Führung

MBA für Informatiker

11.12.2014 von Axel Gloger
Steigen Fachexperten in eine Position mit Personalverantwortung auf, eignen sie sich fehlendes Führungswissen oft autodidaktisch an. Manche kehren aber auch an die Hochschule zurück, um dort einen Master of Business Administration zu absolvieren.

Viele Jahre ist Uwe Kubach Forscher, sein Weg in dieser Disziplin beginnt direkt nach dem Informatikstudium. Im Jahr 1998 hat er den Abschluss in der Tasche, anschließend wird er an seiner Alma Mater wissenschaftlicher Mitarbeiter. Ziel: Promotion in Informatik. Vier Jahre später geht es mit dem Doktortitel in der Tasche zu SAP. "Ich war dort zunächst ebenfalls in der Forschung tätig", sagt Kubach, Qualifikation und Spezialisierung passten. Bald jedoch erweiterte sich sein Aufgabenfeld. "Wir haben Entwicklungsaufgaben beim Kunden geleistet", sagt Kubach - und er spürte damals, dass er eine Aufrüstung seines Wissens gut gebrauchen könnte, um mit den Kunden auf Augenhöhe zu sprechen. "Es ging viel um betriebswirtschaftliche Fragen", beschreibt er den Wandel.

MBA als Vorbereitung auf Führungsaufgabe

Um sich für diese Anforderungen fit zu machen, wählt er den Weg zurück an die Universität. Er schaut sich Weiterbildungsprogramme an, entscheidet sich für den Master of Business Administration (MBA) an der Universität Mannheim. Dieser zweijährige Studiengang kann berufsbegleitend absolviert werden. "Ich habe manchen Freitag und viele Wochenenden eingebracht", beschreibt er den wesentlichen Einsatz, der sich gut mit seinen wachsenden Aufgaben bei SAP verbinden ließ. Heute hat Kubach eine Führungsposition im Softwarekonzern, er ist als Vice President verantwortlich für eine technische Plattform, die das Internet der Dinge zugänglich machen wird.

Viele MBA-Programme können berufsbegleitend absolviert werden. Das ist zwar anstrengend, aber oft auch karrierefördernd.
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Sein Schritt war folgerichtig, die Kombination aus Diplomstudium und MBA ebnete ihm den Weg in seine jetzige Position. Der Abschluss in Informatik stärkt seine Absolventen in der Kernkompetenz, mit der deutsche Unternehmen auf den Weltmärkten glänzen: Das "Made in Germany" steht für allseits bewunderte industrielle Leistungen mit einer starken Verankerung in der IT. "Technische Expertise ist deshalb in vielen Unternehmen Voraussetzung für eine Aufstiegsposition", sagt Winfried Weber, Professor an der Hochschule Mannheim und persönlicher Berater von Top-Führungsleuten aus der Industrie.

Auf die Aufgaben als Führungskraft bereitet dann das MBA-Studium vor. "Hier gibt es von Rechnungswesen über Marketing bis zu Teambuilding das nötige Wissen", sagt Weber. Seine Erfahrung: Besonders für Aufstiegswillige in Konzernen sei es hilfreich für den Weg nach oben, wenn sie eine formale Qualifikation wie den MBA nachweisen können. Das technisch-naturwissenschafltiche Studium allein liefere zu wenig Wissen jenseits dieses Fachgebiets. Wenn etwa ein Diplom-Informatiker zum IT- oder Fertigungsleiter aufsteigt und von einem Tag auf den anderen Personal- und Zielverantwortung bekommt, ist er gut beraten, sich mit dem nötigen Rüstzeug zu versorgen.

Vom Kollegen zum Chef

Claudia Peus kennt solche Situationen. Sie ist Professorin an der TU München und verantwortlich für den Executive MBA; immer wieder hört sie von Teilnehmern Äußerungen wie diese: "Plötzlich musste ich ein Team führen, Mitarbeiter motivieren, Projekte länderübergreifend managen. Gelernt habe ich das eigentlich nicht." Solche Einschätzungen seien typisch für Informatiker, Ingenieure und Naturwissenschaftler, die in einer Führungsposition landen. Ihnen fehlt das Handwerkszeug für den Alltag im Management - und zwar nicht nur für den richtigen Umgang mit den weichen Faktoren, sondern auch auf der wirtschaftlichen Seite. "Kosten kalkulieren, Marketingmittel planen, Business-Pläne durchrechnen und managen, all das lernt man nicht im Informatikstudium", sagt Klaus Christians, Personalberater bei Corporate Management Recruiting (CMR) in München und Experte für Führungslaufbahnen, "da stoßen die IT-Experten schnell an ihre Grenzen."

Prof. Winfried Weber, Hochschule Mannheim, meint: "Werden Informatiker in Führungspositionen befördert und müssen Personalverantwortung übernehmen, lernen sie das oft erst hemdsärmelig in der Praxis."
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Der übliche Weg, diese zu überwinden, führt freilich nicht direkt in einen Kurs an der Business School. Typisch ist eher ein pragmatischer Ansatz: "Da wird ein hemdsärmeliger Weg gewählt. Die Leute lernen das nach und nach in der Praxis", berichtet Professor Weber, wie mancher seiner Klienten im Coaching mit der neuen Herausforderung umging. "Man orientiert sich an dem, was die anderen Führungskräfte tun, schaut sich bei den Erfahrenen ein paar Techniken ab - und abends wird vielleicht das Fachbuch ,Planung und Budgetierung für Praktiker' zur Hand genommen."

Autodidakten im Mittelstand

Auch damit kann man weiterkommen. "Der Mittelstand ist das Zuhause der Karrieren, die durch autodidaktisches Lernen ermöglicht wurden", berichtet der Mannheimer Hochschullehrer. Beispiel: Frank Ohle etwa war viele Jahre als CEO des Verpackungsspezialisten STI Group tätig. Eine Führungsausbildung an der Universität durchlief der gelernte Diplom-Physiker dafür nicht. Erfolgreich war er in seiner Aufgabe dennoch. Auch viele andere Karrieren liefern den Beleg dafür, dass der Weg des Do-it-yourself-Lernens für die Chefaufgabe funktioniert.

Dennoch hat der Master-Kurs an der Kaderschmiede einige Vorteile. "Viele Teilnehmer gehen sehr gezielt in das MBA-Studium", berichtet Professorin Claudia Peus, "sie sind an einem Punkt ihres Berufsweges angelangt, wo sie sich sagen: Ich will noch einmal nachladen." Sie suchen den Zugang zu komprimiertem und praxistauglichem Hochschulwissen - und sie wollen sichergehen, dass sie auch auf jenen Gebieten lernen, an die sie gar nicht gedacht haben.

Ein Beispiel dafür nennt Personalberater Christians. "Informatiker sind stark in den Kernthemen ihres Fachs. Aber häufig fehlt es an belastbaren Englischkenntnissen und einem einigermaßen sicheren Umgang auf dem internationalen Parkett." Das im Job durch Versuch und Irrtum zu lernen sei keine gute Idee, weil es lange dauern und in Sackgassen führen kann.

Knigge
Anrede
Die Anrede mit Vornamen ist im angelsächsischen Raum Usus – im privaten Bereich wie im Geschäftsleben. Für Deutsche ist das zuweilen ungewohnt, vor allem, wenn es sich um Vorgesetzte handelt. „Auch wenn man den Gesprächspartner zum ersten Mal im Leben sieht beziehungsweise per Mail kontaktiert, fällt einem das ‚Du‘ anfangs nicht so leicht“, so LevensErfahrung. Mittlerweile weiß er die informelle Anrede zu schätzen: „Das macht es einfach leichter, persönliche Beziehungen aufzubauen.“ Weil es für die internationale Zusammenarbeit einfacher ist, hat man bei BT auch in Deutschland die Regel eingeführt, dass die Mitarbeiter sich mit Vornamen ansprechen – unabhängig von Hierarchiestufe und Funktion.
Begrüßung
Die Beziehungsebene ist für die Briten grundsätzlich sehr wichtig. Sie eröffnen das Gespräch daher gern mit einer positiven, persönlichen Aussage – etwa zur Kleidung: „I like your scarf“ (Dein Halstuch gefällt mir). Deutsche dagegen verzichten im Berufsleben meist auf solche Nettigkeiten. „Oder sie nehmen den Schal des Gegenübers zum Anlass, über die Kälte zu klagen“, beschreibt Leven den Unterschied. Bei der Begrüßung wird im angelsächsischen Raum häufig die Frage „How are you?“ gestellt. Darauf antwortet man, wenn überhaupt, nur mit einer positiven Antwort („Very well, thank you“) oder mit der Gegenfrage „How are you?“. Nicht angebracht ist es jedenfalls, ausführlich Auskunft über das eigene Befinden zu geben.
Small Talk
Small Talk spielt generell eine wesentlich wichtigere Rolle als hierzulande. „Die Deutschen kommen ja recht schnell zum Punkt. Die Briten dagegen reden erst einmal übers Wetter oder stellen Fragen nach der Familie, bevor sie sich dem Beruflichen widmen“, so Leven. Die deutsche Art wirke daher auf die Briten zuweilen etwas schroff. Man dürfe die persönliche Art der Briten aber auch nicht überbewerten, räumt Leven ein. Die sei zwar angenehm, aber in der Regel unverbindlich: „Echte Freundschaften brauchen wie in Deutschland auch ihre Zeit.“
Sprache
Selbst wer ein gutes Schulenglisch spricht, ist nicht vor Verständigungsproblemen gefeit. Neben Schottisch und Irisch begegnen einem im Berufsleben auch diverse Akzente – etwa aus den USA oder Indien. „Damit habe ich mich am Anfang ganz schön schwer getan“, erinnert sich Leven. Gewöhnungsbedürftig seien zudem die mentalitätsbedingten Unterschiede in der Kommunikation: „Schwierig wird es vor allem bei Themen, bei denen es auf die diplomatischen Feinheiten ankommt – etwa bei Verhandlungen oder in Mitarbeitergesprächen. Auch nach sechs Jahren in London ist es für mich noch eine Herausforderung, immer den richtigen Ton zu treffen.“
Höflichkeit
Bekannt sind die Briten für ihre ausgeprägte Höflichkeit. Das gilt nicht nur für die viel zitierte Warteschlange am Bus. Auch mit Skepsis hält man sich zurück, Negatives wird weniger direkt formuliert oder eben nett verpackt. Daher wirkt die unverblümte deutsche Art, Kritik zu äußern, auf die Briten etwas rüde. Wer auf Risiken hinweist und eine neue Idee erst einmal skeptisch von allen Seiten beleuchtet, gilt bei den begeisterungsfähigen Briten schnell als Bedenkenträger. Für sie ist es vor allem wichtig, Lob und Anerkennung zu äußern. „Wer Personalverantwortung trägt, muss das unbedingt berücksichtigen, um die Mitarbeiter nicht zu demotivieren“, weiß Leven aus Erfahrung.
Arbeitsweise
Ebenfalls unterschiedlich ist die Herangehensweise an Aufgaben und Projekte: Die typisch deutsche strukturierte und strategische Arbeitsweise ist auf der Insel weniger üblich. „Die Briten sind sehr spontan, hier kommt es mehr darauf an, zum Beispiel kurzfristig das Ergebnis zu verbessern“, erläutert Bernd Leven. Das hat ein Für und Wider: „Beim Launch neuer Produkte ist dieses Vorgehen durchaus vorteilhaft, weil man Marktnischen schneller besetzen kann“, erklärt er. Für andere Bereiche würde er sich manchmal eine langfristigere Planung wünschen. Auch was Perfektionsansprüche angeht, sind die Briten nach seiner Beobachtung pragmatischer: „Man wägt eher ab, ob sich ein bestimmter Aufwand lohnt, oder ob nicht 80 Prozent auch mal genug sind.“
Humor
Trocken, ironisch, doppeldeutig, manchmal auch makaber bis geschmacklos: Der „schwarze“ Humor der Briten ist legendär. Bei bestimmten Themen verstehen sie allerdings keinen Spaß. So sollte man sich hüten, sich über britische Traditionen oder das Königshaus lustig zu machen. „Auch das Zitieren bestimmter Klischees – etwa das angeblich schlechte Essen – kommt gar nicht gut an“, warnt Leven.
Dresscode
Krawatten und Jacketts sind in vielen britischen Büros nur bei Präsentationen vor Kunden oder offiziellen Anlässen zu sehen. Bei BT trägt sogar der Vorstand oft nur ein Hemd – allerdings mit Manschettenknöpfen. „Der lockere Kleidungsstil sorgt nicht nur für mehr Bequemlichkeit am Arbeitsplatz. Er trägt auch dazu bei, Barrieren zwischen Führungskräften und Angestellten abzubauen“, erläutert Leven. Bei festlichen Abendveranstaltungen herrscht dagegen ein für deutsche Verhältnisse recht strenger Dresscode, zumindest, wenn „Black Tie“ oder „Dinner Jacket“ in der Einladung steht: „Ein Abendkleid beziehungsweise einen Smoking sollte man schon im Schrank haben.“
Lunch
Ein gemeinsames Mittagessen mit den Kollegen hat in Großbritannien keinen hohen Stellenwert. Man kauft sich ein Sandwich, lässt sich etwas liefern oder bringt sich ein Lunchpaket von zuhause mit. Verspeist wird der Imbiss bei gutem Wetter draußen auf einer Bank – oder im Büro, oft sogar am Arbeitsplatz. So richtig gewöhnt hat sich Bernd Leven daran bis heute nicht: „Bei meinem früheren Job in Stuttgart sind wir mittags immer alle zusammen Essen gegangen. Diesen täglichen Austausch mit den Kollegen vermisse ich hier schon manchmal.“
Gemeinsame Aktivitäten
Die Kollegen gehen dafür nach der Arbeit gerne gemeinsam in den Pub. Wichtig zu wissen: Nicht jeder einzelne zahlt sein Getränk, sondern jeder gibt nacheinander eine Runde aus, die an der Theke geholt wird. Das typisch deutsche Getrenntzahlen ist in England generell nicht üblich: Auch beim gemeinsamen Abendessen wird die Rechnung oft durch die Zahl der Anwesenden geteilt – egal was der Einzelne konsumiert hat.
Dr. Bernd Leven
...ist als Leiter Energiemanagement bei der BT Group im Bereich Technology Services & Operations für die weltweite Verwaltung des Energiebudgets, Energieeffizienz sowie für die entsprechenden IT-Systeme und die Gebäude-Leittechnik zuständig.

MBA im Ausland

In einem Business-Studium hingegen würden diese Themengebiete als Teil des schulmäßig aufbereiteten Gesamtpaketes mitgeliefert. Ein MBA-Studium an einer englischsprachigen Ausbildungsstätte, möglichst im Ausland, sei empfehlenswert. Durch den Drill der ständigen Gruppenarbeit, die Diskussionen über Fallstudien und die internationale Zusammensetzung der MBA-Klassen würde man dort sehr schnell lernen - etwa Kommilitonen zu überzeugen, die den eigenen Kulturkreis nicht kennen. "An einer guten Business School kann man Erfahrungen sammeln, an die man im Unternehmensalltag gar nicht herankommt", sagt der Münchner Karriereexperte.

Für Uwe Kubach erwies sich der MBA als der richtige Schritt. Mit den komplexer werdenden Aufgaben beim Kunden war er gefordert: "Pilotprojekte gestalten, Geschäftsprozesse verstehen, Potenziale für die Optimierung der Kosten erschließen", beschreibt er einige typische Aufgaben, die mit reinem Informatikerwissen nicht mehr zu bestreiten waren. Das dafür nötige Wissen konnte er während des MBA-Studiums erwerben. "Heute ist es für mich kein Problem mehr, die Prozesse beim Kunden zu verstehen und zu erkennen, was dahintersteht."

Zudem hat ihm das Business-Studium viel für die Führungsarbeit gebracht. Er ist verantwortlich für ein Team von 60 bis 80 Mitarbeitern, als Chef plant und budgetiert er und nutzt dabei das in den beiden Mannheimer Jahren erworbene BWL-Wissen. Auch heute, fünf Jahre nach Abschluss seines MBA-Studiums, schätzt er seinen hohen beruflichen Nutzen: "Ich habe ein sicheres, tiefes Verständnis für alle wirtschaftlichen Aspekte meiner Arbeit gewonnen."

Steckbrief: Master of Business Administration (MBA)

  1. Ein- bis zweijähriges Aufbaustudium.

  2. Inhalte: alle betriebswirtschaftlichen Kernthemen, überdies Vermittlung von Führungskompetenzen, starker Praxisbezug, Lehrmaterial häufig Fallstudien.

  3. Wird an Universitäten und Fachhochschulen in Deutschland und europaweit an vielen Universitäten angeboten, überdies breites Angebot in den USA.

  4. Der MBA kann als Vollzeitstudium (Dauer: ein bis zwei Jahre, je nach Anbieter) oder berufsbegleitend absolviert werden. Ein englischsprachiges MBA-Studium ist empfehlenswert.

  5. Als Karrierebeschleuniger gelten vor allem die MBA-Studiengänge an den international bekannten Business Schools, die in den Rankings von "Economist", "Financial Times" und "Business Week" die ersten 25 Plätze belegen.