Microsoft Office gegen StarOffice

14.01.2001 von THOMAS RIESKE 
Glaubt man Sun und Microsoft, sind ihre Office-Pakete wahre Alleskönner. Kein Text ist der Software zu umfangreich, keine Tabelle zu komplex. Doch wie sieht die Praxis aus?

Seit dem 20. Juni bietet Sun StarOffice in der Version 5.2 zum kostenlosen Download an. Alternativ erhalten Anwender das knapp 80 MByte große Büropaket inklusive Handbuch zum Preis von 79 Mark direkt bei Sun.

Office 2000, das Konkurrenzprodukt aus Redmond, ist seit Sommer 1999 auf dem Markt. Der Preis reicht von 1149 Mark für die Standard-Edition bis 1799 Mark für die Premium-Fassung. Sie unterscheiden sich durch die Anzahl der einzelnen Office-Komponenten. Erst jüngst hat Microsoft seinem Officepaket mit dem Service Release 1a (SR-1a) ein Facelifting spendiert. Da der deutsche Patch bis jetzt nicht negativ aufgefallen ist, haben wir Office 2000 damit ausgerüstet ins Rennen geschickt.

Bei unseren Tests haben wir uns auf die Kernapplikationen Textverarbeitung, Tabellenkalkulation sowie Datenbanken beschränkt. Dies sind sowohl im privaten als auch professionellen Umfeld die meistgenutzten Anwendungen. Im Mittelpunkt unseres Interesses standen die klassischen Knackpunkte: Datenaustausch und der Umgang mit umfangreichen Dokumenten, sowie die Rechtschreibprüfung anhand der reformierten Orthografieregeln. Ausnahmslos Kriterien also, die die Probanden problemlos meistern sollten.

Neue Rechtschreibung in Office 2000

Um in Office 95 und 97 die neue deutsche Rechtschreibung zu nutzen, muss diese über einen Patch nachgerüstet werden. Office 2000 ist von Beginn an mit dem neuen Regelwerk ausgestattet.

Wer innerhalb eines Dokumentes sowohl die alte als auch die neue Schreibweise überprüfen möchte - etwa um die Regelwerke miteinander zu vergleichen - steht vor einem Problem: Denn die Auswahl lässt sich nicht auf einzelne Wörter oder Absätze einschränken. In diesem Fall hilft nur die Aufteilung auf mehrere Dateien.

In unserem Test soll Word zunächst nach den reformierten Orthografieregeln eine Liste mit 100 Wörtern in alter Schreibweise überprüfen. Dabei erlaubt sich die Textverarbeitung gleich zu Beginn einen Patzer: So bleibt beim Überprüfen der alten Formen verborgen, dass das "As" nun dem Stammprinzip folgt und mit zweitem s zu "Ass" wurde. Regelkonform hingegen erfährt der Anwender, dass drei gleiche aufeinander folgende Konsonanten erhalten bleiben, wie in "Schifffahrt" oder "Bestellliste". Allerdings gerät Word bei der "Streßsituation" durcheinander und greift auf das französische Wörterbuch zurück. Kurios, da doch das "ß" im Französischen unbekannt ist. Erst nachdem wir die automatische Spracherkennung deaktiviert hatten, erfolgten probate Korrekturvorschläge.

Am wenigsten kann Word dort überzeugen, wo es um Getrennt- und Zusammenschreibung geht. Speziell Kombinationen aus steigerbarem Adjektiv und Verb, etwa "tiefbewegt" oder "schwerverständlich", moniert das Programm nicht.

Gemischte Ergebnisse gibt es bei der Groß- und Kleinschreibung: Zwar erkennt Word, dass es jetzt "Rad fahren" oder "Hof halten" heißt, aber kleingeschriebene substantivierte Ordnungszahlen gehen dem Programm durch die Lappen.

Fazit: Als Unterstützung ist die Rechtschreibkorrektur durchaus hilfreich. Ohne Nacharbeit kommt man jedoch keinesfalls aus.

Neue Rechtschreibung in StarOffice

Erst StarOffice 5.2 beinhaltet ein Rechtschreiblexikon, das die neuen deutschen Orthografieregeln beherrscht. Für ältere Versionen existiert nur der Work-around, ein Benutzerwörterbuch anzulegen, in dem alle Wörter in neuer Rechtschreibung enthalten sind.

Wie bei Microsofts Office-Paket hat der Anwender auch bei StarOffice innerhalb eines Dokuments keine Möglichkeit, einzelne Passagen wahlweise auf alte oder neue Regeln zu prüfen. Als Ausweg bleibt nur, mehrere Dateien anzulegen und diese separat zu überprüfen.

Bei unserer Liste mit 100 Wörtern in alter Schreibart entgeht der Textverarbeitung das "As". Dass eine Gruppe von drei gleichen Konsonanten vor einem Vokal erlaubt ist, erkennt StarOffice und moniert daher berechtigterweise "Schiffahrt" und "Bestelliste".

Völlig stressfrei erfolgt die Prüfung der "Streßsituation", obwohl wir StarOffice erlaubt hatten, in allen verfügbaren Wörterbüchern zu suchen.

Beim Thema "Getrennt- und Zusammenschreibung" regiert eher das Zufallsprinzip. Zusammensetzungen aus Adjektiv und Verb, in unserem Test etwa repräsentiert durch "tiefbewegt" und "tiefempfunden", werden nicht als alte Schreibweise beanstandet. Für "schwerfallen" und "schwernehmen" schlägt StarOffice ganz richtig die Getrenntschreibung vor, während "schwerlöslich" fälschlicherweise erhalten bleibt.

Ähnlich durchwachsen sieht es bei der Groß- und Kleinschreibung aus. "kopfstehen" etwa wird als falsch erkannt , "angst haben" jedoch rutscht durch.

Fazit: Zu eigenwillig und inkonsistent geht StarOffice bei der Rechtschreibprüfung vor, als dass der Anwender blind darauf vertrauen könnte. Im Zweifelsfall bleibt nur der Blick in den Duden.

Dokumentenaustausch

Microsoft Office bietet keine Import- oder Exportfilter für das Format von Suns Büropaket. Entweder man weicht mit RTF-Texten oder CSV-Dateien auf den kleinsten gemeinsamen Nenner aus oder vertraut auf die Konvertierroutinen von StarOffice. Diese sollen nun dank überarbeiteter Filter problemlos Dokumente der Microsoft-Office-Komponenten lesen und schreiben. Nur passwortgeschützt dürfen die Dateien nicht sein.

Unsere Word-2000-Testdatei mit Grafiken, Kopf- und Fußzeile sowie Feldern und Tabellen lässt sich problemlos in StarOffice importieren. Beim Export verrutschen die Grafiken und im Datumsfeld findet sich der Benutzername. Ebenfalls ärgerlich: Bei jedem eingelesenen Word-Dokument stellt StarOffice die Standardsprache auf Englisch (US) um.

Formeln und Diagramme gelangen wohlbehalten von Excel zu StarOffice. In der anderen Richtung geht ein Teil der Formeln verloren, die Tabelle wird dadurch unbrauchbar. Das gleiche Bild ergibt sich für die Datenbank: Der Import funktioniert reibungslos, das Zurückschreiben ins Office-2000-Format beseitigt Formeln in Abfragen und grafische Elemente.

Der Export von Makros wird generell nicht unterstützt. Zwar findet sich der Code als auskommentierter Text nach dem Export wieder, die Übersetzung muss aber vom Anwender selbst erledigt werden.

Fazit: Die StarOffice-Importfilter arbeiten problemlos, solange die Dokumente keine Makros und keinen Code enthalten. Der Export zurück ins Microsoft-Format bereitet große Probleme. Hier muss Sun einiges nachlegen, wenn es sich im von Microsoft dominierten Office-Markt behaupten will.

Arbeiten mit großen Dateien

Umfangreiche Dokumente waren schon immer der Schrecken von Office-Programmen. Laden, Suchen-und-Ersetzen-Operationen oder Sortieren geraten häufig zum Geduldspiel.

Word erweist sich beim Laden großer Textdateien immer einen Tick schneller als sein Kontrahent. Beim Suchen und Ersetzen ergibt sich das umgekehrte Bild. Der Preis dafür: Der StarWriter kann kein Undo mehr durchführen. Schaltet man die Undo-Funktion nicht ab, werden nur die ersten 500 Ersetzungen durchgeführt, dann bricht StarWriter ohne Warnmeldung einfach ab. Bei der Dateigröße hat Sun die Nase vorn: Große StarWriter-Dateien sind 30 bis 40 Prozent schlanker als Word-Dokumente.

Den Vergleich innerhalb der Tabellenkalkulation kann Microsoft ganz klar zu seinem Gunsten entscheiden, und zwar in allen drei Bereichen. Excel lädt die Testdatei doppelt so schnell wie StarCalc, ist beim Sortieren Erster und speichert auch noch mit 2 MByte eine deutlich kompaktere Datei.

Unsere Testdatenbank zwingt weder Access noch StarBase in die Knie. Allerdings braucht das letztgenannte Programm zum Laden der CSV-Datei um ein Vielfaches länger, was sich ebenso deutlich beim Sortierdurchlauf zeigt. Die kompaktere Dateigröße erzeugt eindeutig Access: 7.492 KByte gegenüber 17.940 KByte von StarBase.

Fazit: Große Dateien bringen die Textverarbeitung von StarOffice gehörig in Bedrängnis. Wenn keine Undo-Funktion mehr möglich ist, hilft im Zweifelsfall nur ein aktuelles Backup. Microsoft Office hingegen geht recht verschwenderisch mit Plattenplatz um.

Fazit

Die klassischen Knackpunkte sind in unserem Test wieder einmal zum Tragen gekommen. Am deutlichsten zeigte sich dies beim Arbeiten mit großen Dokumenten. Hier musste StarOffice die meisten Federn lassen. Was nutzt es beispielsweise, wenn das Programm zwar halbwegs kompakte Dateien erzeugt, die Textverarbeitung nach umfangreichen Suchen-und-Ersetzen-Operationen aber keine Aktion mehr rückgängig machen kann.

Der Datenaustausch erweist sich weiterhin als heikles Thema. Microsoft Office kann nach wie vor das Format von StarOffice weder lesen noch schreiben. Will der Anwender nicht auf den kleinsten gemeinsamen Nenner in Form von Textdateien oder CSV-Tabellen zurückgreifen, muss er Suns Produkt installieren und auf die Filter von StarOffice vertrauen. Diese versehen ihren Dienst beim Import problemlos, patzen allerdings beim Zurückschreiben ins Office-2000-Format.

Wer gehofft hatte, die neuen, angeblich einfacheren Orthografieregeln würden gleich die Rechtschreibprüfung mit verbessern, sieht sich getäuscht. Mehr als eine kleine Unterstützung bieten auch die neuen Rechtschreiblexika nicht.

Angesichts dieser Probleme dürften sich die wenigsten Anwender zum Umsteigen entschließen, weder in die eine noch die andere Richtung. Meist ist man ohnehin einem Produkt über Jahre hinweg treu und hat Work-arounds für die eine oder andere Macke gefunden. Zusätzliche Probleme durch einen Wechsel lohnen sich nicht.

Die neue Version von StarOffice muss man sich übrigens nicht aus dem Internet herunterladen: StarOffice 5.2 findet sich auf der Heft-CD der PC-Welt 8/2000. (tri)