Rechtsanwalt Sebastian Deubelli zum Abmahnwesen

"Kleine und neue Webshops sind häufig in Gefahr"

22.01.2016 von Christian Töpfer
Betreiber von Online-Shops müssen bei sämtlichen Texten, Bildern und Videos auf ihren Webseiten stets auf der Hut sein, keine Rechtsverstöße zu begehen. Denn sonst ist ganz schnell eine Abmahnung ausgesprochen. Ein Gespräch über Verfehlungen, Kosten sowie Konsequenzen – und über "schwarze Schafe" im Abmahnwesen.

Eine grundsätzliche Frage vorneweg: Weswegen erlaubt unsere Rechtsprechung eigentlich Abmahnungen?
Sebastian Deubelli (www.deubelli.com): Hinter allen Normen, bei denen es nach einem Verstoß zu einer Abmahnung kommen kann, stehen stets schutzwürdige Interessen. Ein Fotograf, der auf einer Webseite ein Bild von sich entdeckt, hat zum Beispiel ein absolut berechtigtes Interesse, dass er für seine Arbeit bezahlt und nicht beklaut wird. Die Intention des Gesetzgebers ist es daher, die Gerichte zu entlasten und einen außergerichtlichen Weg zu schaffen, auf welchem sich die Parteien untereinander einigen sollen. Ohne eine Abmahnung wäre die Welt auch nur auf den ersten Blick besser – denn dann wäre das Gericht die erste Anlaufstelle. Und das würde die Sache nicht günstiger machen.

Welches sind die häufigsten Gründe für Abmahnungen von Online-Shops?
Deubelli: Da gibt es zum einen wettbewerbsrechtliche Abmahnungen durch einen Mitbewerber aufgrund fehlerhafter Angaben im Online-Shop des Abgemahnten und zum anderen Abmahnungen aufgrund von Verstößen gegen Schutzrechte Dritter, wie das Urheberrecht (besonders bei Bildern und Texten), Marken- und Designrechte oder in seltenen Fällen auch eingetragene Patente oder Gebrauchsmuster.

Sebastian Deubelli, auf Medien- und Urheberrecht spezialisierter Rechtsanwalt in Landshut (www.deubelli.com): "Abmahnungen, denen das Wort 'rechtswidrig' quasi über die Stirn geschrieben steht, sind in der Praxis sehr selten geworden."
Foto: Alexey Testov

Was wird bei wettbewerbsrechtlichen Anmahnungen durch Mitbewerber am häufigsten beanstandet?
Deubelli: Evergreens sind hier fehlerhafte oder falsche Angaben im Impressum und fehlende oder falsche Widerrufsbelehrungen. Letztgenanntes ist besonders beliebt, da die Vorgaben dazu ständig vom Gesetzgeber geändert werden und daher die Belehrung von den Shopbetreibern aktualisiert werden muss. Daneben geht es auch um rechtswidrige Preisangaben (etwa Nettopreisangaben in einem Shop, der sich auch an Verbraucher richtet, oder die dauerhafte Werbung mit "Sonderangeboten"), falsche Garantieversprechungen oder der Verstoß gegen besondere gesetzliche Kennzeichnungspflichten für innerhalb des Shops angebotene Waren (Beispiele: Lebensmittelkennzeichnungspflichten, Kennzeichnungspflicht nach dem Batteriegesetz oder der Textilkennzeichnungsverordnung).

Welche Arten von Online-Shops sind am häufigsten von Abmahnungen betroffen?
Deubelli: Aufgrund der starken Verbreitung und der einfachen Möglichkeit, dort Fehler zu begehen, sind gewerbliche eBay-Shops "heiße Kandidaten" für Abmahnungen. Dort finden sich häufig geklaute Produktbilder neben fehlenden Kennzeichnungen und unzulässiger Werbung.
Gerade kleine und neue Shops sind oft für Abmahnungen gefährdet. Bei ihnen beobachte ich leider häufig, dass es dort wichtiger zu sein scheint, dass die Website responsive ist und auf rechtssichere Texte nicht so viel Wert gelegt wird. Hier ist eine wettbewerbsrechtliche Abmahnung natürlich ein gefundenes Fressen für Mitbewerber, um dem neuen Konkurrenten gleich mal zu zeigen, mit wem er sich den Markt teilt. Entsprechend kommt es vor, dass neue Mitbewerber nach einer wettbewerbsrechtlichen Abmahnung die Segel gestrichen und den Shopbetrieb eingestellt haben.

Manche "schwarzen Schafe" nutzen das Abmahnwesen aber rigoros aus.
Deubelli: Natürlich gibt es Abmahnungen, bei denen auch andere Motivationen mitschwingen. Hier reicht die Palette von persönlichen Befindlichkeiten über den Versuch der Beeinflussung des eigenen Marktes bis hin zum Versuch, sich ohne einen eindeutigen Rechtsanspruch zu bereichern. Das wurde allerdings in letzter Zeit weniger, was ich nicht zuletzt den "Neuen Medien" zuschreiben möchte. Derartige Abmahnungen werden innerhalb kürzester Zeit im Web zerlegt, was dazu führt, dass die Abgemahnten zum Teil gut informiert werden, sobald Sie sich im Netz über eine Abmahnung schlau machen, die sie auf den Tisch bekommen haben.

Auf der nächsten Seite erfahren Sie unter anderem, wie hoch die Kosten der Streitfälle sind und was Rechtsanwalt Deubelli den Betroffenen empfiehlt.

Beendigungen, Kosten, Empfehlungen

Sind die meisten Abmahnungen aus rechtlicher Sicht überhaupt berechtigt?
Deubelli: Die meisten Abmahnungen, die ich bisher gesehen habe, sind zumindest rechtlich vertretbar. Was aber berechtigt oder nicht berechtigt ist, hängt stets von der Auffassung der Gerichte ab, da es meistens keine starren Vorschriften zur Bemessung gibt. Die Gerichte entscheiden im Einzelfall und im Rahmen der richterlichen Unabhängigkeit weitgehend frei. Deshalb kann die Frage nach dem exakten Umfang der Berechtigung einer Abmahnung häufig erst nach dem beschwerlichen Weg einer gerichtlichen Auseinandersetzung beantwortet werden.
Abmahnungen, denen das Wort "rechtswidrig" quasi über die Stirn geschrieben steht, sind in der Praxis sehr selten geworden. Denn nach der letzten Änderung des § 97a im Urheberrecht müsste in solchen Fällen der Abmahnende die Anwaltskosten des Abgemahnten selber tragen.

Sebastian Deubelli, auf Medien- und Urheberrecht spezialisierter Rechtsanwalt in Landshut (www.deubelli.com): "Eine Abmahnung sollte man keinesfalls ignorieren. Als erstes sollte sich mit dem gerügten Verstoß auseinandersetzen und prüfen, ob dieser tatsächlich begangen wurde."
Foto: Alexey Testov

Wie enden die meisten Streitfälle?
Deubelli: Mit einer vergleichsweisen Einigung. Allerdings ist hier zwischen den geltend gemachten Ansprüchen zu unterscheiden. Der durchgesetzte Unterlassungsanspruch ist in der Regel voll zu erfüllen, da hier wenig Spielraum besteht und die Rechtsprechung in den meisten Rechtsgebieten sehr einheitlich ist. Anders ist dies bei den Schadensersatzansprüchen, sodass hier naturgemäß mehr verhandelt werden kann und wird. Das Standardszenario der Rechtsverteidigung gegen eine Abmahnung ist daher die Abgabe einer Unterlassungserklärung und die Verhandlung der daneben geltend gemachten finanziellen Forderung. Meist erkennt man recht schnell, ob eine außergerichtliche Einigung möglich ist oder ob die Positionen zu weit auseinander liegen und daher eine gerichtliche Auseinandersetzung notwendig wird.

Mit welchen Kosten müssen Firmen/Personen rechnen, die zu Recht abgemahnt wurden?
Deubelli: Das hängt stark vom Gegenstand der Abmahnung ab. Wie betreuen viele urheberrechtliche Fälle in unserer Kanzlei. Hier kommen im Falle einer Abmahnung aufgrund unberechtigter Verwendung eines einzelnen Bildes schnell mal 1.000 Euro Schadensersatz und rund 500 Euro Anwaltsgebühren zusammen. Es gibt aber auch wesentlich exponiertere Fälle. Der Spitzenreiter in unserer Kanzlei war mal eine Abmahnung mit knapp 25.000 Euro Schadensersatz.

Was soll man am besten tun, wenn man einen Online-Shop betreibt und eine Abmahnung erhält?
Deubelli: Zunächst ist es wichtig, dass die erhaltenen Abmahnungen nicht in den Papierkorb geworfen und ignoriert werden. Man sollte sich mit dem gerügten Verstoß auseinandersetzen und prüfen, ob dieser tatsächlich begangen wurde. Dann sollte man insbesondere dem Unterlassungsanspruch und besonders den gesetzten Fristen seine volle Aufmerksamkeit schenken.

Muss man immer einen Anwalt zu Rate ziehen?
Deubelli: Ob man sich für die Verteidigung einen Anwalt nehmen sollte, muss jeder für sich beantworten. Es gibt durchaus viele Vorlagen für Unterlassungserklärungen im Netz – aber teilweise mit nicht gesicherter Herkunft und von schwankender Qualität. Auch das Verhandeln eines Vergleichs ist kein Hexenwerk. Ich habe Abgemahnte kennengelernt, die sich recht gut ohne Anwalt mit der Sache befassen und zu helfen wissen.
Allerdings ist damit eben auch das Befassen angesprochen. Wer weder Lust noch Zeit hat, sich mit den Ansprüchen auseinanderzusetzen, die im Raum stehen, sollte sich wirklich überlegen, ob er sich einen Gefallen damit tut, wenn er sich – gegebenenfalls halbherzig – selbst der Sache annimmt.