Kommunikationsdienste konvergieren

22.06.2001
Die Technik, Sprache über das IP- Protokoll zu übertragen, bietet zahlreiche neue Interaktionsmöglichkeiten und Services. Die wirtschaftliche Bedeutung der IP-Telefonie liegt dabei nicht in den vordergründig billigeren Kommunikationskosten, sondern im effizienten Einsatz der neuen Dienste.

Von: Bettina Dauphin

Deutsche Firmen werden in den nächsten Jahren erhebliche Summen in Voice-over-IP-Lösungen (VoIP) investieren. Wie das Consultingunternehmen Techconsult prognostiziert, sollen es 2002 bereits 140 Millionen Euro sein.

Die Bedeutung der Internettelefonie liegt in der Verknüpfung von Sprach- und Datenübertragung. Die Sprache wird digitalisiert, in Datenpakete zerlegt und mittels Internetprotokoll über Datenleitungen verschickt, um am Endpunkt wieder in Sprache umgewandelt zu werden. Die älteste und kostengünstigste Variante dieses Verfahrens ist das Telefonieren von PC zu PC.

Mit VoIP verschmelzen Mobiltelefonie, klassische Festnetztelefonie und IP-Telefonie sowie Internetdienste wie E-Mail zu einem Sprach-/Datendienst auf einem gemeinsamen Netz. Das macht Einsparungen bei Anschaffung, Wartung und Kommunikation möglich. Gleichzeitig lassen sich auf dieser Basis so genannte Value-Added-VoIP-Services entwickeln, die es in den vergangenen Monaten von innovativen Servicekonzepten zu marktreifen Produkten und Diensten gebracht haben.

VoIP ermöglicht Unified Messaging

Das standardisierte Internetprotokoll erlaubt im Gegensatz zum normalen Telefon, Informationen und Nachrichten zwischen beliebigen Übertragungsmedien und Endgeräten (Telefon, Fax, Video, E-Mail, SMS, Funk, Pager und so weiter) auszutauschen. Unified Messaging Systeme (UMS) verbinden die Kommunikations-Endgeräte in einem einzigen Kommunikationsservice mit einer einheitlichen Benutzeroberfläche am PC und einer diensteübergreifenden Benutzerführung durch Telefon oder Internet. Mail-to-Fax-Services, Call-Back-Buttons und die Weiterleitung einer gesprochenen Nachricht als E-Mail sind nur einige der Möglichkeiten, die Telefonieren mit Mehrwert ausstatten.

Lebenslang dieselbe Rufnummer

Über "International-Universal-Personal-Telecommunications"-Services (International UPT) lassen sich alle Telekommunikationsteilnehmer über eine einzige Nummer weltweit auf jedem beliebigen Endgerät erreichen.

So ist der Geschäftsmann in seinem Büro, im Auto, im Home Office oder im Hotelzimmer jederzeit unter derselben Nummer erreichbar - sofern er dies wünscht. Befindet er sich nicht in seiner "Home Domain", kann er von einer anderen Domain aus angeben, wohin ankommende Rufe geleitet werden sollen ("In-Call Registration"). Per "Out-Call Registration" kann er bestimmen, von welchem Endgerät aus er Verbindungen aufbauen will.

Durch In-Call und Out-Call Registration ist die Unabhängigkeit vom Ort gewährleistet; die Funktion "Global Number Portability" sorgt für die Unabhängigkeit vom Service Provider. Bei einem Anbieterwechsel wird nur der Eintrag der Domäne, die UPT-Nummer bleibt gleich.

Kundenbindung im Internet

Letzter Schrei in Sachen "Customer Care" ist ein eigener "Call Button" auf der Web-Seite, der mit Voice over IP gut zu realisieren ist. Er bietet insbesondere bei erklärungsintensiven oder teuren Produkten neue Marketingmöglichkeiten. Der Kunde kann per Mausklick direkt von einer Web-Seite aus eine Gesprächsverbindung zu einem Teilnehmer im Telefonnetz aufbauen, beispielsweise zu einem Call-Center. So kann er während des Besuchs der Web-Seite ein persönliches Beratungs- oder auch Verkaufsgespräch führen ("Surf & Buy"). Untersuchungen in den USA haben ergeben, dass die Kaufbereitschaft bei Kunden in dieser Phase besonders hoch ist.

Virtuelle Konferenzen über VoIP

"Multipoint Audio Conferencing" ist die gleichzeitige Echtzeit-Audio-Kommunikation von drei oder mehr Personen über einen "Conferencing Server". Sie kann kosten- und zeitintensive Dienstreisen ersetzen.

Durch die Kommunikation über IP-Netze hat jeder Benutzer eines entsprechend ausgestatteten PCs die Möglichkeit, an Konferenzen teilzunehmen.

Als Endgerät dienen wahlweise ein Standard-PC mit Internetzugang oder ein Etherphone. Voraussetzung ist eine Übertragungsbandbreite von mindestens 14 kBit/s, ein H.323-kompatibler Conferencing-Client, etwa "Microsoft Netmeeting", ein Internetbrowser, eine Full-Duplex-Soundkarte, ein Mikrofon und ein Lautsprecher. Wählt sich ein Teilnehmer mit einem Standardtelefon in die Konferenz ein, werden die Sprachsignale in eine für den Conferencing-Server verständliche Form übersetzt. Zusätzliche Funktionen sind Videokonferenzen, Application Sharing, Filetransfer zum Verteilen von Dokumenten und ein "White Board", ein von allen Teilnehmern parallel bearbeitbares, virtuelles Flipchart.

Technische Grundlagen

Hauptkomponente einer IP-Telefonie-Gesamtlösung ist das "VoIP-Center", bestehend aus einem "Administrative-Domain-Back-End"-Service und einem Gatekeeper sowie Gateways. Das VoIP-Center übernimmt dabei die Arbeit der traditionellen Vermittlungstechnik. Die Informationsübermittlung erfolgt nicht wie in heute üblichen Telefoniesystemen leitungsorientiert, sondern paketvermittelt. Statt fester Leitungsverbindungen zwischen den Teilnehmern wird der Sprachfluss in Pakete zerteilt und an die gewünschte Rufnummer übertragen. Das VoIP-Center kontrolliert und steuert mit kontinuierlichen Voice-Streams sämtliche Basis-VoIP-Services sowie Zusatzdienste, sofern sie nicht auf eigene Server ausgelagert sind. Der "Administrative-Domain-Back-End"-Service (AD-BES) ist die zentrale Einheit des VoIP-Centers. Er ist für Funktionen zuständig wie Identifikation, Authentifikation und Autorisierung der Benutzer, Rechnungsstellung, Buchung und Tilgung sowie für Mehrwertdienste und erweiterte Dienste wie Rufweiterleitung oder Blockierung von Anrufen. Gatekeeper (GK) sind die zentralen Signalisierungseinheiten, die für den Auf- beziehungsweise Abbau sämtlicher Gespräche sowie für die Kommunikation mit dem AD-BES zuständig sind. Gateways (GW) ermöglichen die Verbindung zu Teilnehmern in Switched-Circuit-Netzwerken (SCN). Dazu zählen sowohl andere Festnetze als auch Mobilfunknetze. Der GK erkennt anhand der Rufnummer, dass sich der Teilnehmer in einem SCN befindet und leitet die Nachrichten an das GW weiter, das dem Terminal mit der gewählten Nummer am nächsten ist.

Fazit

Die Nutzung eines einheitlichen Übertragungsprotokolls für Sprache und Daten reduziert die Zahl der Netzwerkkomponenten und damit die Wartungskosten. Internet Service Providern ermöglicht VoIP, Sprachdienste anzubieten, neue Geschäftsfelder zu erschließen und mit innovativen Produkten und Services zu überzeugen. (rim)

Zur Person

Bettina Dauphin

ist als Marketing- und PR-Verantwortliche bei der Infonova GmbH, Österreich, tätig.