Kein Europastart - Volle Konzentration auf Windows Phone 7

Microsoft stellt Handy Kin ein

01.07.2010 von pte pte
Knapp zwei Monate nach dem US-Verkaufsstart ist Microsofts Handy-Experiment Kin bereits wieder am Ende. "Wir haben die Entscheidung gefällt, uns voll auf Windows Phone 7 zu konzentrieren und werden Kin nicht wie geplant ab Herbst in Europa ausliefern", bestätigt Microsoft-Pressesprecher Thomas Lutz auf Nachfrage von pressetext. Nur der Verkauf aktueller Kin-Geräte bei Verizon wird vorläufig fortgesetzt.

"Im Prinzip hatte Microsoft bei Kin die richtige Idee. Man wollte ein Consumer-Angebot schaffen, das sich von Windows Phone 7 abhebt", meint Gartner-Analystin Caolina Milanesi gegenüber pressetext. Denn Microsoft leide darunter, im Smartphone-Bereich stets mit Business-Kunden in Verbindung gebracht zu werden. Mit der Kompetenz des 2008 übernommenen Unternehmens Danger wollte man das ändern.

Erst Mitte April hatte Microsoft als erste Handys mit eigenem Branding die beiden Kin-Geräte vorgestellt. "Es ist wichtig, dass ein Konzern wie Microsoft auch neue Dinge ausprobiert, um echte Innovation zu ermöglichen", meint Lutz. Microsoft wollte dabei insbesondere ein junges Publikum ansprechen. "Kin war der Versuch, das Wissen von Danger im Messaging-Bereich zu nutzen, um etwas Neues zu bieten. Der Fehler war zu glauben, dass die Nutzer von heute so sind wie jene, die das Sidekick genutzt hatten", sagt Milanesi.

Die beiden Kin-Geräte sind Anfang Mai in den USA zu teils vernichtenden Kritiken gestartet (siehe nächste Seite). Dafür war mitverantwortlich, dass die Kin-Geräte zwar mit Smartphone-Kosten, aber nicht der entsprechenden Funktionalität aufwarten konnten. "Konsumenten von heute wollen einfach mehr als nur Messaging, besonders bei dieser Zielgruppe. Keine YouTube-Unterstützung oder Apps waren große Defizite für die Geräte", erklärt die Gartner-Analystin.

Microsoft Kin
Kin One
Mit Kin One und Two adressiert Microsoft vor allem Gruppen, die häufig in sozialen Netzen unterwegs sind.
Kin One
Sie können mit den Geräten unterwegs auf Facebook & Co zugreifen und dank der Volltastatur auch einfach eigene Beiträge posten.
Kin One
Die Oberfläche der Kin-Handys, Kin Loop genannt, erinnert stark an das neue Windows Phone 7.
Kin One
Die Geräte wiederum können ihre Verwandtschaft zu den Sidekick-Handys nicht leugnen - kein Wunder, dessen Hersteller Danger wurde von Microsoft übernommen.
Kin One
Kin Spot ermöglicht das Veröffentlichen der eigenen Statusmeldungen, sowie Fotos, Clips und Links.
Kin One
Dank der geringen Abmessungen kann das Microsoft-Handy einfach mit einer Hand bedient werden.
Kin One
Das Kin One ist relativ klein gehalten, die Tastatur zieht man wie beim Palm Pre nach unten heraus.
Kin One
Außerdem verfügt das Device über einen Touchscreen, weitere Hard- und Software-Details sind noch nicht bekannt.
Kin One und Kin Two
Gebaut wurden Kin One und Kin Two vom langjährigen Hardwarepartner Sharp.
Kin Studio
Über Kin Studio werden Handy-Nachrichten, Kontaktdetails und Bilddateien gespeichert - in der Cloud versteht sich.
Kin Two
Das Kin Two ist etwas größer als das Kin One und wird im Querformat bedient.
Kin Two
Die Nutzer profitieren zudem von einem größeren Touchscreen und einer größeren Tastatur.
Kin Two
Außerdem verfügt das Kin Two mit 8 GB über einen doppelt so großen Speicher.
Kin Two
Zusätzlich besitzt die Kamera 8 statt 5 Megapixel Auflösung.
Kin Two
Wichtiges Element ist bei den Kin-Handys die Integration von Zune-Angeboten einschließlich Musik, Video, FM-Radio und Podcast.
Kin Two
Von Drittanwendungen, mit denen das Apple iPhone bekannt wurde, ist dagegen bislang noch nicht die Rede.
Kin Two
Kin One und Kin Two sollen im Herbst 2010 auch in Deutschland auf den Markt kommen.

Zwar haben sich weder Microsoft noch Verizon offiziell zum Erfolg der Kin-Handys geäußert. Bezeichnend ist allerdings, dass der Mobilfunker zu Wochenbeginn den Gerätepreis um die Hälfte gesenkt hat. Microsoft will indes das Beste aus der Situation machen. Der Konzern wird nach eigenen Angaben das Kin-Team mit seinem Windows-Phone-7-Team zusammenführen. Somit sollen Ideen und Technologien aus Kin in zukünftige Windows-Phone-Releases einfließen.

"Microsoft konzentriert sich mit Windows Phone 7 wieder auf das, was sie am besten können", meint Milanesi. Dort habe das Unternehmen zwar noch einiges in Bereichen von Marketing bis hin zum App-Marktplatz zu tun. "Aber sie haben gewissermaßen Glück, dass die Grenzen zwischen Enterprise und Consumer gerade bei Smartphones weiter verschwimmen. Also wird es möglich sein, mit Windows Phone 7 auch Endkunden anzusprechen", so die Analystin.

Die Schwächen der Kin-Smartphones

Während Microsoft die integrierten Kameras als eines der zentraleren Features positioniert, ernten genau diese fast durch die Bank Kritik. Die Fünf-Megapixel-Kamera des kompakteren Kin One liefere bei normaler oder schwacher Beleuchtung unscharfe Bilder, so das WSJ. Die Acht-Megapixel-Kamera des Kin Two lockt zwar mit 720p-Videoaufnahme. Doch "die Qualität ist nicht das, was wir erwartet haben", bringt das Laptop Magazine eine verbreitete Kritik auf den Punkt.

Das Magazin kritisierte auch die für das Gerät wesentliche Loop-Oberfläche zur Interaktion mit Twitter, Facebook und MySpace als verwirrend, räumt aber ein, dass sie Jugendlichen zusagen könnte. Gerade der Teen-Blogger Chaim Gartenberg befindet Loop auf SlashGear tatsächlich für "großartig" und gab damit Hoffnung, dass Microsoft bei Teenagern landen könnte. Insgesamt waren die Stimmen aber eher kritisch. So meinte der Boy Genius Report wiederum, dass die Loop-Idee zwar gut, die Ausführung aber problematisch sei.

Auch in den meisten anderen Punkten war der allgemeine Tenor zu den Kins eher kritisch und manche Tests geradezu vernichtend. So meinte Engadget, es handle sich um "Handys, die das Gefühl vermitteln, dass sie vernichtet werden sollten, bevor sie auf den Markt kommen". Insofern war bemerkenswert, dass das selbst das äußerst kritische Technikblog das Kin Studio als wirklich vielversprechend einstufte.

Generell kam bei den Testern gut an, dass dank dem Studio Inhalte wie SMS, E-Mails, Fotos oder Videos problemlos online gesichert werden können. Dieses Cloud-Feature könnte sogar zukunftsweisend sein, wünschte sich doch etwa das WSJ, dass alle Handys ein derartig sorgloses Online-Backup bieten würden. Das konnten den Kins aber auch nicht zum Erfolg verhelfen, was nicht zuletzt am Preis der Geräte lag. Nach Ansicht vieler Kritiker lag der trotz begrenzter Features und fehlendem App-Angebot zu nahe an echten Smartphones. (pte/mec)