Microsoft Exchange und Lotus Notes / Domino

Mail-Datenbanken richtig migrieren

30.11.2009 von Dr. Nikolaus Krasser
Administratoren stehen heute häufig heterogenen Mail-Lösungen gegenüber. Bei Umstrukturierungen ist dann meist eine Vereinheitlichung gefordert. Verschiedene Mail-Datenbanken - etwa aus Microsoft Exchange oder Lotus Notes/Domino - auf ein System zu migrieren ist eine echte Herausforderung.

Bei Umstrukturierungen oder Übernahmen gehört die Migration der Mail-Datenbanken zu den kniffligen Aufgaben für IT-Administratoren. Der Aufwand einer Migration ist unter Umständen sehr hoch: Die Mail-Datenbanken von oft mehreren tausend Benutzern müssen auf das neue System gehoben werden, inklusive Zusatzfunktionen wie Adressen oder Kalenderfunktionen. Eventuell ist es sogar notwendig, das Archiv zu migrieren. Im Vergleich dazu ist der Nutzen nur gering. Der User arbeitet vorher mit einem funktionierenden Mail-System und nach der Umstellung ebenso. Hinzu kommt das Akzeptanzproblem: Die Mitarbeiter müssen sich umgewöhnen, ohne einen direkten Mehrwert zu erkennen.

Projektplanung als Erfolgsrezept

Das Spannungsfeld zwischen Aufwand und Nutzen kann mit einer umfassenden und gut aufgesetzten Planung aufgelöst werden. Um den Überblick über das „große Ganze“ nicht zu verlieren, sollte das Projekt in einem ersten Schritt in verschiedene Phasen eingeteilt werden, in denen Abläufe, Termine und Zuständigkeiten genau festgelegt werden.

Riesige Datenmengen, wenig Zeit: Nur eine umfassende Planung garantiert reibungslosen Transfer. (Quelle: Pentos AG)
Foto: Pentos AG

In einem Workshop lässt sich dann die aktuelle Ist-Situation definieren: Dabei geht es vor allem um eine Bestandsaufnahme der oftmals über Jahre gewachsenen Infrastruktur. Idealerweise kommen im Rahmen dieser Analysephase Optimierungspotenziale ans Licht, die die Arbeit künftig erleichtern. Im Einzelfall macht als Zwischenschritt vor der eigentlichen Migration sogar ein Upgrade Sinn. Neben der Software spielt in dieser ersten Phase auch die Hardware eine Rolle. Schließlich müssen die Ressourcen für das neue System ausreichen. Das notwendige Know-how und den „Blick von außen“ können externe Systemberater liefern, deren Unterstützung vor allem im Rahmen der Analyse sinnvoll sein kann. Schließlich wird in diesem Workshop die Grundlage für alle weiteren Entscheidungen gelegt – allen voran die Wahl der richtigen Migrationsvariante. Was es bei der Archivierung von E-Mails zu beachten gilt, verrät Ihnen der Beitrag E-Mail-Archivierung: Anforderungen und Lösungen. Was das neue Datenschutzgesetz so mit sich bringt, erfahren Sie in dem Artikel Neues Datenschutzgesetz zwingt Unternehmen zum Handeln.

Kalte Migration oder Koexistenz?

Sobald Klarheit über die unternehmensspezifischen Anforderungen herrscht, kann entschieden werden, welche Art der Migration am sinnvollsten ist. So kann es vor allem bei Unternehmenszusammenschlüssen vorkommen, dass zwei Mail-Systeme parallel nebeneinander laufen. Im Rahmen dieser Koexistenz wird das künftig nicht mehr betriebene System nicht sofort abgeschaltet, sondern steht für eine Übergangszeit noch als Archiv zur Verfügung. Für neue Vorgänge wird ab einem bestimmten Stichtag ausschließlich das neue System benutzt. Durch die Koexistenz verwenden die Nutzer in dieser Zeit zwei Systeme parallel, was dazu führen kann, dass die Benutzerzufriedenheit sinkt. Dazu kommt, dass die „Altdaten“ nicht automatisch übernommen werden und daher möglicherweise von den Anwendern per „copy & paste“ manuell übertragen werden. Dass dadurch ein hoher Aufwand bei jedem einzelnen Mitarbeiter entsteht, liegt auf der Hand.

Das genaue Gegenteil einer Koexistenz ist die sogenannte „kalte Migration“. Dabei wird das alte System unmittelbar durch ein neues ersetzt. Da auch hier keine Daten übernommen werden, müssen die Benutzer ihre alten Daten auf Datenträgern speichern, um weiterhin darauf zugreifen zu können. Der Vorteil liegt in der technisch sehr einfachen Umsetzung, was diese Variante auch sehr kostengünstig macht. Für die Anwender ist die kalte Migration allerdings weniger komfortabel: Sie müssen sich von heute auf morgen auf ein neues System einstellen. Gleichzeitig ist der Zugriff auf alte Daten eher umständlich.

Die „richtige“ Migration

Sowohl bei der Koexistenz als auch bei der kalten Migration handelt es sich nicht um eine Migration im engeren Sinn. In beiden Fällen werden keine Altdaten übernommen, was die eigentliche Herausforderung ist. So werden bei einer Teilmigration die Adressen und Kalendereinträge automatisiert übernommen und stehen vom ersten Tag an auch im neuen System zur Verfügung. Die Komplett-Migration geht sogar noch einen Schritt weiter: Hier werden alle Daten, von E-Mails bis zu Aufgaben, migriert. Die Vorteile sind klar: Der manuelle Aufwand, um Daten in das neue System zu übernehmen, entfällt. Mitarbeiter müssen nicht lange im Archiv suchen, sondern haben die benötigten Informationen direkt vorliegen. Das Ergebnis ist eine hohe Benutzerzufriedenheit, die sich wiederum positiv auf die Akzeptanz der neuen Software auswirkt.

Ob Teil- oder Komplettmigration, eine erfolgreiche Umsetzung ist nur mithilfe eines Migrations-Tools möglich, das die alten Daten automatisiert in das neue System übernimmt. Die Firmen Quest und Binary Tree bieten Lösungen, die beispielsweise Kalendereinträge automatisch migrieren lassen. Gut beraten ist, wer sehr sorgfältig die verschiedenen Tools bewertet und auf Basis der individuellen Ansprüche entscheidet. Das kostet Zeit und Geld – schließlich fallen zusätzlich Lizenzgebühren an. Grundsätzlich ist die Durchführung einer „richtigen“ Migration teurer und aufwendiger als die Koexistenz oder die kalte Migration. Dafür ist im Nachhinein die Arbeit leichter und zeitsparender.

Das Problem liegt im Detail

Auch wenn sich ein Unternehmen entscheidet, in ein Migrations-Tool zu investieren: Stolperfallen, die den Erfolg des Projektes gefährden, können nicht ganz aus dem Weg geräumt werden. Dazu gehört beispielsweise die Größenlimitierung: Wenn im alten System keine Quotas vorgesehen waren, diese aber im neuen System vorgegeben sein sollen, könnte das ein Problem sein. Auch Zugriffsberechtigungen und Stellvertreterregelungen sind eine typische Fehlerquelle. Alle drei Aspekte sollten bereits in der Analysephase berücksichtigt werden. Einmal definiert, werden diese Einstellungen dann durch das Migrations-Tool automatisiert übernommen.

Probleme gibt es eventuell auch mit verschlüsselten E-Mails und, je nach Archivierungskonzept, auch mit dem Archivssystem. Im günstigsten Fall ist das neue Archivsystem mit dem alten kompatibel. Aber auch dann muss das Mapping klappen, also die Übernahme der Daten vom alten User-Account und der alten Mailbox auf den neuen User-Account und die neue Mailbox. Dabei ist unter Umständen auch der Archivhersteller gefragt. Verschlüsselte Mails müssen vor der Migration entschlüsselt und danach wieder verschlüsselt werden. Maschinell ist dies nur dann möglich, wenn die Schlüssel zentral hinterlegt sind. Ansonsten ist die Mitarbeit der einzelnen „Schlüssel-Besitzer“ notwendig.

Bei der Umstellung der Mailingkomponente von Lotus Notes / Domino auf Microsoft Exchange gilt es, eine weitere Herausforderung zu beachten. In Lotus Notes sind Nachrichten häufig mit Prozessen hinterlegt. Es muss also genau geprüft werden, welche Anwendungen und welcher Workflow mit dem Mail-System verbunden sind. In der Regel sind auch viele kollaborative Anwendungen im Unternehmen, die Mailing-Funktionalitäten nutzen, anzupassen.

Auch bei einigen Kalenderfunktionen gibt es Unterschiede zwischen Microsoft Exchange und Lotus Notes zu berücksichtigen. So beispielsweise bei wiederkehrenden Terminen wie Geburtstagen. Oftmals werden diese Daten gar nicht oder nur teilweise übernommen – hier ist eine genaue Prüfung erforderlich.

Eine reibungslose technische Umstellung ist sicherlich ein elementarer Erfolgfaktor, damit die Benutzer das neue System schnell akzeptieren. Gleichzeitig werden die Mitarbeiter rechtzeitig über die geplante Umstellung informiert, um zu verstehen, warum eine Migration – und damit das Arbeiten mit einem neuen System – notwendig ist. Frühzeitig informiert werden sollte auch über die Art der Durchführung, den Zeitpunkt und mögliche Auswirkungen.

Neben einem transparenten Kommunikationskonzept helfen Schulungsmaßnahmen, die Akzeptanz der neuen Lösung zu steigern. Mitarbeiter verlieren so ihre Angst vor dem Umgang mit der neuen Software und können sich rechtzeitig daran gewöhnen. Trainings stellen außerdem sicher, dass das System vom Start weg in all seinen Funktionalitäten produktiv genutzt wird.

Der Trend heißt „Cloud Computing“

Von der Analysephase über die Auswahl des richtigen Migrations-Tools bis hin zu einem Kommunikationskonzept, das die Akzeptanz bei den Anwendern steigern soll: Der Aufwand einer Migration ist sehr groß. Dabei lassen sich mit einem funktionierenden Mail-System heute keine Wettbewerbsvorteile mehr erzielen. Vielmehr verlagert sich die Wertschöpfungskette in den kollaborativen Bereich, wo sich Unternehmen noch von der Konkurrenz absetzen können.

Software aus der Wolke: Analysten sehen im Cloud Computing das Potenzial, Geschäftsprozesse grundlegend zu verändern. (Pentos AG)
Foto: Pentos AG

Kein Wunder also, dass der Trend auch im Mail-Bereich zum Cloud Computing geht. Die Services werden aus der Steckdose geliefert – der Wartungs- und Installationsaufwand entfällt. In den USA haben sich die Angebote bereits etabliert, in Deutschland wird es wahrscheinlich noch zwei bis drei Jahre dauern, bis der Trend angekommen ist. Die Anbieter, die künftig in diesem Umfeld erfolgreich sein wollen, bereiten sich bereits heute auf die Verhältnisse in Europa vor. Schließlich gibt es hinsichtlich Datenschutzrichtlinien oder Sicherheitsstandards deutliche Unterschiede zur Situation in den USA.

Auch wenn sich die Wolke in Deutschland breit gemacht haben wird, werden sich Unternehmen mit dem Thema „Migration“ beschäftigen müssen. Mit einem gut aufgesetzten Projektmanagement und dem richtigen Tool, das die automatisierte Übernahme von Daten möglich macht, sind die Voraussetzungen für eine reibungslose Umstellung erfüllt. Und dabei ist es unerheblich, ob fünf oder 50.000 Mail-Datenbanken zu migrieren sind: Einmal richtig durchdacht, lassen sich mehrere tausend Mail-Boxen innerhalb weniger Tagen umstellen.

Migration als Chance

Einen Mehrwert, auch für die Anwender, erhält die Migration, wenn gleichzeitig die Weichen für ein optimales Wissensmanagement gestellt werden. Zum einen hat das Unternehmen bei der Übernahme der Altdaten die Chance, sehr genau zu prüfen, welche Daten überhaupt noch benötigt werden, und kann die restlichen Informationen löschen. Zum anderen können mit der Umstellung verbindliche Regeln zur Archivierung eingeführt werden. Dabei geht es vor allem darum, transparente und vernetzte Lösungen zu finden, in welche die Mitarbeiter ihre Informationen gerne einbringen.

Kurz: Eine Migration ist zeit- und kostenaufwendig. Wer darüber hinaus aber auch das Potenzial zur Optimierung der eigenen Geschäftsprozesse erkennt, wird nicht nur von der neuen Software und gesunkenen Betriebskosten, sondern auch von einem optimierten Wissensmanagement im Unternehmen profitieren. (mje)