Linux-Workshop: LiveCD selbst gemacht

11.05.2006 von Jürgen Donauer
Linux-LiveCDs schießen wie Pilze aus dem Boden. Meist weiß man nicht, welche davon den eigenen Ansprüchen gerecht wird. Alle auszuprobieren, ist eine zweitaufwendige Alternative. Warum also nicht selbst eine LiveCD nach eigenem Gusto zusammenstellen?

Gewusst wie - mit den entsprechenden Mitteln ist eine eigen Live-CD kein großer Aufwand. Und schwierig ist es schon gleich gar nicht. Das Prinzip ist denkbar einfach: Sie installieren Ihre Lieblings-Distribution. Danach modifizieren Sie das OS nach Ihren Wünschen. Installieren, deinstallieren, verändern und konfigurieren Sie das System nach Ihren Anforderungen und erstellen Sie daraus einfach ein bootfähiges Image. Einfach? Ja, sehr einfach geht es mit den „Linux Live Scripts 5“.

Diese Ansammlung von intelligenten Scripts nimmt Ihnen diese Arbeit komplett ab und verspricht, aus nahezu jeder Distribution eine LiveCD erstellen zu können. Ein ./runme.sh kann sogar ein Nicht-Linux-Freak aufrufen. Vorweg sei noch erwähnt, dass diese Methode nur mit Kernel 2.6.9 oder höher funktioniert. Außerdem muss udev installiert sein und funktionieren. Die Devices von /dev werden nicht auf die LiveCD kopiert. Doch nun der Reihe nach.

Installation einer Distribution

Wie schon erwähnt, können Sie auf fast jede Distribution zugreifen. Sollten Sie sich überlegen, eine eigene Live-Distribution zu entwerfen, sind Sie sicher schon einmal in Berührung mit einer solchen gekommen. Oder Sie haben bereits eine Lieblings-LiveCD, bei der aber das eine oder andere Tool fehlt oder Ihnen sogar zu aufgebläht ist. Denkbar ist auch, dass Sie gekaufte Software mobil herumtragen möchten, zum Beispiel eine Linux-LiveCD mit Microsoft Office und Adobe Photoshop via CrossoverOffice. Eine vorkonfigurierte CD, um via VPN ins Firmennetz zu gelangen, ist ebenfalls kein ganz abwegiger Gedanke. Das wäre auch für Präsentationen geeignet, auf denen vorkonfigurierte Apache-, MySQL- und andere Server-Dienste zum Zuge kommen. Sie sehen, nur der eigenen Fantasie sind hier Grenzen gesetzt.

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Als Beispiel soll in diesem Workshop die Kanotix-2006-Easter-RC2 dienen. Die Distribution ist schnell installiert und lässt sich mit apt oder dem zugehörigen Frontend KPackage einfach modifizieren. Wie Sie das Commandline-Tool apt professionell einsetzen, können Sie online im tecChannel-Artikel „Linux-Installation mit apt“ nachlesen. Sie sollten bei der Installation allerdings darauf achten, dass genügend freier Platz zur Verfügung steht, um später die ISO-Datei zu erzeugen. Wie viel das genau ist, hängt davon ab, wie umfangreich Sie Ihre Distribution werden lassen.

Modifikationen des Betriebssystems

Im Prinzip können Sie Ihrer Kreativität nun freien Lauf lassen. Verändern Sie die Lage der Menüzeilen. Installieren und deinstallieren Sie ganz nach Belieben. Ändern Sie den Desktop-Manager von KDE nach Fluxbox, wenn Sie möchten. Modifizieren Sie Hintergrundbilder, Sound-Effekte, das Aussehen der Icons und so weiter. In diesem Workshop soll zuerst einmal eine Installation von CrossoverOffice zum Zuge kommen. Danach soll die eigene LiveCD den Internet Explorer 6 und Word 2003 enthalten. Ein generelles Update auf die neuesten Software-Komponenten aus dem Kanotix-Repository kann auch nicht schaden.

Vergessen Sie aber nicht, wieder aufzuräumen. Alle Dateien, die sich zum Beispiel im Home-Verzeichnis befinden, kommen später mit in das Image. Auch ein Upgrade von apt und Konsorten sollten Sie berücksichtigen. Die heruntergeladenen Dateien blähen die eigene Distribution nur unnötig auf. Ein apt-get clean löscht diese Dateien zum Beispiel wieder. Sehen Sie in der Dokumentation ihres eingesetzten Paketmanagers nach, ob eventuell Altlasten das Volumen der ISO-Datei beeinträchtigen.

Richtiges Einsetzen der Linux Live Scripts

Als erster Schritt ist es notwendig, die Linux Live Scripts herunterzuladen. Sie finden diese auf http://www.linux-live.org/ oder als direkten Link hier. Entpacken Sie als nächsten Schritt das Archiv zum Beispiel nach /tmp. Ein tar xzvf linux-live-5.4.1.tar.gz erledigt dies. Wechseln Sie daraufhin in den neuen Unterordner. Der Befehl ./runme.sh sollte laut Dokumentation das neue Image erzeugen. Voraussetzung ist allerdings, dass der Kernel der installierten Distribution unionfs und squashfs unterstützt. Stellen Sie außerdem sicher, dass mkisofs auf ihrer Distribution installiert ist.

Tut er das nicht, haben Sie zwei Möglichkeiten. Entweder Sie kompilieren einen eigenen Kernel oder Sie nehmen den vorkonfigurierten von http://www.linux-live.org. Möglichkeit zwei ist auf jeden Fall der Weg des geringeren Widerstands. Mit Version 2.6.16 ist der vorkonfigurierte Kernel auf einem aktuellen Stand. Herunterladen können Sie den Kernel hier. Wer einen eigenen Kernel stricken möchte, findet Hinweise zu unionfs im Verzeichnis ./DOC der Live-Scripts.

Als nächsten Schritt müssen Sie Benutzer root werden. Kopieren Sie danach das Kernel-Archiv in das Wurzel-Verzeichnis / und entpacken es dort. In diesem Fall würde das der Befehl tar xzvf linux-kernel-2.6.16-i486-1.tgz erledigen. Beachten Sie, dass dieser Schritt eventuell Dateien überschreiben könnte. Wollen Sie die Distribution nach der LiveCD-Erstellung in den Urzustand zurückversetzen, sollten Sie ein Backup der Verzeichnisse boot, etc, lib, sbin, usr und var machen. Danach stellen Sie den Parameter KERNEL in der Datei config auf folgenden Wert 2.6.16: KERNEL=“2.6.16“

Keine (Kernel) Panic!

Nun ist es an der Zeit, das erste ISO-Image zu erstellen. Dazu wechseln Sie wieder in das Verzeichnis der Live Scripts und starten die Datei ./runme.sh. Der erste Versuch erzeugte zwar ein bootfähiges Image, doch ein Starten von dieser CD endete in einer so genannten Kernel Panic.

Ein Blick in die Dokumentation brachte relativ schnell die Antwort auf die Frage, warum es nicht funktionierte. Manche Distributionen können nicht mit komprimierten Kernel-Modulen umgehen. Sollten dies bei Ihnen ebenfalls eintreten, müssen Sie dieses Feature abstellen. Der Schalter dafür befindet sich in der Datei config im Verzeichnis der Linux Live Scripts. Öffnen Sie diese Datei und stellen Sie den Wert hinter COMPRESS auf 0. Bevor Sie ein neues Image erstellen, sollten Sie den freien Speicherplatz überprüfen. Jeder Lauf hinterlässt im Verzeichnis /tmp/live_data_<xxx> das komplette, entpackte Image. Ein erneuter Lauf der LiveCD-Erstellung brachte das gewünschte Ergebnis und die eigene Distribution hat funktioniert.

Für Slackware-Fans: MySLAX Creator

Eine noch einfachere Methode, um eine eigene LiveCD zu erstellen, ist die Benutzung des Windows-Programms MySLAX Creator. Allerdings kann man bei dieser Variante seiner Kreativität nur begrenzt freien Lauf lassen. Voraussetzung ist nämlich die Verwendung der Distribution SLAX.

Im Prinzip ist es gedacht, um eine SLAX-CD zu erweitern. Dazu können Sie auf http://slax.linux-live.org/modules.php gewünschte Module herunterladen und diese später einbinden. Danach können Sie noch Bootoptionen nach Geschmack einstellen. Als nächster Schritt folgt bereits das Erstellen der eigenen SLAX-Variante.

Tipps zur Verwendung eines eigenen Kernels

Sollten Sie einen eigenen Kernel verwenden wollen, gibt es einige Dinge zu beachten. Laut Dokumentation muss Folgendes im Kernel einkompiliert oder als Modul vorhanden sein: Unterstützung für ext2-Dateisysteme, tmpfs, ramdisk und initrd. loop, da sonst ein mount -o loop nicht funktioniert.

zlib_inflate wird von squashfs benötigt. Isofs, wenn Sie Ihre Distribution von CD starten möchten. ehci-hcd, ohci-hcd, uhci-hcd und usb-storage. Letzteres brauchen Sie, wenn das Betriebssystem von einem USB-Gerät gestartet werden soll. Außerdem benötigen Sie die Module unionfs.ko und squashfs.ko. Weitere Angaben finden Sie in der Datei requirements.txt im Verzeichnis ./DOC der Live Scripts.

Fazit

Die „Linux Live Scripts 5“ sind eine sehr einfache und schnelle Methode, um eine eigene Linux-LiveCD zu erstellen. Selbst Linux-Anfänger sollten dank des vorkonfigurierten Kernels keine Probleme mit der Bedienung haben. Das Schöne an der Sache ist, dass Sie sich eine Distribution ganz nach eigenem Geschmack und eigenen Anforderungen zusammenstellen können. Und der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt.

Ob Sie einfach nur einen Kernel booten lassen und die Distribution danach „GarniX“ taufen oder mit Spezial-Software ausstatten, bleibt Ihnen selbst überlassen. Das Benutzen der Live Scripts funktionierte im Test mit Slackware, der Debian-Variante Kanotix und Fedora Core 5. Letztere funktionierte aber nur, wenn der Logical Volume Manager nicht verwendet wurde. Möchten Sie eine andere Distribution verwenden, müssen Sie einfach ausprobieren, ob es funktioniert. (jdo)