Kommunikationssteckdose wird Realität

06.07.2001
Ende März stimmte der Bundesrat drei Rechtsverordnungen zu und machte damit den Weg frei für Rundfunk-, Medien- und Teledienste, die Stromleitungen als Übertragungsmedium nutzen. Service Provider haben bereits begonnen, entsprechende Netzwerkservices mithilfe der PowerlineCommunication-Technik anzubieten.

Von: Gerhard Kafka

Daten über Stromleitungen zu transportieren, galt lange Zeit wegen der Störfelder als technisch problematisch. Das ist heute anders. Energieversorgungs-Unternehmen preisen die Datenübertragung über "Powerlines" (Powerline Communication: PLC) als Alternative zu ISDN oder Kabel-TV-Netzen und stellen auf diesem Weg Telefondienste und den Zugang zum Internet bereit.

Gegenwärtig setzen die Service Provider zwei Verfahren für die Powerline-Kommunikation ein: Schmal- und Breitband-Modulationsverfahren. Die Schmalband-Variante hat zwar Vorteile bei Übertragungskanälen mit geringen Störungen, stellt aber nur eine Bandbreite von wenigen 100 kBit/s bereit. Die typischen Modulationsverfahren sind die Frequenzmodulation (Frequency Shift Keying: FSK) oder die Quadratur-Phasenmodulation (Quadrature Phase Shift Keying: QPSK). Die Amplitudenmodulation (Amplitude Shift Keying: ASK) spielt keine Rolle.

Breitband- oder Spreizbandverfahren (Spread Spectrum) zeichnen sich durch hohe Redundanz bei der Signalübertragung aus. Sie sind gegen Störungen unempfindlicher. Deshalb setzen PLC-Hersteller wie Ascom Powerline in ihren Produkten die von Wireless LANs her bekannte OFDM-Modulation (Orthogonal Frequency Division Multiplexing) ein. Für die Powerline-Kommunikation im Rahmen der europäischen Cenelec-Norm lässt sie sich jedoch nicht verwenden, weil dafür ein zu großer Frequenzbereich erforderlich ist.

Standards für die Powerline-Kommunikation

Die Datenkommunikation mit niedrigen Bitraten regelt seit 1990 die Europäische Norm 50065, insbesondere die Nutzung des so genannten Cenelec-Bandes. Es belegt den Frequenzbereich zwischen 3 und 148,5 kHz und deckt damit nur einen geringen Teil des potenziellen Frequenzbereichs für die digitale Powerline-Übertragungstechnik ab. Energieversorger dürfen das Cenelec-A-Band unterhalb von 95 kHz für ihre Datenanwendungen verwenden. Für die private Nutzung innerhalb von Gebäuden sind die Bänder B, C und D vorgesehen, die unter optimalen Bedingungen Datenraten von bis zu 300 kBit/s erlauben. Das ist aber viel zu wenig für Multimedia-Anwendungen.

Höhere Bandbreiten erfordern auch höhere Frequenzen bis in den Bereich von 30 MHz hinein, die aber heute noch nicht für PLC-Systeme freigegeben sind. In Deutschland gilt im Zusammenhang mit den im Kasten erwähnten Rechtsverordnungen die Nutzungsbestimmung 30 (NB 30). Sie regelt die zulässigen Störfeldstärken von metallischen Leitern im Frequenzbereich bis 3 GHz. Eine PLC-Arbeitsgruppe des European Telecommunications Standards Institute (ETSI) arbeitet seit September 1999 an einem international gültigen Standard für die Datenübertragung über Stromleitungen. Er soll bis Ende des Jahres fertig sein.

Hersteller und Netzbetreiber haben die Chancen der PLC-Technik im stark wachsenden Telekommunikationsmarkt erkannt. Deshalb wurde zur Beschleunigung des Standardisierungsprozesses das PLC-Forum gegründet. Es ging aus dem Powerline Telecommunications Forum e.V. und International Powerline Communications Forum hervor. Das Sekretariat des PLC-Forums hat seinen Sitz bei der Ascom Powerline Communications AG, die auch zu den Gründungsmitgliedern zählt.

Vielseitige Einsatzgebiete für die PLC-Technologie

Die PLC-Technologie lässt sich sowohl auf Mittelspannungsleitungen (6,6 bis 20 kV) als auch auf Niederspannungsleitungen einsetzen, um die "Letzte Meile" zu überbrücken. Im Niederspannungsbereich wird zusätzlich zwischen Outdoor-Systemen (380 V) und Indoor-Installationen (220 V) unterschieden. Wegen der denkbar ungünstigen Übertragungseigenschaften von Starkstromleitungen für informationstechnische Signale funktioniert die PLC-Technologie nur über Entfernungen von bis zu 300 Metern, mit Repeater beträgt die Reichweite bis 500 Meter.

Neben Diensten wie Internetzugang und Telefonie bietet die PLC-Technik eine Fülle weiterer Einsatzmöglichkeiten im Bereich der so genannten energienahen Dienste. So könnte beispielsweise der Energieverbrauch von Elektrogeräten wie Waschmaschinen oder Warmwasserbereitern zentral gesteuert werden, wobei Verbrauchsspitzen und besonders günstige Tarife berücksichtigt würden. Außerdem ließe sich elektrischen Haushaltsgeräten oder Fertigungsmaschinen eine individuelle Internetadresse zuteilen. Störungen würden dann automatisch an eine Service-Zentrale gemeldet, ebenso wären Ferndiagnose und Software-Updates über die Steckdose möglich. Ein weiteres Anwendungsfeld ist die Überwachung von Häusern und Wohnungen.

Für die Energieversorger als Eigentümer der Infrastruktur wird das Fernablesen der Stromzähler über PLC eine wichtige Rolle spielen. Nur mit Hilfe einer Online-Ablesung, wie sie bereits heute im skandinavischen Raum praktiziert wird, kann der Kunde flexibel zwischen verschiedenen Anbietern auswählen. Andererseits haben die Energieversorgungs-Unternehmen die Möglichkeit, ihren Kundenkreis zu erweitern.

Schließlich lässt sich mit der PLC-Technik auch in Altbauten oder denkmalgeschützten Gebäuden eine IT-Infrastruktur bereitstellen, ohne dass dafür neue Kabel verlegt werden müssen. Interessant könnte die PLC-Technologie auch für die Anbieter von Inhalten (Content Provider) werden, weil damit eine neue Variante der Wertschöpfungskette entsteht.

Um unterschiedliche Dienste bereitzustellen, bietet es sich an, Outdoor- und Indoor-Systeme miteinander zu kombinieren. Die Schnittstelle zwischen beiden bildet der Stromzähler, der zur Verbindung der beiden Systeme überbrückt werden muss. Die amerikanische "Home Plug Powerline Alliance", der unter anderem Firmen wie Compaq, Intel, Motorola, AMD, Cisco, S3 Diamond Multimedia, Texas Instruments und Matsushita angehören, hat im Januar 2001 den Entwurf eines Standards zur Heimvernetzung verabschiedet. Damit sollen sich auch TV-Geräte, Videorecorder oder Stereoanlagen unterschiedlicher Hersteller miteinander koppeln lassen.

Andere Unternehmen wollen nicht die Stromverkabelung, sondern das hausinterne Telefonnetz als preiswertes Übertragungsmedium nutzen. Allerdings ist das Stromnetz normalerweise in Gebäuden viel feiner verzweigt und steht praktisch in jedem Raum zur Verfügung. So könnten Kühlschrank, Stereoanlage und Mikrowellenherd miteinander kommunizieren. Steuern lässt sich dies beispielsweise über den heimischen PC oder auch über das Internet. Dank der Vernetzung von Videorecorder und Internet-PC wäre es beispielsweise möglich, das Gerät vom Rechner im Büro oder sogar vom Handy aus zu programmieren. Anfang Mai wurde in einem Feldversuch die Praxistauglichkeit mit Prototypen verschiedener Hersteller erfolgreich getestet. Ziel der Home-Plug-Technik sind Datenraten von bis zu 10 MBit/s.

Überschaubare Zahl von Herstellern

Nach dem Ausstieg der großen Hersteller Norweb (Nortel Networks) und Siemens aus der Powerline-Technik teilen sich praktisch zwei Firmen den Weltmarkt: die schweizerische Ascom Powerline Communications AG und die israelische M@in.net Ltd. Das Powerline Center auf der CeBIT 2001 vermittelte einen guten Überblick über die zur Verfügung stehenden Produkte. Aussteller waren unter anderem Alcatel, Ascom, Datasoft, Enikia, Inari, Intellon, M@in.net, Power Plus, Nams, Phonex, Polytrax und Powertec.

Die Ascom-Powerline-Technik transportiert breit- und schmalbandige Datenströme sowie Sprachsignale über das Niederspannungsnetz 230/400 V bis zu den Steckdosen in Gebäuden. Das Konzept beruht auf einem Master-Slave-Prinzip und nutzt zur Modulation das GMSK-Verfahren (Gaussian Minimum Shift Keying). Das Frequenzband zwischen 1,6 und 30 MHz wird für den Access- und Indoor-Bereich aufgeteilt. Die tieferen Frequenzen von 1,6 bis etwa 13 MHz stehen für den Zugang zur Verfügung. Mit ihnen lassen sich Entfernungen von 200 bis 300 Meter ohne Einsatz eines Repeaters überbrücken. Für die in vielen Fällen unstrukturierten Netze im Inneren von Gebäuden werden die Frequenzen zwischen 10 und 30 MHz genutzt. Die Übertragungsdistanzen - ohne Repeater - liegen bei 100 Meter.

Die Datenraten der ersten serienreifen Produktgeneration erreichen bis zu 4,5 MBit/s. Welche Bandbreite und Reichweite tatsächlich erzielt wird, hängt einerseits von den Netzstrukturen ab, beispielweise ob Erdkabel oder Freileitungen genutzt werden. Andererseits spielen die Richtlinien in den einzelnen Ländern eine Rolle. Mittelfristig strebt Ascom Werte von bis zu 20 MBit/s an.

Die Ascom-PLC-Produktfamilie besteht heute aus folgenden Komponenten:

- dem Outdoor-Master zur Steuerung und Verteilung von Sprache, Daten;

- einem Outdoor-Access-Point: Er empfängt und sendet Signale vom und zum Outdoor Master;

- dem Indoor-Controller: Das Gerät übermittelt die Signale zu den Powerline-Adaptern;

- dem Powerline-Adapter, einer Plug-and-Play-Lösung zur Verbindung von Endgeräten mit dem "Daten-Strom".

Alcatel Kommunikationselektronik benutzt für seine PLC-Übertragungstechnik "Line Runner PDSL" die Mittelspannungsebene (20 bis 30 kV), um darüber Punkt-zu-Punkt-Verbindungen mit 2 MBit/s aufzubauen. RWE hat mit Hilfe dieser Technik in einem Feldversuch bereits rund 200 Privat- und Geschäftskunden in Essen angeschlossen. City-Carrier wie MA-Net/Stadtwerke Mannheim (MVV-Energie AG) mit rund 40 Pilotstrecken oder R-Kom greifen ebenfalls auf die Line-Runner-PDSL-Systeme zurück. Ferner ist die Technik von Alcatel seit 1999 bei den EnBW-Kunden in Herrenberg im Einsatz.

Die in München ansässige Polytrax konzentriert sich mit ihrem System dagegen auf den Heimmarkt. Die PTX2-Produktfamilie arbeitet in Europa in den freigegebenen Cenelec-Bändern B und D. Die maximale Übertragungsrate liegt bei 150 kBit/s. Das reicht nach Angaben des Herstellers aus, um im Web zu surfen, zu telefonieren oder um Fernseher oder Stereoanlage mit Lautsprechern zu verbinden. Seit der CeBIT 2001 vermarktet auch die Powertec AG die Polytrax-Produkte "Asop" und "Asoss". Powertec hat in Europa bereits über 750 000 PLC-Lösungen installiert. Hinter Polytrax stehen finanzkräftige Investoren wie die Deutsche Telekom und France Télécom, außerdem einige Venture-Capital-Geber. Dies ist einer der Gründe, weshalb das Unternehmen innerhalb kurzer Zeit seine Position im PLC-Markt ausbauen konnte.

In der Bundesrepublik haben bereits einige Service Provider PLC in ihr Produktportfolio aufgenommen und bieten entsprechende Dienste an. So zeigt RWE am Beispiel einer Musterwohnung in der Kruppstraße 5 in Essen, wie das voll vernetzte Haus der Zukunft aussehen könnte. Dort sind Powerline-Anwendungen in einer realen Wohnumgebung zu sehen. Besucher können mit "RWE Powerline" telefonieren oder im Internet surfen.

Die ersten PLC-Angebote in Deutschland

Die RWE-Tochter RWE Powerline GmbH bietet seit Mitte 2001 in ausgewählten Gebieten mit RWE Powernet und Ascom-Produkten einen Highspeed-Internetzugang über die Steckdose an. Das Basisangebot kostet 49 Mark im Monat und schließt ein Datenvolumen von 250 MByte mit ein. Intensivnutzer erhalten für 99 Mark ein Transfervolumen von 2 GByte. Insgesamt werden vier Tarifmodelle für unterschiedliche Nutzerverhalten angeboten. Das erforderliche Modem kostet je nach Modell zwischen 200 und 350 Mark, die monatliche Grundgebühr liegt zwischen 49 und 250 Mark.

Ebenfalls in das Geschäft mit Daten- und Sprachdiensten über Stromkabel will der Mannheimer Energieversorger einsteigen. Die Firma hat zu diesem Zweck zusammen mit M@in.net das Gemeinschaftsunternehmen Power Plus Communication AG gegründet. Es will demnächst über das Stromnetz den Zugang zu Telefon- und Internetdiensten anbieten. In einem Internet-Cafe, das im Landesmuseum für Technik und Arbeit eingerichtet wurde, können die Besucher die neue Technologie in der Praxis ausprobieren. Im Lauf dieses Jahres sollen noch 3000 Kunden in Mannheim mit "Vype" einen schnellen Internetzugang über die Stromleitung erhalten.

Zufriedene Testkunden vermeldet auch der Energieversorger EnBW in Baden-Württemberg. Nach leidvollen Erfahrungen mit den PLC-Aussteigern Norweb und Siemens ist auch dieses Unternehmen schließlich bei Ascom als Lieferanten gelandet. Das geplante Dienstportfolio umfasst Internet mit Übertragungsraten von über 1 MBit/s, E-Commerce und Voice over IP(VoIP). Zusätzlich stehen noch stromnahe Dienste zur Auswahl (siehe Ticker-Kasten auf dieser Seite). Allerdings müssen sich Interessenten noch gedulden, bis sie diese Services ordern können. EnBW will erst die Resultate des Testbetriebs auswerten und die Dienste verbessern, bevor sie in das Produktportfolio übernommen werden. (re)

Zur Person

Gerhard Kafka

arbeitet als freier Fachjournalist für Telekommunikation in Egling bei München.