Metallica gegen Napster

19.07.2000 von KEITH PERINE  und Michael Laermonth
MP3-Tauschbörsen wie Napster werden in den USA zum Politikum. In einer ersten Anhörung in Washington haben Musiker, Plattenfirmen und Politiker die Fronten abgesteckt. Vor allem die Rockband Metallica fordert neue Gesetze zum Schutz ihrer Urheberrechte.

Dieser Artikel erschien im Original in der US-Wochenzeitschrift The Industry Standard. Wir veröffentlichen die deutsche Übersetzung mit freundlicher Genehmigung der Redaktion.

Lars Ulrich, seines Zeichens Schlagzeuger von Metallica, focht am Dienstag vergangener Woche vor dem Rechtsausschuss des Senats der USA seinen Dschihad gegen die Napster Inc. Seiner Aussage zufolge muss der Kongress neue Gesetze erlassen, um dem Urheberrecht unterliegende Musik vor Napster und anderen Internetdiensten zu schützen, die das Herunterladen von Musik ermöglichen.

Ulrich erschien zusammen mit Folk-Sänger Roger McGuinn sowie Führungskräften von Napster, MP3.com und Sony sowie Vertretern der Recording Industry Association of America (RIAA). Senator Orrin Hatch aus Utah, der selbst christliche Musik komponiert, berief die Anhörung ein, um zu erkunden, ob der Kongress sich in die aktuelle Kontroverse einschalten sollte.

"Meiner Meinung nach sollte hier die Legislative bald einbezogen werden", sagte Ulrich. "Ich denke, wir träumen uns alle etwas zurecht, wenn wir glauben, dass wir das unter uns ausmachen können." Aber Hatch und seinen Senatskollegen schien es zu widerstreben, die Bearbeitung einer neuen Gesetzesinitiative sofort anzugehen.

Napster und MP3.com führen an, dass sie einen enorm wichtigen Dienst an Musikliebhabern leisten, mit dem die Verkaufszahlen von CDs und Konzertkarten letztendlich angekurbelt würden. Sony und die anderen großen Platten-Labels, die zur RIAA gehören, geben hingegen an, dass insbesondere Napster die Gesetze zum Schutz geistigen Eigentums in unerhörter Weise verletze.

Senator: Alte Gesetze sind nutzlos

Die Software, die der 19-jährige Shawn Fanning während seines ersten Semesters an der Northeastern University schrieb und die dann später zur Grundlage von Napster wurde, hat das Internet-Start-up auf einen Konfrontationskurs mit der Plattenindustrie manövriert. Die RIAA hat bei Richterin Marilyn Hall Patel am US-Bundesbezirksgericht einen Antrag auf eine einstweilige Verfügung gestellt, mit der Napster bis zum Verfahrenstermin effektiv geschlossen würde. Eine Anhörung zu dieser einstweiligen Verfügung ist für den 26. Juli angesetzt, und das abschließende Verfahren könnte Ende diesen Jahres beginnen.

Die dem Senat vorliegende Frage beschäftigt sich damit, ob sich das Problem gerichtlich lösen lässt oder ob neue Gesetze - vielleicht eine Revision des Digital Millennium Copyright Act (DMCA) aus dem Jahre 1998 - notwendig sind, um musikalische Urheberrechte im Internet zu schützen. Der Rechtsausschuss legte sich bezüglich einer Antwort auf diese Frage nicht fest, aber Senator Hatch verlieh seiner Enttäuschung Ausdruck, dass das DMCA bis dato keine robuste Wirtschaftsstruktur für Musik im Internet ermöglicht hätte.

"Unsere Hoffnung bestand darin, dass das DMCA den Kreativen einen Anreiz bieten würde, damit diese ihre Produkte ins Internet stellten", so Hatch. "Leider ist das bis jetzt in der Musikindustrie nicht in größerem Rahmen geschehen, und das DMCA ist nunmehr zwei Jahre alt."

Metallica: "Ganz normale Hehlerei"

Der Anhörungssaal war an diesem Dienstag zweifelsohne der gefragteste Ort auf dem Capitol Hill - Dutzende von jugendlichen Zuschauern drängten sich hinter der Presse und den diversen Interessensvertretern und Anwälten in den Saal. Alle Blicke lagen auf Ulrich und Kirk Hammett, dem Gitarristen von Metallica, der unter den Zuschauern saß und in einem gut sitzenden Nadelstreifenanzug strahlte.

Hatch und Leahy gaben sich große Mühe zu beweisen, dass sie musikalisch auf dem Laufenden seien, wobei Leahy wiederholt seine Vorliebe für Grateful Dead beschwor und Hatch den Song "Higher" von der Band "Creed" herunterlud und abspielte, bevor die Anhörung für eine Abstimmung im Senat unterbrochen wurde. Während der Pause schrieb Ulrich Autogramme auf lose Blätter, die dann wieder in die fröhliche Menge zurückgereicht wurden.

"Napster hat - ohne uns zu fragen - einfach unsere Musik geraubt", sagte Ulrich. "Das propagierte, neue Paradigma, dass die Internet-Gurus uns sagen, was wir Technikfeindlichen zu tun haben, klingt für mich doch sehr nach ganz normaler Hehlerei."

Ganz offensichtlich beschäftigte Senator Hatch die Frage, ob Napster zusammen mit einem wie auch immer gearteten Tantiemensystem, mit dem sich die Ansprüche der Künstler vergüten ließen, fortbestehen könnte. Er befragte Harry Bank, CEO von Napster, zur Architektur von Napster und anderen Peer-to-Peer-Programmen wie Gnutella, mit dem die Anwender durch den Aufbau einer Verbindung zwischen ihren Computern Musikdateien austauschen können.

Napster als Marketing-Instrument

"Kann Napster oder Gnutella so ausgelegt werden, dass es entweder mit einer Abrechnungssoftware arbeitet, die eine präzise Abrechnung für die Bezahlung von Tantiemen ermöglicht, oder mit einer Zugangskontrollsoftware, die die Bezahlung für die Nutzung dieser Dienste sicherstellt?", fragte Hatch.

"Technologie bedeutet nicht das Ende geistigen Eigentum", so Barry. "Ist uns daran gelegen, eine private Vereinbarung auszuarbeiten, mit der man etwas in der von Ihnen beschriebenen Art und Weise tun könnte? Die Antwort lautet: Ja."

Allerdings stellte Barry dann die Notwendigkeit eines derartigen Abrechnungssystems in Frage und argumentierte dabei, dass die Musikumsätze dank der größeren Anzahl von Downloads gestiegen seien.

"Napster-Anwender nutzen das System gemeinsam zur Vorschau"; behauptete er. "Dann gehen sie in den Laden und kaufen die CD."

Bei dieser Debatte spielt die Musikindustrie die Rolle der Hüterin der Künstlerinteressen. Aber Roger McGuinn, ein Mitglied 60er-Jahre-Band "Byrds", führte an, dass die Plattenindustrie in der Vergangenheit nur wenig dafür getan hätte, dass die Künstler eine Vergütung für ihr geistiges Eigentum erhielten. McGuinn sagte aus, dass er für solche Hits wie "Mr. Tambourine Man" und "Turn, Turn, Turn" sehr wenig Geld und keinerlei Tantiemen erhalten hätte. Neue, durch das Internet ermöglichte Geschäftsmodelle hätten die Situation aber etwas geändert. Laut der Aussage von McGuinn hätten sowohl sein Bankkonto wie auch die Kartenverkäufe für seine Konzerte davon profitiert, dass er seine Soloaufnahmen bei MP3.com ins Internet gestellt hatte.

Gesucht: Neue Geschäftsmodelle

Fred Ehrlich, leitender Angestellter bei Sony Music Entertainment, sagte gegenüber dem Ausschuss, dass sein Unternehmen "beständig neue Möglichkeiten zum Herunterladen von Musik erkundet", aber dass "alle endgültigen Entscheidungen von soliden Geschäftsprinzipien getragen werden müssen":

Barry verwies auf die 20 Millionen Anwender, die die Dienste seines Unternehmens nutzten, und sagte, dass diese im laufenden Rechtsstreit die eigentlichen Beklagten wären. Leahy bemerkte trocken, dass - obwohl Napster noch keinen Gewinn erwirtschaftet hätte - die Firma doch 15 Millionen Dollar Risikokapital von Hummer Winblad an Land gezogen hätte, an denen Barry nach wie vor beteiligt sei. Bei einer gerichtlichen Anmeldung schätzte Napster seinen Marktwert auf der Grundlage der Anwenderzahlen auf 2 Milliarden Dollar.

Leahy legte Napster und der Musikindustrie eindringlich nahe, man möge doch zusammenarbeiten und ein Geschäftsmodell schaffen, das für beide Seiten akzeptabel wäre. Die Alternative, warnte er, bestünde darin, dass der Kongress einschreiten und eine "einmalige Gebühr für die Autoren, Künstler und Plattenfirmen" einführen müsste.

"Ganz offen gesagt", so Leahy, "bin ich mir nicht sicher, ob auch nur einer damit zufrieden wäre, wenn wir das täten". (nie)