Kopierschutz für Audio-CDs: Die zweite Runde

22.07.2003 von NICO ERNST 
Die Musikindustrie lässt nicht locker. Immer neue Verfahren sollen das Kopieren von Audio-CDs verhindern. Doch der Schutz ist weiterhin lückenhaft, und Probleme mit etlichen CD-Playern sind vorprogrammiert.

Die Umsätze der Plattenfirmen sind rückläufig. So meldet der Bundesverband der phonographischen Wirtschaft für das erste Halbjahr 2001 10,8 Prozent weniger verkaufte Tonträger als im Vorjahreszeitraum. Statt 121,8 Millionen Einheiten wurden nur noch 108, 7 Millionen Musikkonserven verkauft. Der Buhmann ist schnell ausgemacht: Laut Meinung des Geschäftsführers des Verbandes, Peter Zombik, ist allein die Verbreitung von CD-Recordern schuld: "Zentrale Ursache für die negative Marktentwicklung ist ein dramatischer Anstieg des CD-Brennens".

Einer Studie der GfK zufolge werden inzwischen massenhaft CD-Rohlinge mit Musik bespielt. Von April 2000 bis März 2001 sollen laut der Untersuchung 133 Millionen Rohlinge mit Musik gefüllt worden sein.

Cactus mit Problemen

Als Resultat flüchtet sich die Branche vor digitaler Vervielfältigung in den technischen Schutz ihrer Produkte. Bereits Anfang 2000 war hier BMG, die Plattenfirma im Bertelsmann-Konzern, vorangeprescht. Sie hatte versucht, das Verfahren "Cactus Data Shield" zu etablieren. Da sich der Schutz aber leicht aushebeln ließ und auf einigen CD-Playern das Abspielen ganz verhinderte, zog man die Technik schnell wieder zurück. Details zu dieser Aktion sind einem eigenen Report zu entnehmen.

Inzwischen liegt die Version "Cactus Data Shield 200", kurz CDS200 vor. BMG verwendet sie seit Sommer 2001 auf einigen Neuerscheinungen. Noch einen Schritt weiter geht das Label Zomba Records. Dort bringt man nach eigenen Angaben nur noch CDs auf den Markt, die mit "key2audio" geschützt sind. Zwei verschiedene Arten des Kopierschutzes sind also schon im deutschen Markt vertreten - ohne dass man die Kunden vorher darüber aufgeklärt hätte. Und dabei wird es nicht bleiben: Mindestens vier kommerzielle Verfahren buhlen um die Gunst der Plattenfirmen.

Keine Infos zum Schutz

Wie dieser Kopierschutz genau funktioniert, will die Musikindustrie natürlich nicht verraten. Tat sich die Branche auf der letzten Musikmesse Popkomm noch mit zahlreichen Presse-Mitteilungen zum Thema hervor, herrscht nun eisernes Schweigen. Bei Zomba-Records hieß es nach vielen Anrufen gegenüber tecChannel.de: "Wir haben strikte Anweisung vom Management, zum Kopierschutz keinerlei Anfragen mehr zu beantworten."

Einer der Gründe dafür dürfte die Vielzahl von Anleitungen zum Umgehen des Schutzes sein, die in allen Medien verbreitet wurden. Ein Manager eines anderen Labels meinte: "Sie wissen ja, wie diese PC-Zeitschriften sind - die liefern auf den CDs gleich noch die Programme mit, die man braucht, um unseren Schutz zu umgehen."

Schutzverfahren im Überblick

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CDS200: Kein echter Schutz

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key2audio

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Aktuelle Probleme

Die manipulierte TOC bei beiden Verfahren hat neben dem Kopierschutz für PCs einen gewaltigen Nachteil: Auch manche Audio-Geräte kommen damit nicht klar. Als Beispiel dient hier Sonys MXD-D3. Dieser erst vor 18 Monaten eingeführte CD-Player verfügt über einen eingebauten MiniDisc-Recorder und kann ungeschützte CDs mit vierfacher Geschwindigkeit auf die MD kopieren. Sowohl mit CDS200- als auch key2audio-geschützten Audio-CDs versagt er jedoch.

Die im oben stehenden Bild angezeigte Fehlernummer C41 gibt laut Handbuch des Geräts eine fehlerhafte TOC auf der CD an. Abspielen kann der MXD-D3 die CD jedoch, nur eben nicht kopieren. Warum der Käufer einer CD diese aber nicht auf eine MD kopieren soll, um seine Musik auch unterwegs zu hören, leuchtet kaum ein. Immerhin ist das Angebot an bespielten MDs immer noch äußerst karg.

Daneben verhindert keines der getesteten Verfahren das Kopieren über den Digitalausgang eines CD-Players. Sowohl in einen PC mit entsprechender Soundkarte wie auch auf andere HiFi-Geräte ließen sich die geschützten CDs einwandfrei kopieren.

Mangelhafte Kennzeichnung im Handel

An der rechtlichen Situation hat sich bei kopiergeschützten Audio-CDs laut Aussage des Rechtsanwalts Christian Czirnich seit dem ersten Cactus Data Shield nichts geändert: Sie müssen eindeutig gekennzeichnet sein, sonst besteht ein Rückgaberecht. Die Hintergründe dazu sind in einem eigenen Artikel zu finden.

Die Plattenfirmen wollen dem Kunden dennoch die geschützten CDs lieber subkutan verabreichen. So ist auf der Single "Fiesta" des Rappers R. Kelly (Zomba, key2audio) äußerlich nicht der geringste Hinweis auf einen Kopierschutz zu finden. Ist die CD eingeschweißt, hat der Kunde keine Möglichkeit zu erkennen, dass es sich um eine key2audio-Scheibe handelt. Nur auf der CD selbst steht "This CD is not playable on computers."

BMG kennzeichnet Musik mit CDS200 zwar äußerlich, aber keinesfalls besser. Auf der Rückseite der CDs befindet sich ein sieben mal sieben Millimeter kleines Logo, das die winzige Schrift "Kopiergeschützte CD" enthält. Mit bloßem Auge ist dieser Hinweis kaum zu entziffern, er geht außerdem in den fünf anderen Logos völlig unter.

Was sich hinter dem Schutz verbirgt, gibt BMG nicht an - immerhin kann man die Musik ja noch auf Windows-PCs hören. Mit Rechnern unter Linux oder MacOS aber nicht. Es sei denn, man findet einen Weg, die Daten auf die Festplatte zu kopieren, was den Schutz endgültig ad absurdum führt.

Fazit

Selbst nach den niederschmetternden Erfahrungen mit Cactus Data Shield beharrt die Musikindustrie auf dem Kopierschutz. Da man sich nicht auf einen Standard einigen kann, ist weiterer Ärger mit inkompatiblen Geräten vorprogrammiert. Die Hersteller von HiFi-Equipment haben keine Chance, ihre Geräte an die sich ständig ändernden Schutzverfahren anzupassen. Besonders gespannt dürfen CD-Käufer auf SafeAudio sein, das erstmals die Musikdaten selbst manipuliert und die Fehlerkorrektur von Computer-Laufwerken austricksen soll.

Die aktuell am Markt befindlichen Verfahren sind kompatibler als die ersten Versuche vor gut einem Jahr. CDs mit CDS200 und key2audio liefen auf rund 20 getesteten CD-Playern.

Wohin die weitere Entwicklung geht, zeigen erste Gerüchte um CDS300, das voraussichtlich 2002 erscheint. Hier sollen computertaugliche Musikdateien gleich mitgeliefert werden - aber in einem proprietären Format, das Digital Rights Management unterstützt. Die kopiergeschützte Audio-CD mit einem eigenen Computer-Format der Musik könnte damit die Kontrolle über die Musik wieder voll in die Hand der Plattenfirmen legen. Doch auf Grund des eng umrissenen Red-Book-Standards für Audio-CDs wird sich mit etwas Aufwand jede CD am PC auslesen lassen. Die Hersteller von bitgenauer Kopier-Software für CD-ROMs haben bereits die Arbeit am Audio-Kopierschutz aufgenommen. (nie)