Kostenkiller ohne Festplatte

04.02.2000
Thin Clients führen Client/Server-Umgebungen zu zentralem Management zurück. Sinkende Unterhaltungskosten und erhöhte Sicherheit gelten als weitere Vorzüge der Technik. Application Outsourcing könnte den Trend zum schlanken Rechner noch verstärken.

Von: Hartmut Lüerssen

Erholsame Stille am Arbeitsplatz. Kein Festplattensurren und üblicherweise kein Lüfterrauschen stören die Konzentration der Mitarbeiter. Außer dem Klappern der Tastatur geben die "Thin Clients" (TCs) keinen Laut von sich. Die Applikationen liegen zentral verwaltet auf den Servern, Software-Updates müssen nicht mehr mit besonderen Distributions-Tools über das LAN auf die Arbeitsplatzrechner verteilt werden. Turnschuh-Support gehört der Vergangenheit an. Wenn ein Anwender ein Problem meldet, loggt sich der Support-Mitarbeiter in die Session ein und hilft. Das klingt nach heiler Welt und wenig real, läßt sich in Thin-Client-Umgebungen aber relativ einfach realisieren. Der Einsatzbereich von Thin Clients reicht von Mainframe-3270-Anwendungen über X-Window-Sessions und Windows-Anwendungen bis zu Java-basierten Applikationen.

Sowohl "Windows-Based Terminals" (WBTs), die "Network Stations" von IBM als auch "Network Computer" (NC), die alle unter dem Oberbegriff Thin Clients firmieren, besitzen weder eine Festplatte noch andere lokale Laufwerke. Auch äußerlich ähneln sich die meist in einer Halterung stehenden oder liegenden Gehäuse. Dennoch gibt es Unterschiede, die sich vor allem in den Einsatzbereichen und Anwendungsmöglichkeiten der Geräte manifestieren. Außerdem verfolgen die Hersteller verschiedene Strategien, die es zu berücksichtigen gilt. So setzt etwa Sun beim Server-based Computing mit den "Sun-Ray"-Arbeitsstationen einen Sun-Server mit der entsprechenden Enterprise-Server-Software voraus, der dann auf verschiedene Host-Systeme zugreifen kann. Windows-Based Terminals dagegen können auch direkte Terminal-Sessions mit Host-Systemen aufnehmen, sind ansonsten aber für den Zugriff auf Windows-Anwendungen über einen Windows-NT-Server mit "Windows Terminal Server Edition" (TSE) oder später Windows 2000 vorgesehen. Bei Windows-Based Terminals läuft die Applikation vollständig auf dem ApplikationsServer oder Host, über besondere Protokolle wie das "Remote Desktop Protocol" (RDP) von Microsoft oder das "ICA-Protocol" (ICA = Independant Computing Architecure) von Citrix laufen nur die Tastatureingaben und Bildschirminformationen über das Netzwerk. Dementsprechend arbeiten die Rechner mit relativ schwachen Prozessoren. Inzwischen bieten die WBTs meist mehrere lokale Schnittstellen, die per Port-Mapping über den Windows-NT-TSE-Server angesteuert werden, der dafür aber zusätzliche Software benötigt. Außer Smart Card Reader zur sicheren Authentifizierung oder Druckern lassen sich auch Barcode-Scanner oder andere Peripheriegeräte wie Modems betreiben.

Als jüngster Trend setzen sich USB-Ports an den Geräten durch. Network Computer können mehr und liegen in der Anschaffung preislich etwas über WBTs und verfügen über eine größere Prozessorleistung, weil sie einen Teil der Last vom Server nehmen sollen. Sie haben eine Java Virtual Machine (JVM) und einen angepassten Web-Browser im Flash-Memory und können vom Server heruntergeladene Java-Applets ausführen. Daher sind sie auch variabler beim Applikationszugriff. Im Gegensatz zu Windows-Based Terminals unterstützen sie auch Dateneingabe per Touch-Screen. Video und Audio bieten beide Gerätegruppen, je nach eingesetzter Software sogar Audioeingabe, was sich etwa für Spracherkennungs-Software nutzen lässt.

Software als Entscheidungsfaktor

Innerhalb der Geräteklassen unterscheiden sich die Angebote der verschiedenen Hersteller weniger in der Geräteleistung als in der Management-Software drum herum. Genau dort liegt auch das große Potenzial zum Reduzieren der Kosten. Jeder Thin-Client-Hersteller bietet daher auch seine eigene Management-Suite an. Aber auch einzelne Zusatzfunktionen zur Session-Software können den Ausschlag zugunsten eines Anbieters geben. Obwohl Citrix den Softwaremarkt für Multi-User durch Windows-Applikationen mit dem Produkt "Meta-Frame" dominiert, und nahezu jeder Thin Client mit dem ICA-Client ausgeliefert wird, bietet das Produkt beispielsweise nur Audio-Output am Terminal. Audio-In- und -Output bietet dagegen etwa die Software "Thin Path Plus" von NCD, die auf dem RDP-Protokoll aufsetzt. Und nicht nur über diese Funktion konkurriert NCD mit Citrix. Die Thin-Path-Produktfamilie bietet auch eine "Mirroring"-Funktion, der das Session-Shadowing von Meta-Frame gegenübersteht, sowie ebenfalls ein Load-Balancing-Modul für Windows NT TSE und Windows-Based Terminals. Dabei lassen sich den Servern in der Load-Balancing-Farm auch einzelne Applikationen zuweisen.

Die Gerätemanagement-Software verwaltet die Thin Clients unabhängig von der eingesetzten Connectivity-Software und bezieht sich auf Funktionen wie Flash-Memory-Update, Wake-on-LAN-Funktionen und sämtliche Konfigurationsparameter des Clients. Sie lassen sich entweder für einzelne Arbeitsplätze, Gruppen oder global definieren. Unangenehmerweise sind die Management-Tools der verschiedenen Hersteller untereinander nicht kompatibel. Darum ist eine Single-Supplier-Lösung häufig die bessere Wahl, weil zentrales Management der Endgeräte durch mehrere Systeme unnötig komplizierter wird. Wenn aber verschiedene Einsatzbereiche und Gerätegruppen parallel betrieben werden sollen, kann es sich durchaus lohnen, für WBTs samt Management den Hersteller A zu wählen und für NCs einschließlich Management den Hersteller B. So kann die IT-Abteilung für jeden Einsatzzweck ihre bevorzugte Lösung installieren.

Application Service Provider

Einen zusätzlichen Schub bezüglich der Akzeptanz und Verbreitung von Thin Clients dürfte das Application Outsourcing bringen. Dabei tritt ein "Application Service Provider" (ASPs) gegenüber einem Unternehmen als Leistungsanbieter ähnlich einem Internet-Serviceprovider auf, nur dass er statt dem Internet-Zugang den Betrieb von Anwendungen anbietet und gegebenenfalls auch die Endsysteme beim Kunden installiert. Grundlage für die Dienstleistung sind dann sogenannte "Service Level Agreements" (SLAs), die etwa eine Mindestverfügbarkeit festschreiben oder bestimmte Antwortzeiten garantieren. Hält der ASP die SLAs nicht ein, zahlt er Vertragsstrafen. Das Geschäftsmodell des ASP basiert auf dem Kostenvorteil, der sich durch zentrales Software- und Speichermanagement ergibt, zusammen mit günstigen Konditionen bei einem Netzbetreiber oder Serviceprovider, mit dem er zusammenarbeitet, um die SLAs zu garantieren. Die günstigen Konditionen für Bandbreite und Dienstqualitäten erhält der ASP aufgrund der großen Datenmengen, die die Unternehmenskunden generieren.

Das Unternehmen profitiert davon, dass es Ressourcen in der IT-Abteilung spart und sich nicht um Software-Updates, Lizenzverwaltung und das Management der Clients kümmern muss. Je nach Szenario kann entweder der ASP ein Call-Center mit Hotline einrichten oder das Unternehmen behält diese Aufgaben im Hause.

Während in den USA das ASP-Modell in vielen Branchen boomt, reagieren Unternehmen hierzulande meist noch zögernd, wobei Outsourcing nicht mehr grundsätzlich auf taube Ohren stößt. Hersteller von ERP-Anwendungen wie SAP oder Peoplesoft zeigen großes Interesse an Application Outsourcing und treten entweder bereits in der Funktion eines ASPs auf oder erwägen diesen Schritt zumindest. Vermutlich werden Softwareanbieter besondere Lizenzmodelle entwickeln, die sich für eine Art "Pay-as-you- go"-Prinzip eignen, so dass der Anwender keine statischen Arbeitsplatz- oder Server-Lizenzen erwerben muss, sondern beispielsweise nach der monatlichen Nutzung oder der Datenmenge zahlt.

Einführung im Unternehmen

Beim Implementieren von Server-based Computing im eigenen Hause sollten die Projektleiter Tests durchführen, um die Zahl der Anwender pro Server zu bestimmen und die notwenige Hardwareausstattung festzulegen. Weil die Antwortzeiten sowohl von der Netzinfrastruktur als auch von der Art der Applikation und der Aktivität der Anwender abhängen, lassen sich nur schwer pauschale Richtwerte angeben. Microsoft bietet einen Ratgeber im Web an, der für Windows NT TSE je nach Ausstattung des Servers bis zu 15 Arbeitsplätze pro Server empfiehlt. Eigene Tests sind aber unerlässlich für optimale Ergebnisse.

Wenn Terminal-Arbeitsplätze durch Thin Clients ersetzt werden und im Rahmen der Umstellung auch noch grafische Anwendungsoberflächen erhalten, freuen sich die meisten Anwender. Ein Spannungsfeld kann sich allerdings in Unternehmen ergeben, wenn vorhandene PCs durch Thin Clients ersetzt werden sollen. Anders als beim Ersatz für reine Terminals fühlen sich dann manche Mitarbeiter in ihren Rechten beschnitten, weil sie die Kontrolle über den Arbeitsplatz verlieren.

Damit es im Rahmen einer solchen Umstellung nicht zu innerbetrieblichen Spannungen kommt, sollten die Projektleiter auch diesen psychologischen Aspekt beachten. Bei sauberer Implementierung und Netzwerkarchitektur steht dem Return on Investment dann nichts mehr im Wege.