Metro Ethernet: Eine Leitung für Daten, Telefon und Video

09.02.2004 von Mike Hartmann
Neue Technologien wie Metro Ethernet versprechen nicht nur für Firmenkunden erhebliche Verbesserungen in Service und Preis. Auch Privathaushalte können von der universellen Kommunikationslösung profitieren.

Um in einem durchschnittlichen Haushalt Telefonie, Fernsehen und Internet zu realisieren, benötigt man derzeit verschiedene Übertragungstechnologien und Dienste-Anbieter. Dementsprechend viele Kabel sind beim Bau des Gebäudes zu verlegen. Eine Kupferdoppelader für den analogen oder den ISDN-Telefonanschluss, ein Koaxial-Kabel für TV und je nach Provider und Technologie eventuell noch eine weitere Kupferdoppelader für DSL . Bei ADSL der Telekom läuft das T-DSL zwar über dieselbe Ader wie das Telefon, aber die Signale werden über den Splitter voneinander getrennt.

Der TV-Anschluss beschränkt sich normalerweise darauf, dass man die ins Kabel eingespeisten Sender anschauen kann, aber eine flexible Freizeitgestaltung über Video-on-Demand ist damit nicht möglich. Auch beim Pay-TV ist der Kunde immer noch auf starre Sendezeiten festgelegt, wer zu spät kommt, verpasst den Anfang. Mittels moderner Geräte wie einem Harddisk-Recorder kann man inzwischen wenigstens das Programm aufzeichnen lassen und noch während der Aufzeichnung beginnen, via Time-Shifting den Film anzuschauen, wenn man wieder einmal nicht pünktlich aus dem Büro kam. Das Gerät muss dazu aber genügend Rechenleistung bieten, da der analoge Datenstrom in Echtzeit komprimiert werden muss.

Dabei existieren längst geeignete Technologien, die Internet, Telefonie und Video über ein Datenkabel transferieren können. Voice over IP und MPEG4-Video-Streams sind hier die Schlagwörter. Bei dieser Integration aller Dienste auf ein Datenkabel ist das Ganze allerdings noch mehr als die Summe der Einzelteile:

Benötigte Bandbreite

Diese schöne neue Dienstewelt erfordert jedoch eine deutlich höhere Bandbreite als die bisher über xDSL angebotene. Immerhin benötigt ein Telefongespräch per IP-Telefonie knapp 100 Kbit/s, für jeden Video-Stream in adäquater Qualität sind etwa 5000 Kbit/s fällig. Video-on-Demand oder normales Fernsehen sind also mit xDSL nicht realisierbar, zumindest nicht in der gewohnten Qualität, auch wenn aktuelle Marketing-Kampagnen des rosa Riesen das glauben machen wollen. Zudem kommt es vor, dass Familienmitglieder nicht immer einer Meinung sind, was das anzuschauende Programm angeht. Zwei Fernsehprogramme oder auch zwei verschiedene Filme per Video-on-Demand parallel erfordern jedoch schon die Geschwindigkeit eines 10-Mbit/s-Ethernet .

Da trifft es sich gut, dass viele Netzwerkausrüster schon seit einigen Jahren an einer Technik namens Metro-Ethernet arbeiten. Denn man hat erkannt, dass die klassischen Übertragungsverfahren nicht mehr optimal einsetzbar sind. Basis der Übertragung sind zumeist Glasfasernetze, die mit der Technik Synchronous Digital Hierarchy (SDH ) betrieben werden. SDH hat seinen Ursprung in den klassischen Telefonnetzen und ist dementsprechend für die Übertragung von Sprache optimiert. SDH ist in Stufen von 2 Mbit/s, 34 Mbit/s und mehr verfügbar, außerdem besteht die Möglichkeit, mehrere 2-Mbit/s-Leitungen gemeinsam zu nutzen. SDH-Equipment ist jedoch nicht billig, außerdem sind Konfiguration und Management solcher Installationen komplex, was die Dienste entsprechend teuer macht. Zudem ist SDH hinsichtlich dynamischer Bandbreitenzuweisung sehr unflexibel, was viele Firmenkunden bisher dazu veranlasst hat, eher eine zu kleine als eine zu große Bandbreite zu mieten.

Eine Lösung dieser Probleme verspricht der Einsatz von Ethernet in den Metronetzen der Carrier. Das eigentlich für lokale Netze konzipierte Übertragungsverfahren hat sich inzwischen längst als De-facto-Standard für die Datenkommunikation in Unternehmen etabliert, weil Ethernet wesentlich einfacher zu handhaben ist. Zudem ist es auch besser ausbaubar: Ursprünglich sah die Spezifikation eine Bandbreite von 10 Mbit/s vor, inzwischen ist die Gigabit-Schallmauer durchbrochen, die Arbeiten an der Standardisierung von 10 Gigabit laufen. Eine Weiterentwicklung in Richtung 100 Gigabit wird bereits diskutiert.

Technische Realisierung beim Kunden

Wenn also ohnehin schon Ethernet in den Metro-Netzen verwendet wird, was liegt da näher, als es auch für die Anbindung des Kunden zu nutzen, da sich damit auch die Gerätekosten für die Anbindung senken lassen und eine flexiblere Gestaltung bei der Bandbreite möglich ist. Bei Firmengebäuden ist die Anbindung auch weniger ein Problem, denn entsprechende Kabel werden meist schon beim Bau des Gebäudes verlegt - sowohl für den WAN-Anschluss als auch für die Inhouse-Vernetzung.

Anders sieht es bei Wohngebäuden aus. Hier sind gerade mal die vorgeschriebenen Kupfer-Doppeladern in die einzelnen Wohnungen verlegt. In einem Verteilerkasten im Keller findet sich eine Anschlusstafel, über die entsprechend die von außen eingehenden Leitungen mit den Leitungen in die Wohnungen verschaltet werden.

Zudem ist das gesamte Kabelnetz im Haus über Leerrohre realisiert, die nur einen relativ schmalen Durchmesser aufweisen. Normale Twisted-Pair-Kabel lassen sich dadurch nicht oder nur mit sehr großem Aufwand verlegen. Die dünneren Glasfaserkabel sind eher eine Alternative, hier sind allerdings höhere Kosten für die Kabel zu veranschlagen, und ein Fiber-Port ist auch teurer als ein Ethernet-Port. Das größte Problem ist jedoch der Fiber-Anschluss in der Wohnung: Dieser ist relativ empfindlich und kann schon bei einer einfachen Wohnungsrenovierung durch Farbe zerstört werden.

Bleibt also als einfachste Variante die Nutzung der ohnehin bereits bestehenden Kupfer-Doppelader. Mittels xDSL sind die benötigten Datenraten nicht realisierbar, also benötigt man ein anderes Verfahren. Hier kommt Long Reach Ethernet (LRE) ins Spiel, das Ethernet über Standardkabel auch über größere Entfernungen transportieren soll. Damit wäre es also durchaus möglich, direkt vom Verteiler Ethernet bis in die Wohnung zu legen.

Allerdings ist LRE auf längeren Strecken oder schlechten Kabeln sehr störungsanfällig. Eine Lösung für dieses Problem wäre die Verkürzung der Strecke, auf der LRE genutzt wird: In größeren Wohnhäusern mit zehn oder mehr Mietparteien stellt man einen LRE-Switch in den Verteilerschrank, der die einzelnen Wohnungen mit Ethernet bedient. An das Metro-Ethernet angebunden wird der Switch optimalerweise über eine Glasfaser-Verbindung. Entsprechende Kabel werden schon seit längerer Zeit prophylaktisch verlegt, sobald ohnehin Arbeiten an den Hauszuleitungen erforderlich sind.

Wer soll's machen?

Die Technik ist also da, die notwendigen Verfahren sind beschrieben, und auch die Anwendungen stehen schon bereit. Es ist also nicht wie bei UMTS , wo man erst krampfhaft nach der Killerapplikation suchen muss. Dennoch tut sich der Anbietermarkt schwer - entsprechende Angebote existieren in Deutschland nicht. Lediglich Fastweb in Mailand zeigt, wie es gehen könnte. Dort stehen dem Kunden diverse Optionen zur Auswahl, beispielsweise ein Anschluss mit 10 Mbit/s, TV-Option (20 Kanäle) und eine Telefon-Flatrate (lokale und Inlandsgespräche) für insgesamt 95 Euro.

Der Telekom dagegen scheint ihr derzeitiges DSL-Angebot zunächst zu genügen, und die alternativen Carrier verwenden zumeist die Kabel der Telekom für die viel beschworene letzte Meile. Sie sind auch nicht unbedingt daran interessiert, erst einmal Risikokapital in die Hand zu nehmen, um neue Umsatzquellen zu erschließen. Dabei zeichnet sich schon seit einigen Jahren der Trend ab, dass die Umsätze aus reinen Sprach- und Datendiensten schneller fallen als die Kosten für die Bereitstellung derselben mit aktuellen Technologien.

Metro-Ethernet und eine Integration von Sprache, TV und Daten dagegen könnten aus diesem Dilemma helfen - insbesondere, wenn neue Dienste dazukommen. Hier handelt es sich nicht zwangsweise um ein Geschäftsfeld, das nur von den klassischen Carriern beackert werden kann. Auch Stromanbieter sind zunehmend auf der Suche nach neuen Umsatzquellen, denn der Preiskampf zeigt hier ebenfalls Wirkung. Was hindert also die Stromanbieter daran, beim Verlegen der Stromzuleitung auch gleich ein paar Glasfaserkabel mitzulegen?

Gründe für die Schwerfälligkeit gibt es viele. Einerseits müssen sich zahlreiche Beteiligte einigen: der Metro-Ethernet-Betreiber, der/die Anbieter von TV oder Video sowie der Hausbesitzer, und andererseits muss allen voran die RegTP mitspielen. Letztere zeigt sich jedoch immer wieder sehr zögerlich, wenn es um neue innovative Dienste geht, wie alternative Carrier häufig und lautstark beklagen.

Fazit/Ausblick

Mit Ethernet to the Home (ETTH) und den damit erzielbaren Bandbreiten lassen sich ganz neue Anwendungen realisieren und für die Anbieter neue Geschäftsfelder eröffnen. Also eine klassische Win-Win-Situation. Zudem erschließen sich für den Netzbetreiber Einsparpotenziale bei den viel beschworenen OpEx (Operational Expenses, Betriebskosten) und eine bessere Auslastung seines Netzwerks bei gleichzeitig höherer Gesamtbandbreite.

Wenn sich die verschiedenen Beteiligten, allen voran die RegTP, zu einem gemeinsamen Vorgehen entschließen, stehen uns in der Zukunft neue spannende Möglichkeiten bevor. Jörg Lösche, Geschäftsführer Allied Telesyn Deutschland, glaubt, dass noch 2004 die ersten Anbieter loslegen werden und dass in spätestens zehn Jahren ETTH in Deutschland so verbreitet sein wird wie heutzutage noch DSL. (mha)