"Im Prinzip hatte Microsoft bei Kin die richtige Idee. Man wollte ein Consumer-Angebot schaffen, das sich von Windows Phone 7 abhebt", meint Gartner-Analystin Caolina Milanesi gegenüber pressetext. Denn Microsoft leide darunter, im Smartphone-Bereich stets mit Business-Kunden in Verbindung gebracht zu werden. Mit der Kompetenz des 2008 übernommenen Unternehmens Danger wollte man das ändern.
Erst Mitte April hatte Microsoft als erste Handys mit eigenem Branding die beiden Kin-Geräte vorgestellt. "Es ist wichtig, dass ein Konzern wie Microsoft auch neue Dinge ausprobiert, um echte Innovation zu ermöglichen", meint Lutz. Microsoft wollte dabei insbesondere ein junges Publikum ansprechen. "Kin war der Versuch, das Wissen von Danger im Messaging-Bereich zu nutzen, um etwas Neues zu bieten. Der Fehler war zu glauben, dass die Nutzer von heute so sind wie jene, die das Sidekick genutzt hatten", sagt Milanesi.
Die beiden Kin-Geräte sind Anfang Mai in den USA zu teils vernichtenden Kritiken gestartet (siehe nächste Seite). Dafür war mitverantwortlich, dass die Kin-Geräte zwar mit Smartphone-Kosten, aber nicht der entsprechenden Funktionalität aufwarten konnten. "Konsumenten von heute wollen einfach mehr als nur Messaging, besonders bei dieser Zielgruppe. Keine YouTube-Unterstützung oder Apps waren große Defizite für die Geräte", erklärt die Gartner-Analystin.
Zwar haben sich weder Microsoft noch Verizon offiziell zum Erfolg der Kin-Handys geäußert. Bezeichnend ist allerdings, dass der Mobilfunker zu Wochenbeginn den Gerätepreis um die Hälfte gesenkt hat. Microsoft will indes das Beste aus der Situation machen. Der Konzern wird nach eigenen Angaben das Kin-Team mit seinem Windows-Phone-7-Team zusammenführen. Somit sollen Ideen und Technologien aus Kin in zukünftige Windows-Phone-Releases einfließen.
"Microsoft konzentriert sich mit Windows Phone 7 wieder auf das, was sie am besten können", meint Milanesi. Dort habe das Unternehmen zwar noch einiges in Bereichen von Marketing bis hin zum App-Marktplatz zu tun. "Aber sie haben gewissermaßen Glück, dass die Grenzen zwischen Enterprise und Consumer gerade bei Smartphones weiter verschwimmen. Also wird es möglich sein, mit Windows Phone 7 auch Endkunden anzusprechen", so die Analystin.
Die Schwächen der Kin-Smartphones
Während Microsoft die integrierten Kameras als eines der zentraleren Features positioniert, ernten genau diese fast durch die Bank Kritik. Die Fünf-Megapixel-Kamera des kompakteren Kin One liefere bei normaler oder schwacher Beleuchtung unscharfe Bilder, so das WSJ. Die Acht-Megapixel-Kamera des Kin Two lockt zwar mit 720p-Videoaufnahme. Doch "die Qualität ist nicht das, was wir erwartet haben", bringt das Laptop Magazine eine verbreitete Kritik auf den Punkt.
Das Magazin kritisierte auch die für das Gerät wesentliche Loop-Oberfläche zur Interaktion mit Twitter, Facebook und MySpace als verwirrend, räumt aber ein, dass sie Jugendlichen zusagen könnte. Gerade der Teen-Blogger Chaim Gartenberg befindet Loop auf SlashGear tatsächlich für "großartig" und gab damit Hoffnung, dass Microsoft bei Teenagern landen könnte. Insgesamt waren die Stimmen aber eher kritisch. So meinte der Boy Genius Report wiederum, dass die Loop-Idee zwar gut, die Ausführung aber problematisch sei.
Auch in den meisten anderen Punkten war der allgemeine Tenor zu den Kins eher kritisch und manche Tests geradezu vernichtend. So meinte Engadget, es handle sich um "Handys, die das Gefühl vermitteln, dass sie vernichtet werden sollten, bevor sie auf den Markt kommen". Insofern war bemerkenswert, dass das selbst das äußerst kritische Technikblog das Kin Studio als wirklich vielversprechend einstufte.
Generell kam bei den Testern gut an, dass dank dem Studio Inhalte wie SMS, E-Mails, Fotos oder Videos problemlos online gesichert werden können. Dieses Cloud-Feature könnte sogar zukunftsweisend sein, wünschte sich doch etwa das WSJ, dass alle Handys ein derartig sorgloses Online-Backup bieten würden. Das konnten den Kins aber auch nicht zum Erfolg verhelfen, was nicht zuletzt am Preis der Geräte lag. Nach Ansicht vieler Kritiker lag der trotz begrenzter Features und fehlendem App-Angebot zu nahe an echten Smartphones. (pte/mec)