Leben und Arbeiten im globalen Netz, Teil 2

30.12.2004 von Jörg Luther
Das Leben in einer vernetzten Umgebung, die Kommunikation und Informationsbeschaffung über das Internet werden im Beruf und privat immer wichtiger. Wir betrachten die wichtigsten Technologien von heute und morgen.

Der vernetzte Mensch ist jetzt schon keine Zukunftsvision mehr, sondern eine alltägliche Tatsache. Heute bereits existierende Technologien, neue Zugangstechniken und portable, einfach bedienbare Endgeräte werden in den nächsten fünf Jahren die Lücken schließen, in denen wir heute noch offline leben.

Im Folgenden wollen wir einen kurzen Blick auf den technischen und wirtschaftlichen Hintergrund der wichtigsten Technologien werfen und dabei Vorteile und Risiken beleuchten.

Serie: Leben und Arbeiten im globalen Netz

Teil 1

Totale Vernetzung

Teil 2

Das Internet in der schönen neuen Welt

Internet im Auto

Die Vernetzung wäre nicht komplett, würde des Deutschen liebstes Kind fehlen, das Automobil. Eines der umfassendsten und schlüssigsten Konzepte zur Vernetzung auf vier Rädern liefert seit geraumer Zeit BMW in seinen Limousinen der 7er-Reihe unter der Bezeichnung ConnectedDrive [5] aus.

Das Display des ConnectedDrive residiert in der in einer eigenen Blende neben den Instrumentenbrett, bedient wird es über einen Joystick-ähnlichen Bedienungsknopf auf der Mittelkonsole. Das auf das GSM-Autotelefon als Verbindungsmedium gestützte System bietet über ein eigenes BWM-Online-Portal laufend aktuelle News aus Politik, Kultur, Wirtschaft und Börse. Über den zugehörigen BMW-Online-Account einlaufende E-Mails lassen sich empfangen und auch aus dem Fahrzeug durch Zusammenstellen vorgefertigter Textbausteine bearbeiten. Wie BMW als Partner beim Futurelife-Projekt demonstrierte, stellt auch die Ansteuerung intelligenter Haustechnik von unterwegs das System vor keinerlei Probleme.

Besonders nützliche Dienste bietet ConnectedDrive in Form diverser Location-based Services im Zusammenspiel mit dem integrierten GPS-Navigationssystem des Fahrzeugs. So fragt das System auf Wunsch beispielsweise den nächstgelegenen freien Parkgaragen-Stellplatz bei BMWs Online-Portal nach und lotst den Fahrer per Navigationssystem gleich dorthin. Ähnlich funktioniert dies auch bei der Suche nach Restaurants oder Hotelbetten. Auch im Fall einer Panne lässt sich schnell der nächste BMW-Händler finden und ansteuern beziehungsweise online von dem anstehenden Auftrag unterrichten.

Daneben können zahlreiche andere Informationen über das BMW-Online-Portal schnell und unkompliziert eingeholt werden. Dazu zählen unter anderem 35 Millionen für das Navigationssystem des Fahrzeugs bereits geokodierte Firmen- und Privatadressen, aktuelle Flugplanauskünfte oder auch die am Standort des Fahrzeugs verfügbaren Apotheken-Notdienste. Kostenpunkt für das Internet im Auto: 175 Euro pro Jahr - plus der anfallenden Verbindungskosten via GSM.

Internet im Flugzeug

Wer allerdings nicht mit dem eigenen Automobil, sondern mit Bahn, Flugzeug oder Schiff unterwegs ist, musste bislang auf den Netzwerkzugriff von unterwegs verzichten. Dies wird sich in den nächsten Jahren rapide ändern.

Den Grundstein dazu hat der US-Flugzeughersteller Boeing gelegt, der seit 2004 mit dem Dienst "Connexion by Boeing" [6] einen Internet-Zugriff für Fluggäste anbietet. Kunden der Linien ANA, China Airlines, JAL, KAL (ab 2005), SAS, Singapore Airlines und last not least auch der Lufthansa können seitdem (zumindest auf ausgewählten Strecken) im Jet surfen, E-Mails empfangen und versenden oder sich bei Bedarf auch ins Firmen-VPN einwählen.

Das über geostationäre Satelliten operierende Connexion by Boeing bietet je Flugzeug bis zu vier Downstream-Kanäle mit je 5 Gbit/s Datenrate. Upstream beträgt die Datenrate maximal 1 Mbit/s in ebenfalls 4 Kanälen zu je 256 Kbit/s. Das ist zwar nicht gerade üppig, entspricht aber immerhin doch einer typischen Business-DSL-Internet-Anbindung einer kleineren Firma.

Die Hard- und Software-Anforderungen für den Dienst fallen bescheiden aus: Laut Boeing genügt ein Notebook mit Windows (ab Windows 95) oder MacOS 9/X mit Open Transport 2.6 und IEEE-802.11b-kompatiblem Netzwerkinterface. Der verwendete Browser muss lediglich JavaScript und SSL unterstützen, so dass ein MS Internet Explorer ab Version 5 oder Netscape Navigator ab Version 4.7 ausreicht.

Um den luftigen Internetzugang nutzen zu können, erstellt der Fluggast zunächst ein neues Wireless-Profil, das im Wesentlichen schlicht als SSID des WLANs "Connexion1" festlegt. Anschließend registriert er sich per Browser über den URL "cbb.by.boeing" und erhält nun seine Anmeldedaten. Die Abrechnung erfolgt per Kreditkarte, deren Nummer der Benutzer bei der Registrierung angibt.

Als Tarifoptionen offeriert "Connexion by Boeing" zum einen eine quasi-Flatrate, für die je nach Flugdauer abgestuft zwischen 15 und 30 US-Dollar Gebühren fällig werden. Als Alternative fungiert eine "Dial-up"-Variante mit einer Grundgebühr von 8 oder 10 US-Dollar, wiederum je nach Flugdauer. Dafür kann der Fluggast die Internet-Verbindung 30 Minuten lang nutzen, für jede weitere Minuten fallen zusätzliche 25 US-Cent Gebühren an.

Internet auf dem Schiff

Da sich nach ersten Tests 2003 Boeings Connexion-System nicht nur als funktionell, sondern auch als zugkräftiger Service erwiesen hat, rüsteten beginnend mit 2004 zahlreiche Airlines ihre Flotten mit dem notwendigen Equipment nach. Die Lufthansa etwa will bis 2006 rund 80 Langstecken-Jets der Typen Boeing 747-400, A330 und A340 mit Connexion ausstatten [7].

Auch in der Schifffahrt fasst Boeings satellitengestützte Internetanbindung bereits Fuß. Einen ersten Vertrag über die maritime Erprobung hat Connexion im Juni 2004 mit der Teekay Shipping Corporation geschlossen. Schiffsbetreiber und Passagiere sollen mit dem System Internet und Intranet nutzen und E-Mails auch mit großen Anhängen empfangen können.

Das maritime Konzept greift auf die selben Satelliten und die Boden-Infrastruktur zurück, die auch die Airlines nutzen, und sieht einen Downstream mit 2,5 Mbit/s und einen Upstream von 256 Kbit/s vor. Damit ist die Verbindung deutlich schneller als das Schmalbandsystem Inmarsat, das bislang in zur See eingesetzt wird.

Internet im Zug

Haben sich die Flugreisenden erst einmal an den Komfort des Internets im Flugzeug gewöhnt, dürften auch die Schienenverkehrsbetreiber bald in Zugzwang geraten. Wer wie die Deutsche Bahn gerne Geschäftsreisende aus dem Flugzeug in den Zug holen möchte, wird bald ohne Netzwerk-Anschluß für den Reisenden nicht mehr auskommen.

Bislang beschränkt sich die DB allerdings auf die Einrichtung von WLAN-Hotspots in Großstadt-Bahnhöfen [8]. Zwar hat man bereits Anfang 2003 zusammen mit Microsoft im ICE zwischen Nürnberg und Hannover die Bereitstellung von Informationsdiensten getestet - allerdings offline, weil die Bahnstrecken vorgeblich "zu wenig erschlossen" seien. Dabei handelt es sich bei genauerer Betrachtung aber wohl eher um ein vorgeschobenes Argument der ohnehin nicht für ihre Innovationsfreudigkeit berühmten Ex-Bundesbahn. Mit dem Handy telefonieren kann man im Zug ja auch, und dieselbe Technik lässt sich auch für den Internet-Zugriff auf der Schiene nutzen.

Ein entsprechendes, GPRS-gestütztes System bietet bereits seit 2002 etwa die Marburger IPmotion GmbH [9] an. Über das System namens CAR-A-VAN.rail - ein modularer Mehrkanal-GPRS-Router - arbeiten beispielsweise bereits die Stuttgarter Stadtbahn und die estnische Eisenbahngesellschaft Edelaraudtee. Letztere bietet das Internet auf ihren Schnellzugverbindungen in der 1. Klasse sogar gratis an. Und rechnet vor, dass sich der ROI trotzdem binnen eines Jahres einstellt, wenn aufgrund des freien Internetangebotes bei jeder Fahrt nur ein Fahrgast mehr ein Ticket der 1. Klasse löst.

Schöne neue Welt?

Wie die geschilderten Beispiele zeigen, bildet die Technik längst kein Hindernis mehr für die umfassende Vernetzung des beruflichen wie privaten Lebens. In einer Gesellschaft, in der längst Information eines der wichtigsten Güter darstellt, wird der komplett vernetzte Mensch um 2010 die tägliche Realität sein. Rund um die Uhr zu Hause und im Büro, zu Lande, zu Wasser und in der Luft online, sieht er sich jedoch auch neuen Ärgernissen und Gefahren ausgesetzt.

Noch die geringste davon stellen Viren, Würmer und Trojaner dar. Hier sind vor allem die Hersteller der Endgeräte gefordert, Software und Protokolle sicher zu entwerfen und regelmäßig, möglichst für den Benutzer transparent, zu aktualisieren. Den Browser auf dem Laptop auf dem neuesten Stand zu halten, kann man dem Benutzer noch zumuten; regelmäßig Fehlerbereinigte Software auf der Waschmaschine, der Haussteuerung oder dem Online-System des Fahrzeugs einzuspielen, muss im Sinn der Benutzerfreundlichkeit und Betriebssicherheit künftig tunlichst automatisiert erfolgen.

Ein zunehmendes Problem stellt die Überflutung mit unerwünschten Informationen dar. Bei E-Mail betrifft das dort als Spam apostrophierte Ärgernis inzwischen mehr als die Hälfte aller in Deutschland empfangenen Nachrichten. In den USA werden nach Schätzung von Mail-Dienstleistern wie MessageLabs Ende 2004 sogar acht von zehn Mails in die Kategorie Spam fallen. Das Phänomen betrifft jedoch mitnichten lediglich die elektronische Post: Auch der Versand von SMS-"Spam" an Handys greift um sich. Dass zudem auf vernetzten Endgeräten gern jeder nur mögliche Angriffsvektor genutzt wird, zeigt auch das "Bluejacking" von Mobiltelefonen über die Bluetooth-Schnittstelle. Über gesicherte Kommunikationsprotokolle und Filtersoftware lässt sich Spam zwar abwehren. Dies bekämpft jedoch nur das Symptom, kuriert aber nicht das Problem. In der global vernetzten Welt fehlen hier international abgestimmte, gesetzliche Regelungen, die das Versenden von Spam jeder Art ächten und eine übergreifende Strafverfolgung ermöglichen.

Sinngemäß ähnliches gilt für das gravierendste Problem, dem sich der vernetzte Mensch gegenüber sieht - dem der Privacy. Der rund um die Uhr und an jedem Ort online präsente Benutzer hinterlässt Spuren, wird nachverfolgbar und protokollierbar. Wählt er sich von einem Mobilgerät aus ins Netz ein, lässt er sich über die verwendete Funkzelle lokalisieren und beim Wechsel der Funkknoten tracken. Jede Online Bestellung des vernetzten Kühlschranks, jede Abfrage beim Server des Unternehmens deponiert Datenreste im Netz, die sich schon mit heutiger Technik eindeutig dem Benutzer zuordnen lassen. Ohne supranational abgestimmte Datenschutzregelungen wird aus dem vernetzten Mensch zwangsläufig auch der transparente Bürger - George Orwell lässt grüßen. (mec)

Serie: Leben und Arbeiten im globalen Netz

Teil 1

Totale Vernetzung

Teil 2

Das Internet in der schönen neuen Welt

Quellen und Links:

[1] TMS Emnid (N)ONLINER Atlas, http://www.nonliner-atlas.de/

[2] The Radicati Group, "Corporate VoIP Market, 2004-2008", Telephony.pdf

[3] Futurelife-Projekt, http://www.futurelife.ch

[4] Siemens serve@Home, http://www.serve-home.de

[5] BMW ConnectedDrive, http://www.bmw.com/generic/com/de/fascination/technology/connecteddrive/

[6] Connexion by Boeing, http://www.connexionbyboeing.com/

[7] Lufthansa FlyNet, http://www.flynet.lufthansa.com/

[8] Deutsche Bahn rail&mail, http://www.bahn.de/pv/view/home/aktion/rail_and_mail.shtml

[9] IPmotion GmbH, http://www.ipmotion.de/