KDE 4.0 Alpha 1: Evolution auf dem Linux-Desktop

02.06.2007 von Jürgen Donauer
Version 4.0 des Open-Source-Desktop-Managers KDE wird mit Spannung erwartet. Die Entwickler wollen den Desktop neu erfinden und verbessern. Das soll sich positiv auf die Bedienbarkeit und Geschwindigkeit auswirken. tecCHANNEL hat sich die Alpha angesehen und präsentiert aktuelle Screenshots.

Als Höhepunkte des ersten Alpha-Release von KDE 4.0 stellen die Entwickler ein neues Erscheinungsbild vor, das sie mithilfe des Oxygen-Projekts realisieren. Dies ist ein KDE-Thema, das fürs Auge besonders ansprechend sein soll. Die Entwickler geben offen zu, dass OS X Aqua die Inspiration dafür gegeben hat. Allerdings wollen sie keinen Abklatsch davon schaffen.

Die Icons sind volle SVG-Vektorbilder, die Alpha-Kanäle, Transparenz und eingebettete Bitmaps enthalten. Davon versprechen sich die Entwickler komplexe dreidimensionale Effekte.

Neue Icons: Das Oxygen-Projekt will mit deutlich schöneren Icons das Auge des Benutzers verwöhnen. (Quelle: Oxygen-Icons.org)

Mit neuen Frameworks wollen die Entwickler das Erstellen von Applikationen leichter machen. Verbesserte Hardware-Integration, zum Beispiel mittels Solid und Phonon, soll ebenfalls helfen.

Bessere Hardware-Erkennung mit Solid und Phonon

Das KDE-Team sagt, dass wir einer drahtlosen Revolution gegenüberstehen. Deshalb wurde die Solid-API geschaffen, mit der KDE-Applikationen besseren Zugriff auf installierte Hardware erhalten. Im Hinterkopf haben die Programmierer Stabilität. Sie versprechen, dass sie Solid immer wieder testen werden. Man wolle die Software so Bug-frei wie möglich machen, denn Anwender erwarten, dass Netzwerk- und portable Geräte einfach funktionieren.

Solide Hardware-Erkennung: Solid soll zur besseren Hardware-Unterstützung beitragen.

Phonon

Phonon ist eigentlich als Hilfe für Anwendungsentwickler konzipiert. Aber wenn der gesamte KDE 4 Phonon einsetzt, würde auch der Endbenutzer davon profitieren. Es ist ein zentraler Platz, an dem man alle Einstellungen für Audio und Multimedia vornehmen kann. Somit bräuchte man sich nicht mehr durch verschiedene Einstellungsdialoge hangeln.

Ein Beispiel ist der Hardware-Mixer, den laut Aussage des Phonon-Teams normale Nutzer kaum verstehen. Die Mixer-Kontrolle könnte mit der neuen Lösung zum Beispiel ähnlich wie bei Windows aussehen: Master, Meldungen, Musik, Video und Kommunikation. Des Weiteren soll Phonon automatisch erkennen, wenn neue Peripheriegeräte hinzukommen. Steckt man ein USB-Headset ein, erscheint eine Sprechblase. Diese weist den Anwender zum Beispiel darauf hin, dass das VoIP-Programm von der internen Soundkarte zu dem neuen Gerät gewechselt hat. Das Signal hierfür bekommt es von der Solid-API.

Neue Anwendungen

KDE 4.0 wird einiges an neuen Anwendungen mit sich bringen. Existierende Anwendungen sollen in der finalen Version mit deutlichen Verbesserungen aufwarten. KDE 4.0 Alpha 1 gibt bereits einen Ausblick auf Dolphin, oKular und Ligature.

Dateimanager Dolphin

Schon im Vorfeld war bekannt, dass Konqueror in der neuesten Ausgabe des Desktop-Managers als Standard-Dateimanager ausgedient haben wird. Stattdessen kommt Dolphin zum Einsatz. Der neue File-Manager bringt eine Navigationsleiste mit sich, die ein schnelles Bewegen durch die Dateihierarchie ermöglicht.

Neuer Standard: Dolphin ersetzt Konqueror als Standard-Dateimanager.

Dolphin erinnert sich beispielsweise auch an die Ansichtseinstellungen der einzelnen Ordner. Ebenso kann man die Dateien in einen Split-Modus verwalten. Eine „Undo“-/„Redo“-Funktion ist zusätzlich enthalten; zudem ist dank der KDE KIO Slaves eine Netzwerktransparenz möglich.

Ein weiteres Schmankerl ist eine Funktion, die das Umbenennen von mehreren Dateien gleichzeitig erlaubt. Hierzu markiert man die zu bearbeitenden Objekte und wählt mit der rechten Maustaste „rename“ aus. Alternativ kann man sich der F2-Taste bedienen. Als nächsten Schritt wählt man einen neuen Dateinamen, und der Dateimanager nummeriert die Objekte durch.

Zeit sparen: Mit dem neuen Standard-Dateimanager können Sie mehrere Dateien gleichzeitig umbenennen.
Erfolgreich vereinheitlicht: Mit zwei Schritten haben Sie alle ausgewählten Dateien umbenannt. Nummerierung erfolgt automatisch.

Die Dokumentenbetrachter oKular und Ligature

oKular ist genau genommen die Weiterentwicklung von KPDF, unterstützt aber wesentlich mehr Formate. Die Entwicklung begann im Zuge des „Google’s Summer of Code“-Programms. Zum Beispiel kann oKular mit diversen Grafiktypen und sogar OpenOffice-Dokumenten umgehen. Zusätzlich liest das Programm PDF, PS, CHM, DJVU, DVI, Fictionbook und Comicbook.

Welche Dateitypen oKular derzeit in welchem Maße unterstützt, finden Sie auf der Projekt-Seite. Laut eigener Aussage hat das Entwicklerteam viel Arbeit investiert, um eine einfache, aber mächtige API zu schaffen. Dies soll Entwicklern die Arbeit erleichtern, oKular neue Dokumentenformate beizubringen. Ein praktisches Feature ist das Select-Tool. Damit ziehen Sie einfach ein Rechteck um den gewünschten Ausschnitt. Danach gibt Ihnen die Software die Möglichkeit, die Auswahl in den Zwischenspeicher oder eine neue Datei zu speichern.

Neue Datei?: Mit oKular können Sie auf einfache Weise Sektionen des angezeigten Dokuments weiterverarbeiten.

Ligature entstand aus KViewShell und ist bereits in KDE 3 vorhanden. Derzeit scheint noch nicht ganz klar zu sein, wer von den beiden Betrachtern das Rennen als Standard macht. Da oKular angeblich etwas stabiler läuft und mehr Dateiformate unterstützt, scheint diese Software im Rennen die Nase vorn zu haben.

Verbesserte Anwendungen

Die Entwickler verschaffen einigen altgedienten Programmen einen neuen Look. Unter den wissenschaftlichen Lernprogrammen hat sich zum Beispiel bei Kalzium etwas getan. Hierbei handelt es sich um ein Programm, das vor allen Dingen Chemiker interessieren dürfte. Es gab schon unter KDE 3 einen Überblick über das Periodensystem der Elemente. In der neuen Version haben die Entwickler einen 3D-Molekül-Viewer eingebaut. Dieser zeigt, wie diverse Moleküle im Detail zusammengesetzt sind. Selbstverständlich kann man es drehen und wenden – echtes 3D.

Macht blind und schwankend: So sieht der böse Alkohol also in Kalzium aus!

Applikationen wie zum Beispiel Marble sollen die Erde in 3D auf den KDE-Desktop zaubern. Das Programm wird unter der GNU Lesser General Public License V2 (LGPL) entwickelt und weist Ähnlichkeiten mit Google Earth oder Nasa World Wind auf. Es ist allerdings ein Widget, das KDE-4-Applikationen nutzen können. Mit KGeography können Sie Ihr Erdkundewissen testen und aufpolieren. KGeography bietet Kontinente und einzelne Staaten. Flaggen inklusive.

Wo liegt gleich wieder Bayern?: Mit dem Wissenstrainer können Sie sich selbst testen.

Ein erster Blick auf das Konfigurationszentrum KControl ist derzeit leider noch nicht möglich. Wer damit herumspielen will, kann die einzelnen Sektionen allerdings via Kommandozeile erreichen. Der Befehl kcmshell --list listet sämtliche Konfigurationsmodule auf.

Erst Konsole, dann Grafik: Mit kcmshell können Sie die einzelnen Module des späteren KControl erforschen.

Weiterer Terminplan für KDE 4.0

Die erste Beta-Version von KDE 4.0 soll laut Terminplan am 25. Juni 2007 erscheinen. Eintreffende Bug-Meldungen wollen die Entwickler nach Wichtigkeit beurteilen. Am 20. Juli 2007 soll der sogenannte „Message Freeze“ erfolgen. Das bedeutet, dass nur noch vorher nicht übersetzter Text oder ganz klare Fehler bereinigt werden. Neue Zeichenfolgen sollen nicht hinzukommen. Die Beta 2 wollen die Entwickler am 25. Juli 2007 zum Testen freigeben. Auch hier beurteilen die Programmierer eintreffende Fehler wieder nach Wichtigkeit und versuchen diese zu bereinigen. Dasselbe gilt für KDE 4.0 Beta 3, die für den 25. August 2007 vorgesehen ist.

Roadmap: KDE 4.0 kommt voraussichtlich Ende Oktober. (Quelle: KDE-Entwickler)

Am 23. September 2007 wollen die Entwickler den kompletten Code einfrieren. Es sollen nur noch Dinge, die noch nicht getestet wurden, unter die Lupe genommen werden. Der erste Release-Kandidat kommt laut derzeitigem Terminplan am 25. September 2007. Nur schwerwiegende Fehler will man noch ausbessern.

Am 9. Oktober kommt voraussichtlich Release-Kandidat 2. Sollten keine sogenannten „Showstopper“ auftauchen, wird die KDE-Community am 23. Oktober 2007 mit der finalen Version von KDE 4.0 beglückt. Den offiziellen Terminplan finden Sie in englischer Sprache direkt bei KDE.

Fazit

Der erste Eindruck von KDE 4.0 Alpha 1 ist gar nicht mal so schlecht. Die Programme starten tatsächlich wesentlich schneller als unter KDE 3.x. Und das, obwohl die Debug-Funktion für die meisten Pakete aktiviert ist. Grund dafür ist, dass KDE 4.0 Alpha 1 auf QT 4.3 Preview aufbaut. Die Entwickler sind definitiv auf dem richtigen Weg, obwohl noch extrem viel Arbeit auf sie zukommen wird. Die Community darf sich jetzt schon auf die Ergebnisse freuen.

KDE 4.0 Alpha 1 ist absolut nicht für die tägliche Arbeit zu gebrauchen. Das System wird von zahlreichen Programmabstürzen geplagt. Allerdings ist eine Alpha-Version auch nicht für den Produktiveinsatz gedacht. „Alpha 1 is nowhere near finished“ lautet die derzeitige Aussage der Entwickler.

Einfach Alpha: KDE 4.0 ist unbestritten noch längst nicht ausgereift. Kontact stürzt beispielsweise reproduzierbar bei jedem Aufruf ab.

Eher das Gegenteil ist der Fall. Das KDE-Team bittet sogar um Mithilfe, alle Fehler zu finden. Auftauchende Bugs können Sie im Bug-Tracking-System der Projektseite melden. Das Team sucht außerdem nicht nur Programmierer. Auf dieser Seite ist einzusehen, ob auch Sie mithelfen können, frei nach dem Motto: Jeder hat ein Talent, das sich für KDE 4.0 einsetzen lässt. Somit sucht das Projekt von Bug-Jägern bis zu Übersetzern jede hilfreiche Hand.

Soll auch unter Windows laufen: Amarok 2 wird von vielen mit Vorfreude erwartet.

Wer selbst einen Blick auf KDE 4.0 werfen möchte, findet hier eine Live-CD mit der Alpha 1. Auf dem Medium sind ebenfalls die SVN-Versionen von KOffice 2 und Amarok 2 enthalten. Das Erscheinen des zuletzt genannten Programms können einige kaum noch erwarten. Diese Variante soll dank QT 4 erstmals nativ unter Windows laufen, was teilweise für hitzige Plattformdebatten sorgt (etwa hier in unserem Blog).

Binärpakete für KDE 4 Alpha 1 stehen derzeit für Kubuntu, openSUSE, OS X und Gentoo bereit. (mja)