Komplettsystem aus einem Guss

05.04.2002
Der Business Communications Manager (BCM) von Nortel Networks stellt kleineren Unternehmen moderne Sprach/Datenkommunikation in einer Box zur Verfügung. Per Lizenz-Key lässt sich das Voice-over-IP-System zu einer Call-Center- und Unified-Messaging-Lösung ausbauen.

Von: Benedikt Lipp, Christoph Lange

Auch beim zweiten Kandidaten der NetworkWorld-Testreihe kleiner VoIP-Systeme standen Parameter wie Leistungsfähigkeit, Zuverlässigkeit und Sprachqualität im Vordergrund. Nortel Networks bietet neben VoIP-Anlagen für große Umgebungen auch für das Marktsegment bis 100 Teilnehmer ein Produkt an: Den "Business Communications Manager" (BCM) mit IP-Telefonen und Softwarephones.

Business Communications Manager

Mit dem BCM bietet Nortel Networks ein so genanntes Office-in-a-Box-System an, bei dem eine Kombination von Sprach- und Datenlösungen sowie leistungsstarke Applikationen in einem Chassis implementiert sind. Der BCM ist ein 19-Zoll-Gerät, dem als Basis ein gekapseltes Windows-NT-System dient. Eine wichtige zusätzliche Ressource ist die "Media Service Card", die für Rufverarbeitung, Sprachkompression und weitere Funktionalitäten verantwortlich ist. Die Karte ist mit einem eigenem Echtzeit-Betriebssystem, Speicher sowie separater Rechenleistung ausgestattet. Sie erhöht die Verfügbarkeit der Sprachanwendungen, weil das Teilsystem unabhängig von Windows läuft.

Der BCM ermöglicht über Module den Betrieb von bis zu 60 IP- und 32 digitalen System-Telefonapparaten sowie DECT-Funkzellensystemen. Analoge Komponenten wie Faxgeräte sind über einen Adapter an den digitalen Ports nutzbar.

Das System stellt maximal 36 BRI- oder 3 PRI-ISDN-Schnittstellen für Sprachverbindungen zum öffentlichen Netz zur Verfügung. Darüber hinaus kann ein anderer Typ von ISDN-Karten für Datenverbindungen eingebaut werden, sodass der BCM gleichzeitig auch als Remote-Access-Router agiert, der PPP (Point-to-Point Protocol) versteht. Zudem ist ein Frame-Relay-Modul erhältlich. Damit geht der BCM weit über normale Anforderungen an eine TK-Anlage hinaus.

Als Anlagen-Sprachsignalisierungsprotokoll setzt der Hersteller die Eigenentwicklung "UNISTIM" ein. Demnächst soll sich auch H.323 nutzen lassen. Neben G.711 ist auch die Sprachkompression mit G.729 und G.723 nutzbar.

Der BCM integriert Anwendungen wie Call-Center-Lösungen, Unified Messaging sowie zahlreiche Netzwerkdienste, unter anderem Router und Firewall sowie DHCP-Server. In Windows-Netzen kann der BCM die Rolle des primären Domänen-Controllers übernehmen. Viele Funktionen sind standardmäßig verfügbar. Die Call-Center- und Unified-Messaging-Applikationen werden mittels kostenpflichtiger Key-Codes freigegeben.

Das VoIP-Netzwerk lässt sich von einem Client aus über einen üblichen Web-Browser konfigurieren und verwalten. Die Oberfläche hat eine klare übersichtliche Gliederung und bietet viele Funktionen. Als Hilfe ist eine PDF-Datei hinterlegt. Das GUI war beim Testsystem in englischer Sprache vorhanden. Laut Hersteller ist mittlerweile eine deutsche Version erhältlich. Ein Expansion-Chassis kann durch Stacking weitere sechs Module bereitstellen.

Softphone i2050

Für die Installation des Softphones wird die Software vom BCM auf einen herkömmlichen PC mit IP- Netzwerkanbindung heruntergeladen. Das Softphone "i2050" lässt sich entweder über den USB-Port oder die PC-Soundkarte mit einem Headset verbinden. Laut Hersteller stellt das spezielle Nortel-USB-Headset eine hohe Qualität sicher.

Die Clientsoftware hat uns in den Tests sehr gut gefallen, da sie übersichtlich strukturiert und selbsterklärend zu bedienen ist. Die Oberfläche, die Nortels IP-Hardware-Telefon nachempfunden ist, bietet im oberen Teil ein großes Display mit Anzeige von Datum, Uhrzeit sowie rufender oder gewählter Nummer. Darunter schließen Zifferntastatur, Funktionstasten und Kurzwahltasten an. Darueber hinaus ist ein lokales Telefonbuch im Softphone integriert. Das i2050 verfügt des Weiteren über eine Schnittstelle zur Nutzung von TAPI (Telephony Application Programming Interface). Die grundlegenden Funktionen des Systems wie Wahlwiederholung, Rufweiterleitung, Rufumleitung, Makeln oder Konferenz ließen sich einfach und sicher verwenden.

IP-Telefon i2004

Das IP-Telefon "i2004" von Nortel ähnelt stark herkömmlichen Apparaten, wodurch es einfach zu bedienen ist. Das große LCD-Display mit mehreren Feldern ist übersichtlich gestaltet. Die sechs programmierbaren Tasten lassen sich an persönliche Bedürfnisse anpassen. Das Gerät beschriftet die Funktionstasten automatisch mit der entsprechenden Funktion auf dem Display.

Wir prüften die Basisfunktionen des Systems wie Wahlwiederholung, Rufweiterleitung, Rufumleitung, Makeln, Konferenz. Alle arbeiteten zuverlässig. Aufgefallen ist uns, dass der Anrufer erst relativ spät die Rufsignalisierung hört.

Es besteht die Möglichkeit, die IP-Telefone über die Ethernet-Verkabelung mit Energie zu versorgen. Die Stromversorgung erfolgt über ungenutzte Leitungspaare im Ethernet-Kabel. Das i2004 erlaubt das Einstecken eines Mini-Switches in die Gerätekonsole. Das Portfolio wird ab April 2002 mit einem kleineren Modell, dem "i2002", komplettiert, das auch über einen eingebauten Switch verfügt.

Teleworking-Qualität

IP-Netze können einen nur unzureichend gesicherten Dienst leisten, wodurch mitunter bei großen Entfernungen hohe Paketverluste und Latenzzeiten sowie Laufzeitverschiebungen entstehen. Weiterhin ist für schmalbandige Verbindungen eine hohe Komprimierung der Sprachdaten erforderlich. Um dies gezielt nachzustellen, nutzen wir den WAN-Emulator "Storm" der Firma Shunra. Das Gerät beschneidet die Bandbreite individuell in beide Richtungen. Außerdem kann es Pakete verwerfen und/oder verzögern.

Anfangs führten wir wie beim Test mit The Box einen Referenztest mit unbegrenzter Bandbreite von 10 MBit/s und ohne Verzögerungen oder Paketverluste durch. Eine Verbindung kam sicher zustande, und die Verständlichkeit war zwischen Softphone und IP-Telefon sowie zwischen zwei Hardware-IP-Telefonen bei allen Komprimierungsarten einwandfrei.

Bei der folgenden Begrenzung der Bandbreite auf eine Modem- oder ISDN-Verbindung wählten wir moderate Werte für Paketverlust, Verzögerung und Laufzeitverschiebung. Die Verbindung war unter Verwendung von G.711 erwartungsgemäß nicht nutzbar, da die verfügbare Bandbreite für diesen Codec nicht ausreichte. Mit den um einen Faktor von zirka 1:8 komprimierenden Codecs G.723 und G.729 erzielten wir gute Verbindungsqualitäten in beiden Telefonkombinationen. Hier waren lediglich leichte Verzögerungen und seltene Aussetzer im Sprachfluss festzustellen. Bei der Simulation einer DSL-Verbindung kamen die Werte der Sprachqualität nahe an die Referenzmessung heran. Unter G.723 und G.729 waren nur sehr wenige Aussetzer zu erkennen.

Im letzten Testabschnitt interessierte uns wiederum die Änderung der Verbindungsqualität bei zunehmendem Paketverlust. Bei einer Bandbreite von 128 KBit/s erhöhten wir den Paketverlust stufenweise, Verzögerung oder Laufzeitverschiebungen wurden diesmal nicht simuliert. Selbst bei zwölf Prozent Paketverslust war eine Verständigung mit vielen Aussetzern und Verzögerungen noch zwischen allen Telefonen sowohl mit G.711, G.723 als auch G.729 möglich. Erst bei 15 Prozent Paketverlust war die Verbindung unbrauchbar.

Fazit

Das Office-in-the-Box-System BCM von Nortel Networks ist eine Komplettlösung für die Kommunikationsanforderungen kleiner Unternehmen im Sprach- und Datenbereich. Die Ausstattung umfasst unter anderem eine Call-Center-Lösung und einen IP-Router. Die Anlage hinterließ im Test der Sprachfunktionen einen hochwertigen und ausgereiften Eindruck. Man merkt ihr an, dass der Erfahrungsschatz eines etablierten Telekommunikationsunternehmen in die Entwicklung eingeflossen ist.

Testergebnisse und technische Daten

Business Communications Manager

Hersteller:

Nortel Networks

www.nortelnetworks.com

Preis: BCM für 50 Benutzer (inkl. Server-/S2M-Hardware u. Client-Lizenzen): 11 581 Euro

i2004: 450 Euro

i2050 IP Telephone Set Softphone und USB Audio Kit: 200 Euro

Technische Daten:

Voice-over-IP-Lösung für kleine bis mittlere Unternehmen

Testergebnisse:

+ Kompakter VoIP-Server mit integrierter digitaler TK-Anlage und IP-Router

+ Umfangreiches Portfolio mit digitalen und IP-Telefonen sowie DECT-Stationen

+ Stabil und einfach zu bedienen

- Hardwaretelefon i2004 nur mit externen Ethernet-Switches verfügbar