Longhorn: Neuerungen im Überblick

26.02.2007 von Martin Kuppinger
Beim ersten Blick auf Longhorn mag so mancher Anwender erst einmal enttäuscht sein. Die herausragenden Änderungen fehlen. Das Produkt ist eher durch kontinuierliche Weiterentwicklung als durch große Innovationssprünge gekennzeichnet. Um die Neuerungen im Detail zu erkennen, muss man etwas genauer hinsehen.

Für ein eigentlich „großes“ Release, ähnlich wie Windows 2000 oder Windows NT, ist die Beta 2 von Windows Server Longhorn auf den ersten Blick etwas enttäuschend. Die Entwicklungszyklen bei Microsoft bringen im Serverbereich ja alle sieben bis acht Jahre ein solches großes Release mit grundlegenden Verbesserungen. Bei Longhorn fehlen nun aber die großen Neuerungen wie beispielsweise das Active Directory bei Windows 2000. Und vieles von dem, was Longhorn ausmacht, ist entweder in ersten Releases schon mit dem Release 2 des Windows Server 2003 oder in anderer Form bereitgestellt worden. Einige der interessanteren Veränderungen liefern in der Summe dennoch einen deutlichen Mehrwert.

Die wichtigsten Neuerungen

Die wichtigsten Veränderungen beim Windows Server 2003 sind:

Microsoft hat außerdem etliche Änderungen am Kernel und im Bereich der Sicherheit vorgenommen, die wir in gesonderten Artikeln noch näher behandeln.

Server Core

Einer der Punkte, der vor allem von UNIX- und Linux-Verfechtern immer wieder gegen Windows ins Feld geführt wurde, ist die relative „Schwergewichtigkeit“ des Systems. Windows-Server bestehen aus einer Vielzahl von Komponenten, die installiert werden. Viele davon sind eigentlich für den Betrieb des Servers selbst nicht erforderlich – vor allem wenn die Administration remote erfolgt.

Bild 1: Zu den wichtigsten Neuerungen bei Longhorn zählt die NAP, die über die Gruppenrichtlinien konfiguriert wird.

Mit der Server Core-Installation werden dagegen nun nur die allerwichtigsten Dienste eingerichtet – nicht einmal der Windows Explorer wird installiert. Die Standardschnittstelle für die lokale Verwaltung eines solchen Servers ist die Befehlszeile. Microsoft verspricht, dass das System für die Installation weniger als 1 GByte Plattenplatz benötigt. Unterstützt werden bei diesem Konzept vier Server-Rollen:

Außerdem lassen sich auf Core-Servern natürlich auch Anwendungsdienste einrichten, soweit sie keine weitergehenden Funktionen wie beispielsweise den Internet Explorer als lokale Administrationsschnittstelle benötigen.

Änderungen im Dateisystem

Beim NTFS gibt es zwei wichtige Neuerungen. Zum einen ist das System nun self-healing, kann also Fehler eigenständig beseitigen. Statt der Ausführung von chkdsk.exe beim Start eines Systems erfolgt nun eine kontinuierliche Analyse und Beseitigung von Fehlern. Das ist vor allem für Umgebungen relevant, in denen eine hohe Verfügbarkeit erforderlich ist.

Die zweite Änderung ist die Unterstützung von Transaktionen. Damit können innerhalb des Dateisystems mehrere Operationen als eine zusammengefasste Transaktion behandelt und damit gegebenenfalls auch rückgängig gemacht werden. Bei der Transactional Registry wird wie beim NTFS die Transaktionsunterstützung auf Kernel-Ebene genutzt, um mehrere Änderungen durchführen und gegebenenfalls auch wieder rückgängig machen zu können. Anwendungen können so entwickelt werden, dass sie mit Transaktionen arbeiten. Damit ist potenziell eine höhere Zuverlässigkeit und Integrität von Daten erreichbar.

Terminaldienste

Die Terminal Services Remote Programs stellen eine gravierende Änderung im Konzept dar. Bisher wurden Anwendungen generell auf dem Terminalserver ausgeführt. Die Remoteprogramme laufen dagegen auf dem Client, sind dort allerdings nicht installiert. Sie werden zur Laufzeit für die Ausführung bereitgestellt. Aus Sicht von Benutzern verhalten sie sich weitgehend wie lokale Anwendungen.

Bild 2: Die Quality of Service-Funktionen können nun für Ports, IP-Adressen und Anwendungen konfiguriert werden.

Der Vorteil liegt darin, dass man die zentrale Steuerung von Anwendungen über die Terminaldienste mit den Vorteilen lokaler Anwendungen kombiniert. Damit hat man ein wichtiges zusätzliches Szenario für die Bereitstellung von Anwendungen zur Verfügung – als Mischform der lokalen Anwendungen und der Terminaldienste. Diese Remoteprogramme können auch über Terminal Services Web Access für den Zugriff von Benutzern mit einem Browser verfügbar gemacht werden.

Eine zweite wichtige Neuerung ist das Terminal Services Gateway. Es erlaubt den Zugriff aus dem Internet auf Terminalserver sowie den kontrollierten Zugriff auf Clientsysteme, die Remote-Desktop-Verbindungen zulassen. Ob man diese Funktion häufig nutzen wird, sei dahingestellt. Die Option, dass ein Benutzer remote über das Gateway auf seinen Arbeitsplatzrechner zugreift, besteht aber.

Das Konzept ist vor allem interessant, wenn die Sicherheitsanforderungen nicht ganz so hoch sind und nicht mit VPNs für solche Zugriffe gearbeitet wird.

Der oben schon angesprochene Terminal Services Web Access bietet viele Verbesserungen im Vergleich zur bisherigen Webschnittstelle. So kann die Funktionalität einfach in die SharePoint Services integriert werden. Die Benutzer müssen kein ActiveX-Control mehr herunterladen, es ist nun Teil des RDC-Clients – also des Clients für die Terminaldienste.

Network Access Protection

Die Network Access Protection (NAP) zählt zu den wichtigsten Neuerungen überhaupt. Erste Basisfunktionen davon sind zwar auch schon als Add-On für den Windows Server 2003 verfügbar, aber erst in der Kombination von Windows Server Longhorn und Clients unter Windows Vista oder Windows XP mit Service Pack 2 und höher wird man diese Funktionalität aber voll nutzen können.

Mit der NAP können Clients zunächst analysiert werden, bevor sie auf das Netzwerk zugreifen dürfen. Der Schutz kann für Remotezugriffe, VPN-Zugriffe und bei der Vergabe von DHCPLeases eingesetzt werden. Die Steuerung erfolgt primär über die Gruppenrichtlinien. Mehr Informationen zu NAP finden sich in einem gesonderten Artikel in diesem Heft.

Windows Deployment Services

Die Windows Deployment Services (WDS) gelten als Nachfolger für die RIS (Remote Installation Services). Damit wird die Verteilung auch von Windows Vista und Windows Server „Longhorn“ unterstützt. Die Grundkonzeption des Dienstes ist identisch mit der bisherigen Lösung. Allerdings ist die Administration deutlich einfacher als bisher und kann in wesentlichen Teilen über eine MMC-Schnittstelle durchgeführt werden. Ob man diese Lösung einsetzt oder ein Produkt von einem Drittanbieter verwendet, muss man im Detail evaluieren. Die erweiterten Funktionen der WDS wie das definierte Windows Preinstallation Environment (PE) oder das Windows Imaging Format (WIM) werden aber wohl dazu führen, dass die meisten Spezialisten für Client-Management-Lösungen über kurz oder lang auch Teilfunktionen wie die Imaging-Formate und PE unterstützen werden.

Netzwerkfunktionen

Bei den Netzwerkfunktionen ist in erster Linie der neue TCP/IP-Stack erwähnenswert. Microsoft hat ihn grundlegend überarbeitet und bezeichnet die Änderungen als die einschneidendsten seit der Einführung von Windows 95. Aus Anwendersicht sind insbesondere zwei Aspekte wichtig:

Interessant sind auch die neuen QoS-Dienste. Bisher mussten Anwendungen die Quality of Service (QoS)-Funktionen des Betriebssystems explizit nutzen. Nun kann für Anwendungen, Ports und IP-Adressen eine gezielte Einschränkung der nutzbaren Bandbreite erfolgen. Die Steuerung erfolgt über Gruppenrichtlinien.

Änderungen gibt es auch bei IPsec und in vielen anderen Bereichen bis hin zur NDIS-Spezifikation (Network Driver Interface Specification).

IIS 7.0

Bei der Version 7.0 der IIS sind die folgenden Änderungen relevant:

Auch wenn bei Longhorn die ganz große Neuerung wie einst das Active Directory fehlt, zeigt die Liste der im vorangegangenen Abschnitt besprochenen Optimierungen doch, dass es sich im Ergebnis um ein großes Release handelt, das einiges an Nutzen liefert. Da es aber eher eine kontinuierliche Weiterentwicklung als ein völlig neues Betriebssystem ist, ist der Schritt zu Longhorn und Vista gut zu bewältigen.