Gefahr der Isolation

Karriereknick im Home Office

11.05.2013 von Werner Kurzlechner
Rund drei Viertel der Berufstätigen arbeiten auch zu Hause und sind über Smartphone, Tablet und andere Geräte ständig erreichbar. Der BITKOM warnt in einer Studie vor Isolation und Karriere-Knick im Home Office.

Beim Arbeiten in der digitalen Welt herrscht Laissez-faire vor. Bekanntlich findet sie häufig im Home Office und mit mobilen Endgeräten statt. In mehr als 60 Prozent alle Firmen gibt es dabei aber keine Vorgaben zur Erreichbarkeit der Mitarbeiter. Das geht aus einer Studie des IT-Branchenverbandes BITKOM hervor, für die das Meinungsforschungsinstitut Aris 505 Erwerbstätige und 854 Personalverantwortliche von Unternehmen befragte.

BITKOM-Präsident Dieter Kempf: "Arbeitgeber und Arbeitnehmer sollten klare Vereinbarungen über Arbeitszeiten und Erreichbarkeit treffen."
Foto: Bitkom

"Feste Arbeitszeiten und ortsgebundene Arbeitsplätze sind dank neuer Technologien für viele Büro-Jobs nicht mehr zeitgemäß", kommentiert BITKOM-Präsident Dieter Kempf. Gleichwohl geht Kempf die weit verbreitete Regellosigkeit zu weit: "Arbeitgeber und Arbeitnehmer sollten klare Vereinbarungen über Arbeitszeiten und Erreichbarkeit treffen."

79 Prozent der Befragten arbeiten laut Studie mit mobilen Endgeräten. Hoch ist inzwischen auch der Grad an Konsumerisierung. 71 Prozent nutzen für ihre tägliche Arbeit privat angeschaffte Geräte. Bei etwa jedem Dritten handelt es sich dabei um ein Notebook, den eigenen PC und/oder ein nicht smartes Handy. Ein Fünftel arbeitet auch mit dem privaten Smartphone, 8 Prozent tun dies mit einem eigenen Tablet.

Flexibel: Nur jede Vierte arbeitet noch ausschließlich an einem festen Arbeitsplatz.
Foto: Bitkom

Der Arbeitgeber stellt 59 Prozent der Befragten einen stationären Computer zu Verfügung, jedem Fünften ein Notebook. Zwischen diesen mittlerweile klassischen Devices und mobilen Endgeräten der jungen Generation geht die Schere aber eklatant auseinander. Nur jeder Zehnte Mitarbeiter kann ein Firmen-Smartphone nutzen. Sogar nur 3 Prozent arbeiten mit einem unternehmenseigenen Tablet.

Drei Viertel der Befragten sind nicht mehr nur an im Büro tätig. 55 Prozent der Befragten erledigen ihre Arbeit laut Studie auch unterwegs. 62 Prozent machen das gelegentlich zu Hause. Ein Drittel aller Berufstätigen arbeitet regelmäßig im Home Office, jeder Fünfte sogar täglich.

Die Regeln für Unternehmen

Der Bitkom schlägt Unternehmen insgesamt fünf regeln vor, die das flexible Arbeiten und den Umgang mit der Erreichbarkeit erleichtern sollen.
1. Klare Vereinbarungen treffen:
Flexible Arbeitsmodelle erfordern klare Regeln, damit Vertrauen entstehen kann.
2. Mitarbeiterleistung messen:
Leistungen sollten möglichst objektiv definiert und gemessen werden. Zielerreichung geht vor Anwesenheit.
3. Moderne Technologien nutzen:
Flexible Arbeit sollte durch interne soziale Netzwerke, Blogs oder spezielle Collaboration Tools unterstützt werden.
4. Führung nicht vernachlässigen:
Trotz hoher Mobilität der Mitarbeiter darf der Kontakt zur Führungskraft nicht wegfallen.
5. Unternehmenskultur überprüfen:
Neue Arbeitsmodelle müssen zur Kultur passen. Veränderungen sollten sorgfältig geplant werden.

Beschränkte Kommunikation

Im Home Office machen die Befragten offensichtlich gemischte Erfahrungen - das Licht ist nicht ohne Schatten zu haben. So findet zwar eine satte Mehrheit von 80 Prozent, dass sich durch die Arbeit von zu Hause Familie und Beruf besser vereinbaren lassen. Ebenfalls eine Mehrheit von 55 Prozent sagt aber auch, dass sich Beruf und Freizeit dadurch zu stark vermischen.

56 Prozent sind der Ansicht, dass das Home Office die Berufstätigen zufriedener macht. Demgegenüber meinen 47 Prozent, dass die Arbeit zu Hause zur Isolation führt. Ein Viertel der Befragten sieht darin sogar einen Hemmschuh für die Karriere.

Auch aus Sicht der Personalmanager ist das Home Office ein zweischneidiges Schwert. Hauptkritikpunkt ist für 60 Prozent, dass die Kommunikation zwischen den Mitarbeitern behindert werde. Gleichwohl überwiegt aus Firmensicht stärker als bei den Berufstätigen die positive Wahrnehmung.

Regeln für die Beschäftigten

Auch die Mitarbeiter müssen die Voraussetzungen dafür schaffen, dass neue Arbeitsmodelle sich durchsetzen und bewähren. Der Bitkom empfiehlt folgendes Vorgehen.
Sich selbst managen:
Flexible Arbeitsmodelle verlangen ein hohes Maß an Selbstorganisation. Effizientes Arbeiten und Verlässlichkeit sind unabdingbar.
Sich selber schützen:
Flexible Arbeit darf nicht heißen, dauernd erreichbar zu sein. Gerade engagierte Mitarbeiter setzen Grenzen und halten diese ein.
Sichtbar bleiben:
Wer seltener im Büro ist, muss darauf achten, dass seine Leistungen und seine soziale Rolle als Teammitglied wahrgenommen werden.
Digitale Kommunikation nutzen:
Soziale Medien leisten einen wichtigen Beitrag, um mit anderen zu kommunizieren und Arbeitsergebnisse darzustellen.

79 beziehungsweise 62 Prozent der Führungskräfte sagen, dass das Home Office die Arbeit flexibler und die Mitarbeiter zufriedener mache. 59 Prozent sehen darin einen Pluspunkt für die Mitarbeiterbindung. Nur 27 Prozent der Firmen indes fördern die Arbeit zu Hause nach eigenen Angaben aktiv. "Moderne Arbeitskonzepte sollten darauf abzielen, die Kommunikation der Mitarbeiter zu fördern", sagt dazu BITKOM-Präsident Kempf.

Stress durch kontinuierliche Erreichbarkeit

Drei Viertel aller Berufstätigen sind laut Studie außerhalb ihrer regulären Arbeitszeiten für Kollegen, Vorgesetzte oder Kunden per Handy oder E-Mail erreichbar.

30 Prozent sind jederzeit erreichbar und 32 Prozent zu bestimmten Zeiten, zum Beispiel abends an Wochentagen oder am Wochenende. Weitere 15 Prozent sind nur in Ausnahmefällen und 16 Prozent gar nicht erreichbar.

Always on: Ständige Erreichbarkeit ist inzwischen die Regel für viele Berufstätige.
Foto: Bitkom

52 Prozent der befragten Unternehmen erwarten, dass ihre Mitarbeiter außerhalb der regulären Arbeitszeiten jederzeit oder zu bestimmten Zeiten per Handy oder E-Mail erreichbar sind. 48 Prozent verlangen keine Erreichbarkeit oder nur in dringenden Ausnahmefällen. "Viele Berufstätige leiden unter Stress, wenn sie sich in einem dauernden Standby-Modus befinden", so Kempf. Daher sei ein bewusster Umgang mit modernen Kommunikationsmitteln unabdingbar.

Die Studie "Arbeiten in der digitalen Welt" ist bei BITKOM erhältlich.

Dieser Artikel basiert auf einem Beitrag unserer Schwesterpublikation CIO. (cvi)