Mehr Komfort im Internet

10.11.1999
Von der Vermittlung und dem Transport von Sprachverbindungen über IP-Netze versprechen sich die Telefongesellschaften enorme Kostenvorteile. Ziel ist es, Internet-Telefonie genauso komfortabel zu gestalten, wie es der Anwender bereits von traditionellen Telefonnetzen kennt. Der Einsatz von IN-Technik (Intelligente Netze) soll dies ermöglichen.

Von: Hartmut Nehme

Der anhaltende Preisverfall bei traditionellen Telefonnetzen zwingt die Carrier, die Internet-Telefonie mit weiteren Merkmalen der Komforttelefonie anzureichern. Welche technischen Erweiterungen hierfür notwendig sind, soll ein Vergleich mit der Architektur von Intelligenten Netzen (IN) aufzeigen.

Derzeit werden vorwiegend die Servicerufnummern 0130 (0800), 0180 und 0190 über Intelligente Netze bereitgestellt. Hierbei drückt die Telefonnummer nicht die physikalische Präsenz (Ortsnetz) des Teilnehmers aus, sondern ist vielmehr eine logische Nummer, welche das jeweilige Tarifmodell widerspiegelt. Der Anrufer zahlt dabei für den ihm zur Verfügung gestellten Mehrwertdienst.

IN-Dienste bieten derzeit in Deutschland alle größeren Telefongesellschaften, wie beispielsweise Deutsche Telekom AG, Mannesmann Arcor oder Viag Interkom, an.

Kommunikation beim Dienst 0800

Das Beispiel des Dienstes 0800 soll die Arbeitsweise eines IN-Systems aufzeigen. Die Firma X betreibt mehrere regionale Servicecenter, welche über eine einheitliche 0800-Rufnummer erreichbar sind. Die Kundenanfragen sollen, basierend auf dem Wohnort des Kunden, an das nächstgelegene regionale Servicecenter vermittelt werden. Die regionalen Center haben eine lokale Rufnummer. Nachfolgend wird der zeitliche Ablauf eines IN-Dienstes beschrieben. Die Signalisierung läuft dabei in Sekundenbruchteilen ab, so daß der komplexe Vorgang für den Teilnehmer nicht transparent wird.

- Teilnehmer A wählt eine 0800-Nummer, um den Kundendienst der Firma X zu erreichen.

- Der "Service Switching Point" (SSP) erkennt anhand der Telefonnummer, daß es sich hierbei um einen IN-Dienst handelt. Der SSP unterbricht den Verbindungsaufbau und stellt eine Anfrage an den "Service Control Point" (SCP), wie mit dem Verbindungswunsch zu verfahren ist.

- Der SSP übergibt dem SCP dabei eine Reihe von Parametern (angewählte Telefonnummer, Telefonnummer des Anrufers et cetera).

- Die Anfrage des SSP wird mit Hilfe der "Signalling Transfer Points" (STP) durch das Signalisierungsnetzwerk zum SCP transportiert.

- Der SCP erhält die übermittelten Daten. Aus der angewählten Telefonnummer erkennt er die gewünschte Firma. Anhand der Datenbankeinträge läßt sich feststellen, daß sich hinter der logischen 0800-Servicenummer mehrere regionale Servicecenter befinden. Mit Hilfe der Ortskennzahl des Anrufers kann der SCP nun das für den Kunden nächstgelegene Kundencenter ermitteln. Der SCP gibt danach die Telefonnummer des regionalen Centers an den SSP zurück.

- Abschließend stellt der SSP für den Kunden eine Sprachverbindung zum regionalen Servicecenter her.

Die beteiligten Komponenten kommunizieren untereinander mit Hilfe des Core-INAP-Protokolls (Intelligent Network Application Part), das vom European Telecommunications Standards Institute (ETSI) verabschiedet wurde.

Der zuvor beschriebene 0800-Dienst bietet für Kunden der Firma X den Vorteil, daß ein aufwendiges Suchen des nächstgelegenen Servicecenters entfällt. Auch für den Anbieter einer 0800-Nummer ergeben sich eine Reihe von Vorteilen. So ist ein Ein- und Ausgliedern von regionalen Kundencentern einfach möglich, ohne daß dieses für den Endkunden transparent wird. Weiterhin lassen sich in Zeiten mit geringeren Kundenanfragen die Anrufe an ein zentrales Kundencenter vermitteln. Der Wert des Dienstes läßt sich für den Anbieter der 0800 Rufnummer weiter steigern, indem man ihm die Möglichkeit einräumt, den IN-Service auf seine persönlichen Bedürfnisse zu optimieren.

Übertragung der IN-Technik auf IP-Netze

Will man die Funktionen von derzeitigen IN-Systemen auf die IP-Telefonie abbilden, kann man zwei unterschiedliche Ansätze verfolgen:

- Einbindung der Internet-Telefonieanwender in die vorhandenen IN-Systeme;

- Nachbildung der Signalisierung des ISDN- und IN-Netzwerkes auf Internet-Diensten.

Im Fall der Einbindung der IP-Telefonie in vorhandene IN-Systeme werden Internet-fähige Endgeräte mit dem Telefonnetzwerk verbunden, damit diese auf die Dienste des IN-Systems zugreifen können. Gateways setzen dabei die unterschiedlichen Transportprotokolle um. Die Telefongesellschaften haben die Möglichkeit, Telefonie-Gateways auf zwei unterschiedliche Arten an das Telefonnetzwerk anzuschließen.

Beim Anschluß als Netzbetreiber kommunizieren die Gateways direkt über das SS7-Protokoll (Signalling System 7) mit den Vermittlungsstellen. Die Gateways werden somit vollständig in das Telefonnetzwerk integriert.

Im Falle des Anschlusses als Teilnehmer verhält sich das Gateway gegenüber dem Telefonnetzwerk als herkömmliches Telefon. Die Kommunikation zu den Vermittlungsstellen des ISDN-Netzwerkes geschieht über Q.921/Q.931 für den Transport der Signalisierung sowie G.711 für die Übermittlung der Sprache. Auf Seiten der Internet-Telefonie wird TCP/IP als gemeinsames Transportprotokoll für Sprache und Signalisierung verwendet.

Als weitere Aufgabe regeln die Gateways den Übergang zwischen paketorientiertem Datenstrom im IP-Netzwerk und kontinuierlichem Datenstrom im ISDN-Netz. Ein Gateway realisiert dieses mit Hilfe des "Realtime Transfer Protocols" (RTP). RTP schafft hierbei eine Optimierung zwischen den im Widerspruch stehenden Anforderungen nach kurzer Signallaufzeit und der hohen Ausnutzung der vorhandenen Netzwerkressourcen bei IP-Netzwerken. Internet-Gateways entwickeln unter anderem die Hersteller IBM, Lucent, Nortel Networks und Siemens.

Bei dem zweiten Ansatz, die gesamte Signalisierung des ISDN- und IN-Netzwerkes auf Internet-Diensten nachzubilden, müssen die Telekommunikationsgesellschaften komplett neue Netze aufbauen. Internet-Gateways haben in diesem Szenario die Aufgabe, die beim Kunden schon vorhandenen Endgeräte wie Telefon oder Faxgerät mit dem IP-Netzwerk zu verbinden. Zur Umsetzung dieser Architektur entwickeln Firmen wie Telcordia Technologies (www.telcordia.com, früher bekannt als Bellcore) zentrale Steuereinheiten, vergleichbar dem SCP im IN-Netzwerk. Diese Zentrale übernimmt die Steuerung der einzelnen Gateways. Ziel ist es, für die Kommunikation zwischen Zentrale und Gateway einen gemeinsamen Internet-Standard zu schaffen. Dieser erlaubt es den Netzwerkbetreibern, Gateways unterschiedlicher Anbieter ins Netzwerk einzubinden. Als erster Ansatz für diesen Standard soll der Internet-Draft für das "Media Gateway Control Protocol" (MGCP) dienen.

Welchen der beiden Ansätze die jeweilige Telefongesellschaft für die Einführung von Komfortmerkmalen auswählt, hängt maßgeblich von ihrer Marktpräsenz sowie dem anvisierten Marktsegment ab. In Europa werden Sprachdienste bisher fast ausschließlich auf Grundlage der traditionellen Telefonnetze angeboten. Die etablierten Telefongesellschaften haben bereits hohe Investitionen in Intellignte Netze getätigt. Daher gilt hier der erste Lösungsansatz - nämlich die Einbindung der IP-Telefone in vorhandene IN-Systeme - als der näherliegendere und pragmatischere Weg.

Anders sieht es in den USA aus. Hier wollen sich die Telefongesellschaften nicht auf das Angebot von bekannten IN-Diensten beschränken. Durch eine reine IP-Infrastruktur lassen sich auch neue bisher unbekannte Dienste einführen. Zusätzlich wird diese Technik, durch die teilweise großen geographischen Entfernungen, gegenüber dem Tarifmodell konventioneller Anbieter wirtschaftlich. Telefongesellschaften wie Level 3 Communications (www.level3.com) und Qwest (www.qwest.com) haben bereits damit begonnen, sämtliche Telekommunikationsdienste über ein einheitliches IP-Netzwerk anzubieten. (gob)