Microsofts Medien-Codecs Version 8

30.03.2001 von NICO ERNST 
Die endgültige Version von Windows Media 8 ist fertig gestellt. Damit will Microsoft auch bei geringen Datenraten für Videos annähernd DVD-Qualität erreichen und bei Musikstücken MP3 schlagen.

Bereits im Dezember hatte Microsoft erste Betaversionen von Windows Media 8 gezeigt. Seit Mittwoch stehen die fertigen Codecs nun auf der Windows Media Homepage bereit.

Wie von Microsofts Media Player bekannt, braucht man die Codecs allein zum Abspielen nicht manuell zu installieren. Sie werden bei einer aktiven Internetverbindung automatisch geladen, sobald man eine damit codierte Datei wiedergeben möchte. Anders sieht es aus, wenn man eigene Dateien mit Version 8 der Codecs erstellen möchte.

Für das Encoding gibt es ein eigenes Utility (635 KByte, direkter Download). Das Programm ist ganz untypisch für Microsoft nur über die Eingabeaufforderung mit ellenlangen Parametern zu bedienen.

Kein Komfort beim Encoding

Um die Arbeit etwas zu erleichtern, hat Microsoft eigene Profile für die verschiedenen Bitraten und Auflösungen definiert. Was der Software-Riese aber beispielsweise als NearBroadcastPAL bezeichnet, hat mit 352x288 Punkten nur ein Viertel der PAL-Auflösung. Höhere Auflösungen, etwa DVD-Videos mit 720x576 Punkten, werden automatisch skaliert. Das Tool lässt sich über eigene Profildateien vorkonfigurieren und beherrscht auch das Beschneiden (Clipping) von Videos sowie diverse Filter.

Hervorzuheben ist dabei besonders das "inverse telecine", das die aus Kinofilmen mit 23,96 Bildern/s die für DVDs (30 Bilder/s bei NTSC) hinzugerechneten Bilder wieder entfernt. Damit wird die Datenrate zugunsten höherer Qualität reduziert.

Ähnlich wie die Low-Motion- und Fast-Motion-Einstellungen beim Piraten-Codec DivX beherrscht Windows Media 8 jetzt variable Bitraten für Videos. Über die maximale Bitrate schweigt sich Microsoft aus - sie liegt aber nach unseren Experimenten mindestens bei 8 MBit/s.

Andere Neuerungen sind Mehrpass-Encoding (analog Reals G2-Codecs) und die Möglichkeit, mehrere Bitraten in einer Datei zu verwenden. Damit muss beispielsweise für Modem- und ISDN-Streams nur eine Datei erstellt werden.

Ordentliche Qualität ab 250 Kbit/s

Die Qualität von Windows Media 8 abzuschätzen fällt noch schwer. Immerhin basiert es wie alle DivX-Derivate und auch OpenDivX auf dem Standardverfahren MPEG 4. Details dazu bietet ein Grundlagenartikel. Zudem sind die bei Microsoft hier verlinkten Beispielfilme zum Teil noch mit älteren Codecs erstellt oder in Flash-Präsentationen eingebettet, so dass sie sich nicht im Vollbild ansehen lassen.

Ordentliche Referenzdateien finden sich bei Microsoft hier. Christina Aguilera sieht darin schon bei 250 KBit/s recht ordentlich aus, mit 400 KBit/s sind dann nur noch wenige Artefakte auszumachen. Die geringe Auflösung beider Clips mit 320x240 Punkten sorgt jedoch zusammen mit MPEG 4 für einen starken Weichzeichnereffekt.

Das ist für "Near DVD Quality" natürlich nicht akzeptabel, und so zeigt nur der allerletzte Clip auf Microsofts Seite (direkter Link, 767 KBit/s), was in Windows Media 8 steckt. Trotz der noch geringen Datenrate und 640x360 Punkten ist das Bild recht scharf. Dafür braucht Windows Media 8 aber auch bei der Wiedergabe ordentlich Rechenleistung: In der höchsten Qualitätsstufe ist nach unseren Tests ein Pentium III mit 750 MHz bei diesem Clip stets zu über 80 Prozent ausgelastet. Den von DivX bekannten CPU-Regler gibt es auch bei Windows Media 8. Stellt man ihn bei diesem Test auf 0, ist derselbe Prozessor noch zu über 30 Prozent belegt.

Ein vergleichbarer Film mit dem verbreiteten DivX 3.11alpha kommt auf demselben PC nur auf maximal 40 Prozent Prozessorauslastung. Dafür opfert Windows Media 8 die Qualität weniger schnell: Auch in Stellung 0 tauchen kaum Artefakte auf, das Bild wird jedoch unruhiger und detailärmer. DivX zeigt schon bei Stufe 2 zahlreiche Klötzchen.

Bei Audio zu viel versprochen

Während Windows Media 8 auf den ersten Blick also durchaus taugt, um einen 90-Minuten-Film in 500 oder weniger Megabyte zu speichern, sieht es mit einem anderen Versprechen von Microsoft ganz anders aus. "Annähernd CD-Qualität bei 48 KBit/s, vergleichbar zu MP3 bei 128 KBit/s" steht in Microsofts Pressemitteilung zu lesen.

Zwar ist Windows Media 8 für Audio gegenüber früheren Versionen durchaus besser geworden - 96 KBit/s sind nach einem kurzen Hörcheck jedoch noch immer nötig, um Musik und nicht nur Geräusche wahrzunehmen.

Unter dieser Datenrate nimmt die Dynamik deutlich ab, die kompressionstypischen Rauschfahnen an hohen Tönen und Vorechos nehmen deutlich zu. Immerhin ist Windows Media 8 auch bei 128 KBit/s jetzt guten MP3-Encodern zumindest gleich zu setzen. Und darauf kommt es an: Microsofts Format soll gegen digitales Kopieren gesichert sein, was bei MP3 nicht vorgesehen ist.

Was sich mit derart hochwertigen Codecs vor allem mit Kinofilmen anstellen lässt, zeigt der Report DivX - das MP3 für Kinofilme. Die Grundlagen dafür erklärt der Beitrag Videokompression mit MPEG. Und wie Audiokompression funktioniert lesen Sie hier und hier. (nie)