Gegen den Fachkräftemangel

Mehr Chancen für Frauen und ältere Fachkräfte

10.10.2011
Am Fachkräftemangel scheiden sich die Geister. Die Unternehmen beklagen ihn, die ITK-Branche sogar besonders. Laut aktuellem Stimmungsindex des Branchenverbands Bitkom leiden 60 Prozent der IT-Firmen darunter, dass es zu wenige Informatiker gibt.

Damit die Not nicht zu groß wird, empfehlen Gewerkschaften und Wissenschaftler, Älteren und Frauen bessere Chancen zu geben. Auf der anderen Seite zweifeln Gewerkschaften und Wissenschaftler daran, ob der Mangel wirklich so akut ist, wie ihn die Industrie darstellt.

IG Metall-Chef Berthold Huber meint: " Firmen sollten mehr Ausbildungsplätze gegen den Fachkräftemangel schaffen."
Foto: IG Metall

IG-Metall-Chef Berthold Huber machte auf der Global-Engineering-Konferenz in Essen auf angebliche Widersprüche aufmerksam: "Nach dem marktwirtschaftlichen Prinzip müssten eine steigende Nachfrage und ein sinkendes Angebot zu höheren Preisen führen, aber bei Ingenieuren und IT-Spezialisten stiegen die Einkommen unterdurchschnittlich", so Huber. Laut Gehaltsstudie der IG Metall seien die IT-Gehälter von 2010 auf 2011 nur um 1,5 Prozent gewachsen.

Noch im Juli 2011 waren dem Gewerkschafter zufolge immer noch über 10.000 Ingenieure und Techniker arbeitslos gemeldet. Huber konzedierte, dass es in manchen Regionen und Berufen einen gewissen Mangel an Fachkräften gebe, aber eben nicht flächendeckend. Vor allem große Unternehmen wie Siemens oder Audi erhielten reichlich Bewerbungen von Ingenieuren. Die Forderung des Bitkom, die Zuwanderung von Fachkräften aus dem nichteuropäischen Ausland zu fördern und das Mindesteinkommen für die ausländischen IT-Profis von 66.000 auf 40.000 Euro zu senken, lehnt die IG Metall ab. Dazu Huber: "Die Arbeit wird nicht besser, wenn die Leute weniger verdienen." Die Engpässe auf dem IT-Arbeitsmarkt lassen sich nach Hubers Ansicht auch anders beheben: Zum einen sollten Unternehmen mehr Ausbildungsplätze schaffen und die eigenen Mitarbeiter weiterqualifizieren. Zum anderen sollten sie älteren und erwerbslosen IT-Spezialisten, aber auch Frauen bessere Chancen bieten.

Kein Mangel an Akademikern

Karl Brenke, DIW: "Ältere sollten qualifiziert und vor allem motiviert werden, bevor sie in die innere Migration abwandern!"
Foto: Privat

Dass sich mit solchen Maßnahmen der Fachkräftemangel abmildern ließe, glaubt auch der Wissenschaftler Karl Brenke vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin: "Der demografische Wandel ist schon seit dem Jahr 2000 im Gange. Seitdem ist die Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter um 1,7 Millionen geschrumpft." An Rechnungen, wonach im Jahr 2020 sogar drei Millionen Erwerbsfähige fehlen, glaubt der Wissenschaftler indes nicht. In den vergangenen Jahren habe sich die Statistik deutlich verändert.

So arbeiteten heute mehr Frauen als früher, und auch der Anteil der Erwerbstätigen im Alter von über 55 Jahren sei gestiegen. "Je höher die Bildung, desto länger bleiben diese Personen dem Arbeitsmarkt erhalten", sagt Brenke. Setze sich diese Entwicklung fort, könne nach seiner Berechnung bis 2020 die Erwerbsbevölkerung nur um 1,2 Millionen schrumpfen. Daran müssten Staat und Wirtschaft aber noch arbeiten. "Ältere sollten qualifiziert und vor allem auch motiviert werden. Man darf 50-Jährigen nicht das Gefühl vermitteln, dass sie nicht mehr gebraucht werden. Sonst verabschieden sie sich in die innere Migration", warnt Brenke. Außerdem müsse in Kinderbetreuung und Aufstiegschancen von Frauen investiert werden. Einen Mangel an Akademikern erwartet der Forscher in naher Zukunft nicht. Seit 2008 nehme die Zahl der Studenten in Deutschland kontinuierlich zu. Das gelte auch für die technisch-naturwissenschaftlichen Fächer. (Computerwoche/cvi)