Linux für den iPod

07.03.2005 von Daniel Kottmair
Aufnahmen in 16-Bit-CD-Qualität, Anzeige von Fotos auf älteren Modellen - was Apple dem iPod vorenthält, macht eine kleine Schar von Linux-Entwicklern möglich. Doch noch steckt iPod-Linux in den Kinderschuhen.

Apple hat die iPod-Serie zwar als geschlossene Plattform entwickelt. Eine öffentlich zugängliche Dokumentation zum internen Design ist somit nicht vorhanden. Dennoch hat sich eine Hand von Entwicklern im Februar 2002 das Ziel gesteckt, Linux für den iPod als alternatives Betriebssystem zu portieren. Dadurch wollen sie von Apple auferlegte Beschränkungen wie die strikte Koppelung des iPods an iTunes aufheben und neue Funktionen ermöglichen.

Das Projekt iPodLinux ist inzwischen dem Experimentalstadium entwachsen und weit mehr als eine reine Machbarkeitsstudie. Dank eines grafischen Mac-OS-X- und Windows-Installers kann auch der Kommandozeilen-Unkundige problemlos Linux auf seinem iPod der ersten bis dritten Generation installieren - und ebenso einfach wieder entfernen.

Zentrale Anlaufstelle im Web für dieses Projekt ist die Seite www.ipodlinux.org. Den grafischen Installer finden Sie bei ipodlinuxinstl.sourceforge.net.

Vorab noch eine Warnung: Installieren Sie iPodLinux nicht auf iPods der vierten Generation oder neuer (iPod minis, iPod Photo, U2-iPod, iPod shuffle). Diese Geräte unterstützt das adaptierte uCLinux noch nicht offiziell. Falls Sie es dennoch installieren, müssen Sie Ihren iPod danach eventuell komplett neu formatieren.

Start und Musikwiedergabe

Der Installer hat eine Auto-Update-Funktion integriert, die auf Klick nach neuen Linux-iPod-Versionen sucht. iPods, die bereits Linux installiert haben, aktualisiert er daraufhin automatisch. Obwohl bisher keine Probleme bekannt wurden, empfehlen die Autoren, stets ein Backup zu besitzen. Für verloren gegangene Daten übernehmen sie keine Verantwortung.

tecCHANNEL rät zudem, nach der Installation von iPodLinux keine anderen Firmware-Hacks wie etwa den iPod Volume Booster mehr zu installieren. Auch vor einem Apple-Firmware-Upgrade empfiehlt es sich, das Linux temporär mit dem Installer zu deinstallieren. Anschließend kann man es in wenigen Minuten wieder unbesorgt aufspielen.

iPodLinux lässt sich entweder exklusiv oder parallel zum normalen iPod-Betriebssystem installieren. Empfohlen wird dabei die Parallelinstallation. Anschließend ziert nach dem Apfel-Symbol ein Pinguin den Bootvorgang des iPod. Ohne Userintervention fährt der iPod dabei Apples Original-Betriebssystem hoch. Hält man beim Start oder nach einem Reset jedoch die Rewind-Taste gedrückt, meldet sich "Podzilla", das grafische Interface des iPodLinux. Trotz des ähnlich klingenden Namens hat dieses jedoch wenig mit dem bekannten Browsern zu tun.

Podzilla bedient man wie das normale iPod-Userinterface per Scrollrad. Es bietet unter dem Punkt "Music" die iPod-übliche Musiknavigation mit Playlists, Künstler, Alben und Songs. Das Userinterface lässt hier im Vergleich zu Apples Version allerdings noch zu wünschen übrig: Spulen oder herumspringen innerhalb eines Songs ist noch nicht möglich, ebenso funktioniert das Weiterspringen zum nächsten Titel per Forward-Taste erst seit kurzem.

Die Lautstärkeregelung ist quälend langsam und träge. Auch wird die Zeitposition im Song nicht angezeigt. Zudem gibt es noch Probleme bei MP3-Dateien mit variabler Bitrate. Die AAC und Ogg Vorbis Echtzeitdekodierung beherscht iPodLinux noch gar nicht.

Interessantes im Extras-Menü

Wirklich Neues bietet iPodLinux erst im zweiten Menüpunkt "Extras": Hier finden sich ein rudimentärer, aber praktischer Taschenrechner und eine Menge neuer Spiele. Einige davon, wie Bluecube (ein Tetris-Clone), Othelo (Reversi) und Pong sorgen kurzfristig für Unterhaltung. Der Minesweeper-Clone Nimesweeper beispielsweise ist aber mit dem Scrollrad nur schwer bedienbar. Tic Tac Toe wird schnell langweilig, Steroids, einem Asteroids-Clone, fehlt die Kollisionserkennung mit dem Schiff. Mit PodDraw erhält der iPod ein einfaches Malprogramm, das allerdings kaum bedienbar ist.

Unter dem Extras-Punkt "Recordings" findet sich eines der interessantesten Features von iPodLinux. Hier können Besitzer von iPods der dritten Generation eigene Audio-Aufnahmen machen. Den Vorgängern fehlt noch die erforderliche Hardware. Der Vorteil gegenüber externen Hardware-Lösungen, wie etwa von Belkin und Griffin, liegt in der stetigen Verfügbarkeit. Über das iPod-Dock lässt sich ein Stereo-Line-in-Signal in hoher Qualität aufnehmen. Notfalls kann man aber auch die Kopfhörer als Mikrofon zweckentfremden und unterwegs über die Kopfhörerbuchse ein Mono-Signal aufzeichnen. Vor der ersten Aufnahme muss man lediglich einen Ordner "Recordings" im Root-Verzeichnis anlegen, in den iPodLinux dann die Aufzeichnungen speichert.

Im Gegensatz zu den externen Hardware-Lösungen erlaubt iPodLinux eine weit bessere Aufnahmequalität. Die Samplerate reicht bis zu 96 kHz in 16 Bit Stereo. Belkin und Griffin bieten hier nur 8 kHz Mono, was gerade mal für Stimmnotizen brauchbar ist.

Da der iPod mit maximaler Samplerate am Limit operiert, empfehlen die Entwickler eine Samplerate von 44,1 kHz. Bei 16 Bit Stereo entspricht dies CD-Qualität. Die Aufnahmen speichert iPodLinux unkomprimiert im WAV-Format auf Platte. So wird der iPod schnell zum Aufnahmegerät beim Probekonzert der eigenen Band. Auch Musikkassetten und Schallplatten lassen sich bestens digitalisieren. Dies ist besonders nützlich für Besitzer von Macs ohne analogen Audio-Eingang.

MP3-Player und Bildbetrachter

Unter dem Hauptmenüpunkt "Settings" lassen sich diverse Parameter einstellen. Sie wollen extra gespeichert werden, ansonsten merkt sich iPodLinux die Einstellungen nicht.

Der Menüpunkt "Filebrowser" verweist auf ein weiteres nützliches Feature von iPodLinux: einen Datei-Browser, mit dem man den Inhalt der Festplatte durchsuchen kann. Dieser zeigt auch den Inhalt von Bildern in den Formaten JPEG, GIF oder BMP an.

Die aktuelle Podzilla-Version skaliert dabei zu große Bilder auf die iPod-Auflösung von 160 x 128 Pixel herunter. Die Farben reduziert iPodLinux auf die vier Graustufen, die der iPod maximal darstellt. Im Bildbetrachter kann der User mit dem Scrollrad und dem Action-Knopf den Bildausschnitt verschieben oder ein- und auszoomen.

Auch ein rudimentärer Text-Viewer für ASCII-Dateien ist im Datei-Browser integriert. Zudem spielt der Filebrowser MP3-Dateien ab, die nicht über das DRM-Management von Apples iTunes auf den iPod geladen wurden. Diese Musikstücke lassen sich somit von beliebigen Rechnern aus auf den iPod kopieren und auf andere Rechner zurückspielen.

Viele offene Baustellen

Oben rechts im Display stellt iPodLinux den Batteriestatus dar. Dies funktioniert allerdings noch nicht und zeigt den Akku immer als voll an. Zudem hat iPodLinux einen sehr hohen Stromverbrauch. Scheinbar wollen die Entwickler dieses Thema erst aufgreifen, wenn alle anderen Funktionen fehlerfrei sind. Auch einen Schlafmodus sucht man vergebens. Der iPod muss dafür erst in Apples Firmware umgebootet werden.

Allgemein trifft man in iPodLinux oft auf noch unfertige oder schlecht implementierte Funktionen. Angesichts des frühen Entwicklungsstadiums ist das aber nicht verwunderlich. Gelegentlich muss man Podzilla auch neu starten, wenn der Bildbetrachter nur noch ein graues Bild liefert. Inzwischen soll der Fehler behoben sein. Der Patch ist allerdings noch nicht bis zur Release-Version des grafischen Installers vorgedrungen.

Strittig ist außerdem, dass iPod-Linux den Root-Ordner der Festplatte um die Linux-üblichen Verzeichnisse (dev, mnt, usr, bin, var et cetera) erweitert. Eine Installation aller Linux-Dateien in ein eigenes Verzeichnis, wie es Fink auf Mac-OS X oder Apple mit der Original-Firmware machen, wird von manchen Anwendern bevorzugt.

Fazit

Im normalen Gebrauch ist iPodLinux noch keine Alternative zu Apples Betriebssystem. Die zusätzlichen Spiele, der Taschenrechner, die Aufnahmefunktion und der Datei-Browser mit Bildbetrachter bieten allerdings nützliche Zusatzfunktionalität. Diese macht ein gelegentliches "Umbooten" in iPodLinux attraktiv.

Die iPodLinux-Entwicklung ist in vollem Gange. Podzilla ist im Gegensatz zu Apples Betriebssystem quelloffen und dokumentiert, so dass jeder dafür eigene Erweiterungen schreiben kann. Ein Entwicklungsmodell, das Linux auch in anderen Bereichen sehr erfolgreich gemacht hat.

Viele interessante Features, wie etwa der direkte iPod-zu-iPod-Transfer oder das Ansteuern von anderen Massenspeichern, sind derzeit in der Entwicklung. Auch neue Spiele wie Vier Gewinnt, Snake oder Schach sollen bald verfügbar sein. Und sogar Doom und ein Gameboy-Emulator für den iPod vermelden den Status "In Progress". (ala)

Info: Dieser Beitrag basiert auf einem Artikel unserer Schwester-Publikation Macwelt. Mehr Details zum iPod lesen Sie im aktuellen Sonderheft "iPOD Special" der Macwelt, das seit dem 2. März am Kiosk erhältlich ist.

Das Sonderheft können Sie direkt hier versandkostenfrei bestellen. Stets aktuelle Informationen rund um den iPod finden Sie auch online im Premiumbereich der www.macwelt.de.