Microsoft fühlt sich gehetzt und reagiert mit PR

24.02.2006
Gestärkt durch eine Klage von IBM, Oracle und anderen setzt die EU-Kommission ihren kompromisslosen Kurs gegen Microsoft fort. Die Softwerker reagieren mit der Veröffentlichung von prozessrelevanten Dokumenten.

Eine Strafe von bis zu 2,4 Millionen Dollar täglich droht bekanntlich dem weltgrößten Softwarehaus, wenn es seine Wettbewerber nicht ausreichend mit technischen Dokumentationen über Windows-Schnittstellen versorgt. Streit ist nun darüber entbrannt, was Microsoft konkret tun muss, um den Wünschen der EU-Vertreter gerecht zu werden. Das Unternehmen hatte umfangreiche Dokumentationen veröffentlicht, mit denen aber Wettbewerber nach Einschätzung der EU-Sachverständigen wenig anfangen können. Gefordert seien konkrete Instruktionen für die Konkurrenz, damit diese zeitnah alternative Produkte zu Microsoft-Anwendungen entwickeln kann.

In einer PR-Aktion machte die Gates-Company gestern Dokumente öffentlich, die Microsoft am 15. Februar vertraulich an die EU-Kartellbehörden gesandt hatte. Darunter befindet sich auch ein Briefwechsel zwischen CEO Steve Ballmer und EU-Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes. "Transparenz ist in diesem undurchsichtigen Prozess von vitalem Interesse", kommentierte Horacio Gutierrez, Microsofts europäischer Justiziar, das Vorgehen.

Vorwürfe wiederlegen

Die Dokumente sollen den Vorwurf widerlegen, das Softwarehaus habe die von der EU erzwungenen Dokumentationen in einer für den Wettbewerb unbrauchbaren Art und Weise geliefert. "Microsoft hat die Dokumentation in einer angemessenen Form und in Übereinstimmung mit den Gepflogenheiten der IT-Industrie veröffentlicht", heißt es in der Einleitung zu den veröffentlichten Dokumenten. Die EU-Vorwürfe seien "falsch, irreführend und unfair." Zu ganz anderen Ergebnissen waren indes ein Gutachter der EU, ein unabhängiges technisches Prüfungskomitee sowie der Wettbewerb gekommen. Sie hatten das Material übereinstimmend als unbrauchbar bezeichnet.

Hintergrund der Eskalation im Streit zwischen Microsoft und den EU-Wettbewerbsbehörden ist eine Verurteilung des Softwaregiganten durch die EU-Kommission von Anfang 2004. Das wegen Wettbewerbsverstößen bestrafte Unternehmen wurde zur Zahlung von 497 Millionen Dollar verpflichtet, außerdem bekam es diverse Auflagen. Unter anderem sollte Microsoft Schnittstellen für Wettbewerber binnen 120 Tagen so beschreiben, dass diese Serverprodukte entwickeln können, die ebenso gut mit Windows-Desktops harmonieren wie Microsoft eigenes Server-Angebot.

Weitere Klage setzt Microsoft zu

Zugespitzt hat sich die Lage nun durch eine weitere Beschwerde so prominenter Anbieter wie IBM, Oracle, Nokia, Sun, Real Networks und anderer. Die Microsoft-Konkurrenten, die sich als "The European Committee for Interoperable Systems" (ECIS) bezeichnen, klagen gegenüber der EU-Kommission über die Geschäftspraktiken des Rivalen.

Von den Wettbewerbshütern fordern sie, den Softwareriesen zu stoppen, sofern der weiter daran arbeite, sein Monopol zu verstärken und Zukunftsmärkte unfair unter Kontrolle zu bringen. "Wir sind am Scheideweg", heißt es in einer Erklärung der ECIS. "Wird es einem dominanten Hersteller erlaubt, die Bedingungen für Wettbewerb zu kontrollieren oder werden sich Regeln durchsetzen, die freien Wettbewerb zum Vorteil aller garantieren?"

Konkret geht es um die Art und Weise, wie Microsoft Textverarbeitung, Spreadsheet und Präsentationssoftware entwickelt und vermarktet. Ins Detail sind die Konkurrenten jedoch gegenüber der Öffentlichkeit bislang nicht gegangen. Beispielsweise ist nicht klar, ob die Industriegruppe auch gegen Microsoft Windows-Nachfolger Vista vorgehen will.

Thomas Vinje, Justiziar der ECIS sagte allerdings, die Vorwürfe seien weit reichend und beträfen bestehende wie künftige Produkte. "Wenn Microsoft die Auflagen von 2004 erfüllt hätte, müssten wir diese Klage nicht einreichen", so der Anwalt. Microsoft habe sich dies selbst zuzuschreiben.

Microsoft beschrieb die Gruppe unterdessen als Front für IBM und andere Wettbewerber, die mit Prozessen und dem Ruf nach mehr Regulierung Geschäftsvorteile erreichen wollten. Man wundere sich nicht, dass Konkurrenten versuchten, Microsofts bahnbrechende Technologien Office 12 und Windows Vista aufzuhalten. (Heinrich Vaske/cvi)

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