Keine Pause für Asterix & Co.

20.09.2002
Eigentlich wollte der Comicverlag Egmont Ehapa nur seine IT-Systeme auslagern und vereinheitlichen lassen. Doch als das Medienunternehmen bei laufender Produktion von Stuttgart nach Berlin umzog, kamen auf den Outsourcing-Partner weit größere Herausforderungen zu.

Von: Ralph Girod, Philipp Steffen, Dr. Thomas Hafen

Wer Comics liebt, dem ist auch Egmont Ehapa ein Begriff. Neben vielen anderen sind hier Asterix, Lucky Luke und MickyMaus zu Hause. Wie in den meisten Verlagen arbeiten die Kreativen bei Egmont Ehapa mit "Macintosh"-Rechnern von Apple. Die Verwaltung nutzte dagegen vor der Vereinheitlichung Microsoft-Windows-PCs verschiedenster Art. Neben Clients von Markenherstellern wie Dell, Gateway oder Compaq standen No-Name-Geräte; zudem kamen unterschiedliche "Windows"-Systeme mit verschiedenen Service-Packs zum Einsatz.

Peter Wechsler, IT-Leiter des Ehapa Verlages, erinnert sich: "Als ich anfing, fand ich eine sehr heterogene Systemlandschaft vor. Als Folge des Gerätewirrwarrs und der mangelnden Dokumentation kam es immer häufiger zu Systemausfällen und zu Beschwerden der User."

Im Sommer 2000 traf das Management die Entscheidung, die IT-Infrastruktur mithilfe eines Outsourcing-Partners zu vereinheitlichen. "Wir konnten aufgrund des Systemchaos nicht mehr garantieren, dass unsere Produkte pünktlich erscheinen", sagt Wechsler, "der personelle Aufwand, der für Wartung und Betrieb der vorhandenen IT notwendig war, rechnete sich zudem nicht mehr." Außerdem wollte der Verlag für planbare Kosten im IT-Bereich sorgen und entschied sich deshalb für ein komplettes Outsourcing. Die Wahl des Partners fiel auf die Telekom-Tochter T-Systems, mit der Ehapa bereits im Bereich Enterprise Resource Planning (ERP) zusammenarbeitete. Aufgrund der guten Erfahrungen bei der Kooperation kam kein anderer Mitbewerber in Betracht. "Natürlich haben wir Kostenvergleiche angestellt, aber die Unterschiede waren sehr gering", beschreibt Wechsler den Entscheidungsprozess.

T-Systems analysierte zuerst den IT-Bedarf des Egmont Ehapa Verlags und plante dann eine einheitliche Client-Server-Infrastruktur. Sowohl Macintosh-G4- Rechner als auch Hewlett-Packard-Clients wurden in das neu konzipierte Firmen-LAN eingebunden. Serverseitig erwies sich die Verwaltung des umfangreichen Grafikbestandes als größte Herausforderung. Im Lauf der Zeit war die Bilddatenbank, die über ein veraltetes Unix-System verwaltet wurde, auf die gewaltige Datenmenge von 1 TByte angewachsen. Der Dienstleister installierte eine doppelt gespiegelte Raid-Lösung (Redundant Array of Inexpensive Disks) aus einem Level-10-System und einem Level-5-Backup.

Zwei Systeme laufen parallel

Das Outsourcing-Projekt verlief nach Plan, als sich die Geschäftsleitung des Verlags entschied, den Firmensitz von Stuttgart nach Berlin zu verlegen. Damit standen die Berater vor einer weit komplexeren Herausforderung. Wie sollte man mit einer kompletten IT-Infrastruktur umziehen, ohne den Verlagsbetrieb zu unterbrechen? Kamyar Niroumand, Leiter Computing und Desktop Services bei T-Systems, konkretisiert die neue Aufgabenstellung: "Wir mussten sicherstellen, dass jeder Mitarbeiter von Egmont Ehapa zu jeder Zeit an die benötigten Daten kam." Dies war notwendig, damit alle Hefte pünktlich am Kiosk erscheinen konnten.

Gemeinsam mit IT-Leiter Wechsler plante ein Projektverantwortlicher des Outsourcers den Ortswechsel bis ins kleinste Detail. Ein Umzug bei laufendem Verlagsbetrieb erforderte es, vorübergehend in Stuttgart und Berlin parallele IT-Infrastrukturen zu betreiben. Vor allem aber musste das Terabyte an Bilddaten von beiden Standorten aus vollständig verfügbar sein. Der gemeinsame Zugriff auf alle Informationen ließ sich über ein breitbandiges Wide Area Network (WAN) zwischen den Standorten erreichen. Neben 2-MBit/s-Standleitungen kam hier auch eine 34-MBit/s-VPN-Lösung zum Einsatz (Virtual Private Network). Doch mit bloßem Datenzugriff war es bei weitem nicht getan: Der Dienstleister musste auch sicherstellen, dass jeder Verlagsmitarbeiter sowohl an seinem alten Stuttgarter Arbeitsplatz als auch in Berlin Zugriff auf alle benötigten Anwendungen hatte.

Bevor es an die praktische Arbeit ging, analysierte das Projektteam den kompletten Workflow. Es definierte, welcher Mitarbeiter zu welchem Umzugszeitpunkt an welchem Ort sitzen sollte und auf welche Daten er dabei zugreifen musste. Dann baute das Team ein Roaming-Software-System auf: Jeder Ehapa-Beschäftigte erhielt ein persönliches Anwenderprofil. Wenn er sich an einem beliebigen PC-Arbeitsplatz mit seinem Passwort anmeldete, bekam er die zum Profil gehörige Software auf genau diesen Rechner aufgespielt. In der Übergangsphase des Umzugs war es daher egal, ob sich der Mitarbeiter gerade in Stuttgart oder Berlin befand.

Die gesamte IT zieht um

Am 1. Februar 2001 begann der Umzug: Die Server wurden angehalten und alle Daten doppelt gespiegelt. Am nächsten Morgen transportierten LKWs die Server und einige Clients an den neuen Firmensitz nach Berlin. Um ganz sicherzugehen, beförderte ein weiteres Fahrzeug ein Komplett-Backup an den neuen Standort. Für den Katastrophenfall standen vor Ort in Berlin Reserverechner bereit. Erfreulicherweise kamen sie aber nicht zum Einsatz.

Am Morgen des 3. Februar begannen sechs Mitarbeiter des Projektteams mit dem Aufbau in Berlin. Mittags lief schon der erste Server, danach konnte T-Systems das WAN von Berlin nach Stuttgart aufbauen. Weil die Verbindung rasch stand und alle Server und Clients funktionierten, blieb genügend Zeit für das Feintuning. Als die Verlagsmitarbeiter am Montag an ihren alten oder neuen Arbeitsplätzen eintrafen, liefen alle Applikationen an beiden Standorten, inklusive der Mail-Verbindungen nach Kopenhagen in die Zentrale der Egmont-Mediengruppe.

Das Projektteam hatte geplant, den kompletten Umzug von Mitarbeitern und IT in vier Phasen abzuwickeln. Auch die zweite Phase des Umzuges - vierzehn Tage später - verlief technisch reibungslos. Eigentlich ein Grund zur Erleichterung. Doch die Mitarbeiter überraschten die Planer. Sie fühlten sich nämlich ziemlich unwohl in den halbverwaisten Stuttgarter Büroräumen und wären am liebsten sofort ebenfalls nach Berlin übersiedelt - nicht zuletzt deshalb, weil sehr viele Mitarbeiter von dort stammten. Das Management von Egmont Ehapa drang deshalb darauf, die letzten beiden Phasen zusammenzulegen und den Umzug vier Wochen früher als geplant abzuschließen.

Dank ausreichender personeller Ressourcen in Stuttgart und Berlin konnte der Dienstleister auch diesen Wunsch erfüllen und den Umzug bereits Ende März abschließen.

Plan übererfüllt

Letztlich trug der Umzug mitten im Outsourcing-Projekt sogar dazu bei, dass mehr als die ursprünglichen Projektziele erreicht wurden. Die IT-Kosten sind jetzt transparent, planbar und insgesamt niedriger, weil sich die neue Infrastruktur einfacher betreuen lässt. Für den Schadensfall gelten definierte Service Level Agreements (SLA). Sie garantieren beispielsweise 98 Prozent Verfügbarkeit im Quartal, 30 Minuten Reaktionszeit bei Cluster-Ausfall, zwei Stunden maximale Ausfallzeit und bei Datenverlust höchstens elf Stunden bis zum Recovery. Der gut 20 Seiten umfassende Vertrag, der dies alles festhält, bleibt aber in der Schublade, wie IT-Leiter Wechsler betont. "Wenn etwas schief läuft, kann man lange auf vertragliche Leistungen pochen", sagt er. Viel wichtiger sei, dass man sich auf den Partner verlassen könne.

Zusätzlich haben die Mitarbeiter jetzt wesentlich mehr Freiraum. In Berlin sind sie nicht mehr an einen festen Arbeitsplatz gebunden, sondern nutzen nach dem Umzug das Software-Roaming-System. Meldet sich ein Mitarbeiter an einem Verlags-PC an wird sein individuelles Software-Paket installiert und er kann mit seiner gewohnten Umgebung arbeiten. Für freiberufliche Grafiker und Designer mit Macintosh-Rechner schuf T-Systems eine ISDN-Leonardo-Verbindung mit 30 Kanälen. Hierbei kommt die verlagstypische "Grand-Central"-Lösung des Softwareherstellers Hermstedt zum Einsatz. PC-User können sich aus dem Home Office oder einem Hotel per Remote Access ins Firmennetz einwählen. Der Zugang wird mithilfe des RAS-Secure-ID-Tokens (Remote Access Server) gesichert. "Wir nehmen Security sehr ernst. Die Verantwortlichen müssen alle sechs Monate per Unterschrift bestätigen, dass die Systeme auf dem neuesten Sicherheitsstand sind," erklärt Wechsler. Alle festen Mitarbeiter mit Macintosh-Rechner haben Zugriff auf das Verwaltungsnetz. Jeder Arbeitsplatz-PC ist nämlich auch als ICA-Client (Independent Computing Architecture) unter Citrix Meta-frame einsetzbar.

Insgesamt ist Peter Wechsler zufrieden mit dem Erreichten: "Das Projekt war zwar sehr anstrengend, hat aber auch viel Spaß gemacht", sagt er, "der Verlagsalltag ist richtig langweilig dagegen."

zur Person

Ralph Girod,

Philipp Steffen

sind Projektmanager beziehungsweise Leiter Remote System Management bei T-Systems.