Satya Nadella ist der neue Chef von Microsoft und löst Steve Ballmer an der Spitze des Softwarekonzerns ab. Außerhalb des Unternehmens ist der 1967 in der indischen Großstadt Hyderabad geborene Manager bislang nur wenig in Erscheinung getreten. Dabei arbeitet Nadella seit 22 Jahren bei Microsoft und leitete zuletzt das für den Softwarekonzern enorm wichtige Cloud- und Unternehmens-Geschäft.
Zuvor war Nadella maßgeblich an der Entwicklung der Suchmaschine Bing sowie des Bürosoftwarepakets Office beteiligt und hatte das Server-Geschäft zu verantworten. Bevor der heute 46 Jahre alte Branchenveteran 1992 zu Microsoft stieß, war der Elektroingenieur beim Silicon-Valley-Urgestein Sun Microsystems beschäftigt, das heute zu Oracle gehört.
Kaum ein Nachfolger könnte bei Microsoft kontrastreicher zum noch amtierenden Chef Steve Ballmer ausfallen, der für seine lauten und extrovertierten Auftritte bekannt ist. Nadella ist eher ein Mann der leisen und überlegten Töne. Bei Microsoft gelte Nadella als beliebter "Techie" und teamfähiger Manager, der etwas von der Technologie hinter dem Business verstehe, schreibt die "Financial Times". Als knallharter Geschäftsmann ist Nadella dagegen bislang nicht aufgefallen. Laut Medienberichten soll ihn deshalb Verwaltungsratsmitglied John Thompson im Dialog mit Investoren und Kunden unterstützen. Ballmer hatte zuletzt verstärkt auf Verbraucher-Produkte wie das Windows Phone, die Spielekonsole Xbox One und die Surface-Tablets gesetzt.
Zugleich gibt Microsoft-Mitgründer Bill Gates den Vorsitz im Verwaltungsrat auf. Er werde dem Gremium künftig als "Technologie-Berater" angehören, teilte Microsoft mit. In dieser Rolle werde er wieder mehr Zeit bei dem Unternehmen verbringen und Nadella bei der Entwicklung neuer Produkte unterstützen. Gates war zuletzt vor allem in seiner wohltätigen Stiftung aktiv. Den Posten des Verwaltungsratschefs übernimmt John Thompson, der die Suche nach einem neuen Microsoft-Lenker leitete.
Niemand wisse heute, was tatsächlich technologisch in zehn Jahren möglich sei, betonte Nadella zuletzt in Paris auf der Konferenz LeWeb. Die Digitalisierung von nahezu allem sei auf gutem Weg. Er glaube, dass Daten und der vernünftige Umgang mit Daten die Zukunft prägen werden. Microsoft müsse sich jeden Tag neu erfinden. "Es würde uns nach 30 Jahren nicht mehr geben, wenn wir nicht in der Lage wären, neue Technologie-Wellen zu reiten."
Steve Ballmer - Bulliger Geschäftsmann mit weichem Kern
Mit Steve Ballmer verlässt ein Urgestein des digitalen Zeitalters den heute weltweit größten Softwarekonzern. In den 1970er Jahren hatte er zusammen mit Bill Gates an der Harvard-Universität studiert und dort das Fundament für eine lebenslange Freundschaft gelegt. Im Gegensatz zu den Microsoft-Gründern Gates und Paul Allen war Ballmer aber kein Programmierer oder Informatiker, sondern ein Betriebswirt und Mathematiker. In die Microsoft-Geschichte geht er als bulliges Vertriebsgenie und grandioser Motivator für Belegschaft und Unternehmenspartner ein.
Gates und Allen kümmerten sich in den Anfangsjahren um Technologie und Strategie, Ballmer trieb als erster angestellter Manager das Geschäft voran. Zusammen legten sie den Grundstein für das Unternehmen mit heute rund 95.000 Mitarbeitern. Seit dem Rückzug von Gates, der nach 33 Jahren als CEO und Chief Software Architect im Jahr 2000 seinen Hut nahm, stand der Sohn eines Schweizer Einwanderers an der Spitze des Konzerns. Ballmer brachte zuletzt das Dickschiff Microsoft wieder auf Kurs, hatte allerdings auch eine Reihe von Misserfolgen zu verantworten.
Erfolgreich schwenkte er 2010 auf das Cloud-Computing. Der Bereich, zu dem die Cloud-Plattform Azure und das neue Office 365 gehören und den zuletzt sein Nachfolger Satya Nadella verantwortete, legte 2013 im Jahresvergleich beim Umsatz auf das Doppelte zu. Im vergangenen Sommer leitete Ballmer eine umfangreiche Umstrukturierung des Unternehmens ein. Statt nur auf Software setzt Microsoft seither auf zwei weitere Standbeine: eigene Hardware nach dem Vorbild der Spielekonsole Xbox sowie Software und Service-Angebote.
Zu den Megaflops während der Dienstzeit von Ballmer gehört an erster Stelle das Betriebssystem Windows Vista. Die Bedeutung des Internets hat das Unternehmen unter Leitung von Ballmer ebenfalls lange unterschätzt. Als legendär gilt auch Ballmers Fehleinschätzung zu den Erfolgschancen des ersten iPhones von Apple. In einem Interview höhnte er, wer denn wohl ein so teures Handy kaufen solle. Bis heute konnte Microsoft mit seinem Betriebssystem Windows Phone nicht aufschließen.
Auch der Boom der Tablets, ausgelöst von Apples iPad, wurde von Ballmer lange ignoriert. Dabei hatte Bill Gates schon Jahre vor dem iPad-Launch Konzepte für einen Tablet-Computer vorgestellt, die aber vom Markt nicht angenommen wurden. Mit den Surface-Geräten aus eigener Herstellung tut sich das Unternehmen bis heute schwer, in dem bereits gut unter Apple und Google verteilten Markt Fuß zu fassen.
Steve Ballmer kommt oft als harter Hund rüber, hat aber einen weichen Kern: Als er 2000 seinen langjährigen Freund und Weggefährten Bill Gates an der Microsoft-Spitze ablöste, konnte er Tränen nicht unterdrücken. Bis dahin war Ballmer stets der starke zweite Mann innerhalb des Softwarekonzerns hinter Gates. Seine exaltierten Auftritte auf diversen Veranstaltungen hatten ihm den Spitznamen "Monkeyboy" eingebracht. Legendär ist etwa die Szene, in der er hüpfend und schreiend skandiert: "I love this company".
Ballmer kam 1956 in der Autostadt Detroit zur Welt. Seine Vorliebe für die Firma Ford, bei der sein Vater, ein gebürtiger Schweizer, arbeitete, hielt bis zuletzt an. Nicht von ungefähr war mit Allen Mulally auch der Ford-Chef als möglicher Nachfolger im Rennen. Seine Herkunft aus einfachen Verhältnissen hatte Ballmer nie geleugnet. Während Gates als Softwarespezialist und Visionär des Unternehmens galt, gab Ballmer den Geschäftsmann mit besonderen Verkaufstalenten. (dpa/mje)