Microsoft: Live ist Online

03.11.2005
Microsoft macht den Sprung zu Online-Services und kündigt Windows Live an. Allerdings handelt es sich dabei letztlich lediglich um ein Online-Portal, das dem Riesen mehr Anzeigenumsatz bescheren soll

Mit Windows Live und Office Live will Microsoft seine Online-Aktivitäten unterstreichen. In der Pressemitteilung dazu heißt es: „…die Microsofts Anstrengungen widerspiegeln, sich neue Auslieferungs- und Geschäftsmodelle für Software nutzbar zu machen.“

„Unser Traum ist es, eine nahtlose Schnittstelle zu schaffen, bei der sämtliche Technologien und Business in einer Art und Weise zusammen kommen, die einfach funktioniert“ kommentiert Ray Ozzie, Gründer von Groove Networks und seit der Übernahme CTO bei Microsoft die Initiative. „Wir bringen Benutzer und ihre Ziele ins Zentrum - durch Technologien, die sie mit relevanten Benutzern, Geräten und Informationen einfach und transparent verbinden.“

Windows Live soll eine Anzahl persönlicher Internet-Dienstleistungen werden, die unter einem Portal zusammengefasst sind. Dort können Benutzer derzeit aus einer Anzahl vordefinierter RSS-Feeds und so genannter Gadgets ihre persönliche Startseite im Internet zusammenstellen. Die „Gadgets“ umfassen derzeit den Zugriff auf Hotmail, eine Wettervorhersage, ein Horoskop, eine Uhr sowie eine Box mit Neuigkeiten. Zusätzlich lassen sich beliebige RSS-Feeds über „Mein Web“ hinzufügen.

Weitere Live-Dienste

Nicht in das normale Live-Portal integriert sind zusätzliche Dienste wie Live Favorites, Live Messenger oder Live Search Mobile (beide noch nicht verfügbar). Zusätzlich soll es das Windows Live Safety Center und OneCare Live geben.

Bei den Live Favorites handelt es sich um eine persönliche Bookmark-Sammlung, die auf einem Server gehostet wird. Der Import bestehender Bookmarks ist per ActiveX-Control möglich - allerdings nur solche aus dem Internet Explorer oder MSN Explorer. Voraussetzung zur Nutzung der Online.Favoriten ist ein Passport-Konto. Dasselbe gilt für Windows Live.

Zudem ist es möglich, seine Favoriten zu „sharen“. Das bedeutet, zumindest in der derzeitigen Ausprägung, allerdings nicht, dass man bestimmten Personen erlauben kann, die öffentlichen Favoriten einzusehen. Auch in der Hilfe ist derzeit keine Erwähnung zu finden.

Live Mail, derzeit nur einem geschlossenen Beta-Kreis zugänglich, soll ein runderneuertes Hotmail werden. Auch eine Mobile-Variante scheint in Arbeit zu sein. Grundzüge lassen sich aus den FAQs entnehmen: Zwei GByte Speicher, vereinfachtes Interface und Internet Explorer ab Version 6

Live Messenger

Ende dieses Jahres soll noch eine Beta-Version des neuen Messengers online gehen. Wichtigste Änderung ist die Umbenennung von MSN Messenger in Live Messenger, da Microsoft deutlicher zwischen Services und Content trennen will. MSN soll dann für den Content zuständig sein, während der Brand „Live“ alle möglichen Dienste kennzeichnet.

Auskunft über die derzeit geplanten Features gibt zur Zeit primär die FAQ. Das wohl wichtigste Stichwort dort ist „Voice calling“. Nicht zuletzt seit der Übernahme von Skype durch Ebay für sagenhafte 4 Milliarden US-Dollar, dürfte klar sein, dass viele Firmen hier einen enormen Markt sehen. So offensichtlich auch Microsoft.

Allerdings will man hier den einfachen Weg gehen und lediglich das technische Interface zu einem Microsoft-Partner bereitstellen (und natürlich an den anfallenden Gebühren partizipieren). Dies gilt nur für Gespräche ins Fest- oder Mobilnetz. Die Bezahlung erfolgt hier per Prepaid-Konto. Gespräche zwischen zwei Messengern sollen wohl erst einmal kostenlos bleiben.

Inwieweit sich das in offene Standards wie VoIP und SIP integrieren wird, bleibt zunächst offen. Auch die Frage, ob man von einem Festnetz-Telefon einen Live Messenger anrufen kann, ist nicht beantwortet.

Weiterhin soll der Live Messenger „Shared Folder“ unterstützen. Damit entfiele das händische Versenden von Dateien, da das gegenüber direkt auf freigegebene Ordner zugreifen kann. Technologisch handelt es sich hierbei wohl um eine Weiterentwicklung der „Gemeinsamen Dateien“, die ja schon jetzt im LAN eine einfache Freigabe ermöglichen.

Suche und Communities

Weitere Interessensgebiete von Microsoft sind Suchmaschinen und Communities. Erstere sollen dem Benutzer die Suche nach Informationen erleichtern, unabhängig von der Art der Information und dem Gerät, auf dem sie gespeichert ist (Web, Desktop, Mobile). Besonders spannend ist für Microsoft natürlich in dieser Hinsicht der Werbemarkt.

MSN Spaces soll im Laufe des nächstes Jahres in Live Spaces umbenannt werden. Derzeit im Wesentlichen nicht mehr als ein Blog sieht Microsoft darin die Möglichkeit für seine Benutzer, „sich selbst auszudrücken und Kontakte zu finden und zu pflegen“. Mehr Features sollen mit der Umbenennung dazu kommen.

Hier nennt die Ankündigung das Stichwort „Social Networking”: „Die Social Networking Features von Windows Live werden darauf basieren, wen die Kunden kennen anstatt auf Unbekannten, die ihr Blog oder ihre Website besuchen.“ So soll den Kunden rund um eine zentrale Kontaktliste mit Interessensgebieten die Möglichkeit gegeben werden, Leute mit ähnlichen Interessen im Umfeld zu finden.

Computer-Verwaltung online

Das Safety Center stellt einen kostenfreien Web-Dienst bereit, über den Benutzer Ihren Rechner optimieren und aufräumen lassen oder auf Viren untersuchen lassen können. Dazu kommen Informationen über aktuelle Bedrohungen, Communities und Downloads.

Um den Dienst nutzen zu können, benötigt der Anwender einen Internet Explorer, da das Scan-Tool als ActiveX implementiert ist. Abgesehen vom Virus-Scan bietet das Safety-Center allerdings nichts, was nicht ohnehin schon in Windows integriert wäre.

Online-Schnittstelle für Offline-Tools

Der „Clean up scan“ sucht nach temporären Dateien, die gefahrlos gelöscht werden können. Er ist dabei allerdings weniger gründlich und effektiv als das in Windows eingebaute Tool zur Datenträgerbereinigung.

Der „Tune up scan“ überprüft lediglich, ob die Festplatte fragmentiert ist. Dasselbe Ergebnis erhält der Anwender schneller, wenn er direkt über die Datenträger-Eigenschaften geht.

Das kostenpflichtige Pendant zum Safety Center ist OneCare. Dieser Dienst soll nicht nur einen On-Demand-Scanner bieten, sondern auch eine echte Firewall. „Interessant“ lesen sich die Beschreibungen zu den weiteren Diensten von OneCare:

Abgesehen vom Virenschutz also wieder nichts anderes, als schon in Windows eingebaut.

Office Live

Bei Office Live, das derzeit ebenfalls nur als geschlossener Beta-Test verfügbar ist, handelt es sich nicht, wie der Name zunächst vermuten lässt, um eine Online-Version des Office-Pakets. Hiermit will Microsoft kleinen und mittleren Firmen helfen, ihr Geschäftsmodell ins Internet zu tragen. Zunächst sollen drei Varianten des Angebots verfügbar sein:

Microsoft Office Live Basics ist letztlich kostenloser Webspace. 30 MByte Speicherplatz und fünf Email-Adressen sowie ein WYSIWYG-Webeditor sind darin enthalten. Allerdings blendet Microsoft auf diesen Seiten Werbung ein. Dies könnte sich als ärgerlich erweisen, wenn gerade der direkte Mitbewerb auf der eigenen Web-Site Werbung treibt.

Microsoft Office Live Essentials bietet neben dem Hosting auch Online-Dienste für das Management von Kunden, Projekten und Dokumenten. Diese lassen sich in Live Meeting und Office Produkte einbinden, die beim Kunden laufen. Es könnte sich hierbei um einen gehosteten SharePoint-Server handeln.

Microsoft Office Live Collaboration soll zusätzlich die Zusammenarbeit zwischen Mitarbeitern und externen Kunden und Zulieferern ermöglichen.

Fazit

Die „Live“-Initiative von Microsoft enthält im Grunde nichts, was nicht schon auf die eine oder andere Weise bekannt oder erprobt wäre. Portale, Voice over IP, Blogs oder digitale Identität. Das alles jedoch unter einer griffigen Bezeichnung zusammengefasst. Was zu denken gibt, ist allerdings die massive Ballung dieser Dienste und insbesondere der dabei generierten Informationen in einer Hand.

Zusammen mit der Aussage, dass Microsoft noch stärker am Online-Anzeigengeschäft partizipieren will, zeichnet sich ein bedenkliches Bild. Gestützt wird das auch durch die Ankündigung, dass das „MSN adCenter eine Plattform bieten wird, die Werbetreibenden Kontrolle, Erkenntnisse und Informationen an die Hand gibt, mit denen sie sinnvollere Verbindungen mit Kunden erzeugen können.“

Stimmt, denn Microsoft weiß dann von den Benutzern, welche Webseiten sie häufig besuchen, mit welchen anderen Benutzern sie in Kontakt stehen und welche Interessen sie haben. Mixt man dazu noch ein wenig Ad-Tracking, ergibt das ein Nutzer-Profil, für das Werbetreibende viel Geld auszugeben bereit sind. Und wer weiß, vielleicht erhalten Sie irgendwann mal eine Mail folgenden Inhalts: „Ihr Nachbar hat sich gerade einen neuen Jaguar bestellt. Hier können Sie sich das größere Modell ansehen. Mit freundlichen Grüßen, Big Brother.“ (mha)