Kritisch für alle Webseiten: Nationalbibliothek will digitales Deutschland archivieren

20.09.2006
Schwere Zeiten für Online-Magazine, Firmen und Betreiber privater Webseiten. Die Neufassung des Gesetzes über die Deutsche Nationalbibliothek sieht vor, dass digitale Inhalte zur Archivierung bei der Nationalbibliothek einzuliefern sind, sonst drohen Strafen bis zu 10.000 Euro.

Seit dem 29.6.2006 gilt die neue Fassung des Gesetzes über die Deutsche Nationalbibliothek. Bis zu diesem Zeitpunkt wollte die Nationalbibliothek lediglich Druck-, Ton- und Filmerzeugnisse archivieren, um eine umfassende Referenz vorliegen zu haben.

Die Gesetzesänderung weitet den Zuständigkeitsbereich auch auf digitale Erzeugnisse aus. Paragraf 3 (3) bezeichnet das als „Medienwerke in unkörperlicher Form“ und definiert diese als „Darstellungen in öffentlichen Netzen“. Dazu lassen sich also im Prinzip sämtliche News, Artikel, Whitepaper, Online-Handbücher, Foren- und Blog-Einträge zählen.

Die Verantwortung für das Einliefern des digitalen Inhalts bei der Nationalbibliothek liegt übrigens gemäß Paragraf 14 beim „Ablieferungspflichtigen“. Und der definiert sich in Paragraf 15 wie folgt „Ablieferungspflichtig ist, wer berechtigt ist, das Medienwerk zu verbreiten oder öffentlich zugänglich zu machen und den Sitz, eine Betriebsstätte oder den Hauptwohnsitz in Deutschland hat.

Im Klartext: Nicht der Urheber ist dafür verantwortlich, sondern jeder, der das Veröffentlichungsrecht hat. Hinsichtlich der Art und Weise, wie die Inhalte zu übermitteln sind, ist die Lage derzeit etwas nebulös. Die FAQ der Nationalbibliothek führt aus:

„Alle zur Netzpublikation gehörenden Dateien müssen in eine Archivdatei gepackt werden, wobei als Dateiname eine vorher per E-Mail erhaltene Lieferungs-Identifikation und als Dateinamenserweiterung zip, tar, tgz oder tar.gz verwendet werden muss.“

Übermittlung der Inhalte

Zusätzliche Informationen kann man der „Hilfe zum Anmeldeformular: Erstmeldung“ entnehmen. Hier wird beispielsweise der „Typ der fortlaufenden Netzpublikation zur Bestimmung des Archivierungsverfahrens“ festgelegt. Tatsächlich relevant für einen Großteil der Online-Angebote dürfte wohl die folgende Definition sein:

„Der Datenbestand der fortlaufenden Publikation wird aktualisiert - inhaltliche Bestandteile werden ggf. gelöscht (Typ "Datenbank").“

Bei der Erstanmeldung ist der zum Zeitpunkt der Anmeldung bestehende vollständige Datenbestand als Snapshot zu übersenden. Es findet sich zwar kein konkreter Hinweis darauf, aber es steht zu vermuten, dass man damit einfach meint, sämtlichen Inhalt (HTML-Seiten, Bilder, Stylesheets) in ein Archiv zu packen und hochzuladen. Je nach Update-Häufigkeit der Website sind Aktualisierungen halbjährlich (vier und mehr Updates) oder jährlich (weniger als vier Updates pro Jahr) einzureichen.

Das Update kann auf zwei Arten erfolgen:

Offene Fragen und Probleme

Wie Webseiten oder Portale, die komplett datenbankgestützt agieren und deren Inhalte zum Großteil über eine Suchfunktion abgefragt werden, ihre Inhalte übermitteln sollen, so dass sie auch nutzbringend in der Nationalbibliothek abrufbar sind, ist noch offen.

Ebenso offen ist die Frage, ob und inwieweit der Inhalteanbieter seine Daten für die Nationalbibliothek aufbereiten muss, etwa wenn es um interne Verlinkungen geht. Wie sähe es mit Links aus, die auf dynamische Weise ausgewertet werden? Gehört die Werbung mit zum Inhalt?

Soll wirklich jede private Homepage und jedes Forum ins Nationalarchiv aufgenommen werden? Kann man es Privatleuten zumuten, diesen Aufwand zu betreiben? Immerhin drohen laut Paragraf 19 Absatz 3 Strafen bis zu 10.000 Euro.

Einen Hoffnungsschimmer bietet der Paragraf 19, der es dem für Kultur und Medien zuständigen Mitglied der Bundesregierung erlaubt, durch Rechtsverordnung zu regeln:

1. die Einschränkung der Ablieferungs- oder der Sammelpflicht für bestimmte Gattungen von Medienwerken, wenn für deren Sammlung, Inventarisierung, Erschließung, Sicherung und Nutzbarmachung kein öffentliches Interesse besteht…

Die Deutsche Nationalbibliothek ist in diesem Punkt aber sehr strikt. Der Süddeutschen Zeitung gegenüber äußerte sich Stephan Jockel von der Deutschen Nationalbibliothek wie folgt: „Nicht nur Online-Medien sind Veröffentlichungen. Auch eine private Homepage ist eine Publikation, ob mit Passwort geschützt oder nicht. Sie gehört genauso wie Weblogs und Foren zum kulturellen und geistigen Schaffen unserer Gesellschaft. Eine Pflichtablieferungsverordnung wird den Sammelauftrag noch einmal konkretisieren.” (mha)

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