wiederholen: Der Zoll konfrontiert die Aussteller mit den Vorwürfen, die betroffenen Anbieter verneinen den Sachverhalt, die Anwälte und Produktspezialisten der Originalhersteller versuchen, anhand von Produktabbildungen und Listen ihren Anspruch zu untermauern.

Nun folgt der Auftritt eines weiteren Protagonisten in der Plagiats-Choreographie: Oberstaatsanwalt Weizmann begleitet den Trupp und entscheidet, ob ein Verfahren eingeleitet wird. In diesem Fall ist für Weizmann ein hinreichender Verdacht gegeben. Die Ausstellungsstücke werden beschlagnahmt, in allen Katalogen muss das Produkt geschwärzt werden, alle Werbeplakate müssen abgenommen oder übermalt werden und es wird eine Sicherheitsleistung fällig. Begleitet wird dies durch endlose Diskussionen. Der Standbetreiber versteht plötzlich kein Englisch mehr, doch auch dafür gibt es eine Lösung: Die Messegesellschaft stellt eine Dolmetscherin, die den Sachverhalt auf Chinesisch nachhaltig verdeutlicht.

Damit die Plagiate nicht weiter beworben werden können, müssen sie auf Plakaten oder in Katalogen geschwärzt werden.

Auch Druckerhersteller Brother hat zwei Anwälte und zwei Produktspezialisten mitgeschickt. Das Quartett weiß genau, wo verdächtige Tonerkartuschen zu finden sind. Dazu haben sie schon im Vorfeld gründlich recherchiert und das Vorgehen mit dem japanischen Headquarter abgestimmt. Enttäuschung macht sich allerdings breit, als bei einem Stand mit einem offensichtlichen Plagiat der Zoll nicht einschreiten kann: Der Anbieter aus Fernost hat eine Vertriebsniederlassung in der Europäischen Union. Hier endet die Zuständigkeit des Zolls, der auf der Messe nur bei "Grenzbezug" einschreitet. Hier wären andere Behörden zuständig. Zusammen mit dem Abstimmungsprozess mit Japan dauert das viel zu lange und der plagiatsverdächtige Hersteller bleibt erst einmal ungeschoren.

Aussteller bieten Fälscherbedarf an

Neben komplettem Verbrauchsmaterial wird in der Remanexpo-Halle auch mit Leerkartuschen gehandelt. "Wir hatten schon Kartuschen mit Umverpackungen, die unseren Packungen zum Verwechseln ähnlich sahen", erzählt einer der Produktpiratenjäger, der unerkannt bleiben will. "Nur das Firmenlogo fehlte. Jede kleine Fälscherwerkstatt konnte die Kartuschen befüllen, die Packung mit dem Firmenlogo bedrucken und die Fälschungen in den Verkehr bringen", berichtet er. Auch solchen Kandidaten gelte es, das Handwerk zu legen.

Auch im Reisegepäck suchen die Zöllner nach verdächtigen Ausstellungsstücken.

So arbeitet sich die Gruppe Gang für Gang durch die Messehalle. Das geschieht nicht unbemerkt. So verschwinden durchaus die einen oder anderen kritischen Produkte in den Schränken der Messestände. Für Udo Bäumle, stellvertretender Pressesprecher beim Hauptzollamt Darmstadt, ist das Routine. Im Verdachtsfall schauen die Zollmitarbeiter auch in die kleinsten Ecken der Stände und in die Taschen des Standpersonals. "Profis bringen die Produkte oft gar nicht mehr auf die Messe", berichtet er. In diesem Fall muss der Distributor oder der Händler, der die Plagiate hierzulande in Verkehr bringt, mit Sanktionen rechnen. "Das ist kein Kavaliersdelikt", bekräftigt Bäumle. Etwa zehn bis zwölf Stände schafft das Zoll-Team in der Tonerhalle pro Tag, "je nachdem wie groß die Diskussionsfreude der Betroffenen ist", schränkt Bäumle ein.

Durch den Zoll sichergestellte Tonerkassetten für Brother-Drucker.

Einige Stände weiter ist es dann aber für die Plagiatsjäger von Brother soweit: Bei einem chinesischen Hersteller sind Kartuschen ausgestellt, die nicht nur in Brother-Drucker passen, sondern auch wesentliche Designmerkmale kopieren. Oberstaatsanwalt Weizmann gibt grünes Licht und ein Mitarbeiter des Zolls bringt einen Stapel sichergestellter Tonerkassetten zum extra mitgeführten Rollwagen. Diskussionen gibt es wieder, als der Aussteller eine Sicherheitsleistung hinterlegen muss. Er hat angeblich kein Geld dabei. Als der Zoll ihm anbietet, ihn gerne zum nächsten Geldautomaten "zu begleiten", ist plötzlich doch genug Bares da. Je nach Schwere und Umfang des Plagiatsverdachts kann die Sicherheitsleistung fünfstellige Eurobeträge umfassen. Der Verdacht liegt nahe, dass manche Aussteller dies bei ihrer Messekalkulation schon mit einrechnen.

Zollaktionen zeigen Wirkung

Einer der Plagiatsspezialisten vergleicht die Aktionen gegen die Rechteverletzer mit dem Kampf gegen die Hydra: "Für jeden, den wir erwischen, wachsen zwei nach", meint er. Trotzdem zeigen die Zollinterventionen auf der Messe Wirkung: Seit 2010 ist die Anzahl der Sicherstellungen wegen Schutzrechtsverletzungen deutlich zurückgegangen. Auf der Paperworld 2010 wurden noch 5.909 Artikel sichergestellt. Nach Messeende verbucht der Zoll in diesem Jahr nur noch 1155 zusammen mit der parallel zur Paperworld stattfindenden Christmasworld. Dabei wurden Sicherheitsleistungen in Höhe von rund 45.000 Euro einbehalten. Der Löwenanteil der sichergestellten Produkte entfällt auf Anbieter auch China, doch es fallen auch Aussteller aus Korea, Indien, Pakistan und Argentinien negativ auf.

Kaum ist der Zoll durch, tauchen bei gewissen Ausstellern oft noch am selben Tag neue Plagiate, Prospekte und Verkaufsplakate auf, die entweder gut versteckt am Messestand oder sicher im Hotelzimmer gelagert wurden. Doch auch da sind die Plagiatoren beim hessischen Zoll an der falschen Adresse, wie der der Sachbearbeiter Verbote und Beschränkungen, Stefan Pranzas, versichert: "Die erwischen wir dann bei der Nachkontrolle am Montag!" (mje)