Auf richtige Formulierungen achten

Karrierefalle Arbeitszeugnis

27.08.2014
Ein Zeugnis kann Türen öffnen oder den beruflichen Aufstieg verbauen. Beschäftigte können den Inhalt ihres Arbeitszeugnisses durchaus beeinflussen. Allerdings sollte man mit dem Einfordern seines Zeugnisses beim alten Arbeitgeber nicht zu lange warten.

Drei Monate nach seinem Jobwechsel stellt Hubert H. fest, dass er noch kein Zeugnis erhalten hat. Er wusste nicht, dass Arbeitnehmer das Zeugnis selbst anfordern müssen - am besten nachweisbar schriftlich mit dem Wunsch nach einem "qualifizierten Arbeitszeugnis". Ist im Arbeitsvertrag keine Frist genannt, gilt eine dreijährige Verjährungsfrist. Bis dahin kann Hubert H. grundsätzlich ein qualifiziertes Zeugnis fordern. Will er aber sein Zeugnis geändert, ergänzt oder berichtigt haben ("Berichtigungsanspruch"), muss er sich binnen sechs bis zehn Monaten bei seiner alten Firma melden. Sonst kann diese davon ausgehen, "dass keine Ansprüche geltend gemacht werden".

Eine Bilanz der Erfolge

Mitarbeiter haben auch viele Möglichkeiten, den Inhalt des Zeugnisses zu beeinflussen. "Personaler verwenden oft Textbausteine aus Standardprogrammen und setzen das Zeugnis je nach Qualifikation, Aufgabenspektrum und Hierarchieebene nach einer Notenskala wie ein Puzzle zusammen", verrät Arbeitsrechtler Robert Mudter, der in Frankfurt am Main eine Kanzlei für Arbeitsrecht führt.

Rechtsanwalt Robert Mudter: "Personaler verwenden oft Textbausteine."
Foto: Mudter Robert

Textbausteine mit allgemein gültigen Formulierungen helfen aber nicht weiter, ihnen fehlt die individuelle Note. Die Leistung muss so genau beschrieben sein, dass sich der künftige Arbeitgeber ein genaues Bild machen kann. Im Fall von Hubert H., der lange im Vertrieb eines internationalen TK-Unternehmens beschäftigt war, stellte sich die Frage, ob seine Umsatzerfolge im Zeugnis exakt benannt werden können.

"Viele Bewerber fragen nach ihren Erfolgen erst dann, wenn sie ein Vorstellungsgespräch vorbereiten oder ein Arbeitszeugnis brauchen", weiß Wolfgang Wagner von der Beratung Bewerber Consult. Besser sei es, fortlaufend eine "Jobbilanz" zu erstellen, die Erfolge auflistet und zeigt, wie diese erreicht wurden. Dank dieser Jobbilanz konnte auch Hubert H. im Gespräch mit seinem alten Chef seine Erfolge belegen und erhielt ein detailliertes Zeugnis.

Die neun größten Zeugnismängel
Die größten Zeugnismängel
Neun Mängel sind es, die Kritiker der üblichen Arbeitszeugnisse vorbringen:
1. Angaben fehlen: beredetes Schweigen
Arbeitnehmer die eine prägnante Lücke in ihrem Zeugnis entdecken, haben gute Chancen auf eine Ergänzung.

Ein vor Lob überschäumendes Einser-Zeugnis ist keinesfalls eine Garantie für optimale Erfolgschancen bei einer Neubewerbung - jedenfalls nicht, wenn sich die Lobeselogen allzu auffällig als Teil eines Gefälligkeitszeugnisses entpuppen.
3. Zeugnissprache unprofessionell: Eigenentwurf
Wenn Arbeitgeber den Eigenentwurf eines Arbeitnehmers akzeptieren und unterzeichnen, wollen sie - wie auch beim Gefälligkeitszeugnis - eine Kündigung möglichst konfliktfrei und versöhnlich gestalten. Die Chance, einen Eigenentwurf einzureichen, sollten Sie unbedingt nutzen. Dabei ist jedoch Vorsicht geboten; die Fehlermöglichkeiten in Eigenentwürfen sind unbegrenzt!
4. Missverständliche Textbausteine: uneinheitliche Bedeutung
Zeugnisfachbücher oder Zeugniserstellungs-Software bieten einen ganzen Katalog hilfreicher Textbausteine. Auf der sicheren Seite ist man damit trotzdem nicht, denn die Autoren wenden sehr unterschiedliche Maßstäbe an.
5. Nachträgliche Änderungen: Widersprüche
Wenn sich Arbeitnehmer nachträglich für eine Aufwertung ihres Zeugnisses einsetzen, gehen ihnen oft wichtige Passagen durch die Lappen.
6. Versteckte Kritik: Verschlüsselungen
Verschlüsselungstechniken erlauben es dem Zeugnisaussteller, negative Urteile zwischen den Zeilen zu äußern, ohne dass sie für den ungeübten Leser erkennbar sind.
7. Persönliche Note fehlt: geringe Wertschätzung
In einem sehr guten Zeugnis sprechen die Erfolge für sich selbst. Konkrete Beispiele können daher die Glaubwürdigkeit eines Zeugnisses unterstreichen und ihm eine persönliche Note geben. Fehlen diese Beispiele, mangelt es entweder an Erfolgen oder an Wertschätzung.
8. Schlechter Eindruck: Stil- und Rechtschreibfehler
Rechtschreibfehler, Tippfehler und stilistische Mängel sind pures Gift für das Zeugnis. Dabei kann sich der Zeugnisempfänger nicht darauf berufen, dass die Fehler jemand anderes gemacht hat. Schließlich hätte er diese Mängel bemerken und reklamieren müssen.
9. Mängel nicht beseitigt: nachlässiger Bewerber
Wer sich in ungekündigter Stellung erfolgreich neu bewirbt, misst seinem Zeugnis keine entscheidende Bedeutung zu. Die Quittung kommt erst bei der übernächsten Neubewerbung - dann können unvorteilhafte Zeugnisaussagen zu einem echten Problem werden.

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Klage als letzter Ausweg

Häufiges Streitthema ist der Wortlaut: Selbst wenn der ausscheidende Mitarbeiter das Zeugnis formuliert, kann er nicht sicher sein, dass der Arbeitgeber diese Version akzeptiert. Dies musste Axel Z. erleben, als er nach mehr als fünf Jahren kündigte. Im Zeugnis reihte er Erfolg an Erfolg, wartete dann aber vergeblich auf die Unterschrift des Ex-Chefs. Der zog sich auf die Beurteilungen zurück, die er Axel Z. alle sechs Monate ausgestellt und die dieser unterschrieben hatte. In einer stand, dass "Führungsaufgaben noch nicht möglich sind, eine fachliche Weiterbildung angeraten scheint und aufgrund wechselnder Einsatzbereitschaft eine Leistungssteigerung erwünscht" sei.

Axel Z. sah eher die Entwicklung der ganzen fünf Jahre und wollte sich mit einer durchschnittlichen Beurteilung nicht zufrieden geben. Bewerber-Coach Wagner kennt das: "Wo Karriere draufsteht, ist manchmal Krise drin. Der Start in die erste Reihe wird oft durch Lebenslauflücken und durchschnittliche oder missverständliche Zeugnisse verbaut."

Lohnt sich ein Rechtsstreit? Arbeitsrechtler Mudter hält ihn für den letzten Ausweg, da eine Klage gegen den alten Arbeitgeber zum Karrierehindernis im neuen Job werden könne.

Kompromiss finden

Im Falle von Axel Z. zeigte sich in Gesprächen zwischen Coach Wagner und dem alten Arbeitgeber schon bald dessen Motiv: Z. war zum Wettbewerber abgewandert, sein früherer Chef hatte also kein Interesse, seine Leistungen besonders zu loben und ihm dem Konkurrenten damit zu empfehlen. Z. handelte einen Kompromiss aus und ergänzte seine Zeugnisdokumentation um eine positive Referenz eines Geschäftspartners.