Karrierefallen vermeiden

Karriere und Bewerbung: Die größten Irrtümer

31.10.2014 von Alexandra Mesmer
Möglichst viele Bewerbungen schreiben um viele Chancen zu nutzen? Bei jeder Gelegenheit eine Weiterbildung machen um immer auf modernstem Stand zu sein? Permanent erreichbar für die Firma und schnell zu Stelle wenn der Chef ruft? Alles falsch! Das meint Karrierecoach Martin Wehrle.

Und möglicherweise haben Sie auch jede Menge Literatur zum Thema „Karriere machen“ oder „Erfolgreich bewerben“ gesichtet. An Karriere-Ratgebern herrscht ja nun auch wahrlich kein Mangel, damit könnte man ganze Bibliotheken füllen. Aber nicht alle Tipps in der einschlägigen Literatur bestehen den Praxistest. Und wenn Ihr „Nachschlagewerk für die Karriere“ schon ein paar Jahre auf dem Buckel hat, ist sowieso Vorsicht geboten.

Der Karrierecoach Martin Wehrle hat die Karriere-Ratgeber und ihre Tipps einer genauen Prüfung unterzogen . Und dann hat er - Sie ahnen es vielleicht schon - gleich auch ein Buch geschrieben. Allerdings ist sein Karriere-Ratgeber einer der anderen Art. Im Lexikon-Stil hat Wehrle die häufigsten Karriere-Irrtümer gesammelt. So erfährt der Leser beispielsweise, warum er im Anschreiben keine Gehaltsvorstellung nennen darf oder warum E-Mails nicht formlos sein sollten. Gleichzeitig erhält er einige Kniffe, wie er es besser machen könnte. Wir haben für Sie die wichtigstens Karrierefallen zusammengestellt.

Irrtum Nr 1: Je mehr Bewerbungen man schreibt, desto höher der Erfolg

Wer glaubt, allein mit der Zahl der Bewerbungen steige die Chance auf eine Zusage, der könnte auch glauben, allein mit der Zahl der Seiten stiege die Qualität eines Buches. Blinde Schüsse mit der Schrotflinte, auch "Blindbewerbung" genannt, bringen wenig. Besser nimmt man eine bestimmte Position gezielt ins Visier.

Gehen Sie individuell auf die Eigenarten einer Firma und Branche ein, erkennen Sie ihre Bedürfnisse und präsentieren Sie sich selbst als Problemlöser. Telefonieren Sie mit der Firma, sammeln Sie Informationen und verfassen Sie für jede Bewerbung ein individuelles Anschreiben und einen Lebenslauf mit individuellen Elementen. Dann können Sie mit einer spezifischen Bewerbung mehr erreichen als ein Massenversender mit hundert "Blindbewerbungen".

Eine Topbewerbung ist ein maßgeschusterter Aschenputtel-Schuh: Sie darf nur an den Fuß dieser einen Firma passen.

Irrtum Nr. 2: Ich sollte meine Gehaltsvorstellung im Anschreiben nennen.

Etliche Bewerbungs-Ratgeber flüstern Ihnen ein, auf Wunsch direkt im Anschreiben eine Gehaltsvorstellung anzugeben. Die Autoren raten: "Nennen Sie eine Spanne, etwa: "Ich erwarte ein Jahresgehalt von 30.000 bis 40.000 Euro"

Eine solche Angabe verrät dem Unternehmen zweierlei.

  1. Sie wären bereit, den Job für 30.000 Euro zu machen - warum sollte man Ihnen dann mehr bieten?

  2. Sie scheinen im Vorfeld schlecht recherchiert zu haben; sonst wären Sie in der Lage, ein konkretes Gehalt zu nennen.

Pfiffige Bewerber antworten im Jargon der ausschreibenden Firmen. Die formulieren ja auch nicht: "Unsere Stelle ist mit 35.000 Euro dotiert." Vielmehr ist von einer "angemessenen Vergütung" die Rede. Diese Landessprache der Republik Abstrakta beherrschen Sie auch: "Ich stelle mir ein Gehalt vor, das meiner Qualifikation und der Verantwortung der Position entspricht."

So gehen Sie auf den Wunsch der Firma ein, ohne sich womöglich durch einen zu hohen Gehaltswunsch selbst aus dem Rennen zu werfen. Mit etwas Glück bekommen Sie die Chance, die Chefs im Vorstellungsgespräch von Ihren Qualitäten zu überzeugen. Wenn man Sie erst mal kennt und wirklich haben will, ist man mit dem Etat nicht allzu päpstlich - und legt im Zweifel eine Schaufel drauf!

Irrtum Nr. 3: E-Mails dürfen formlos sein

Die E-Mail-Flut reißt ein, was Briefschreiber über Jahrhunderte aufgebaut haben: die einfachsten Regeln der Höflichkeit. Gruß-, adress- und völlig formlos, so kommen Geschäftsmails daher. Die Anrede - wozu? Die Großschreibung: gespart! Die Rechtschreibung: Kraut und Rüben! Was ein ausformulierter Bewerbungsbrief geworden wäre, behelligt den Empfänger als E-Mail-Sendung im Embryonenstadium des Entwurfs. Und jeder Vorgang, der nicht mindestens zwei Jahre Zeit hat, wird mit einem Ausrufezeichen für hohe Priorität versehen.

Vergessen Sie nie: E-Mails vermitteln Botschaften unübertroffen schnell - auch die Botschaft, dass der Absender keine Manieren hat! Unhöflichkeit bleibt Unhöflichkeit, Fehler bleibt Fehler; ganz egal, ob der Text von einem Boten auf dem Pferd oder einem Draht unter dem Atlantik zugestellt wird. Und wie steht es damit, kleine Schludrigkeiten durch Smilies zu entschuldigen? Keine gute Idee, denn die so genannten Emoticons haben in Geschäftsmails nichts verloren (außer, der Mailpartner verwendet sie seinerseits).

Irrtum Nr. 4: Ständige Erreichbarkeit ist ein Zeichen für hohes Engagement

"Wenn der Chef mich anruft, stehe ich dreißig Sekunden später bei ihm auf der Matte. Er weiß, wie engagiert ich bin."

Gut, Sie sind schnell zur Stelle. Aber daraus lassen sich auch andere Schlüsse ziehen. Zum Beispiel der, dass Sie nicht viel zu tun haben, womöglich den ganzen Tag auf Kommandos des Chefs warten. So wie ein Hund aufs Pfeifen seines Herrchens.

"Ich bitte Sie! Soll ich meinen Chef etwa warten lassen?"

Kann es nicht sein, dass Sie mal in einem wichtigen Meeting sitzen? Oder auf Geschäftsreise sind? Oder einen dringenden Vorgang bearbeiten? Oder einen wichtigen Kunden sprechen? Leistungsträger sind oft beschäftigt. Bei diesen Gelegenheiten erkennt der Chef, was ihm sonst leicht entgeht: wie wichtig Sie für die Firma sind.

Irrtum Nr. 5: Fortbildungswillige Mitarbeiter sind gern gesehen

Die Mappe des Bewerbers ist so dick, dass die Wochenendausgabe der FAZ daneben schmal wie eine Schülerzeitung wirkt. Der Personalchef überfliegt den Lebenslauf, blättert sich durch ein paar Zeugnisse - und dann geht es los: Zertifikate ohne Ende! Der Bewerber war so oft auf Fortbildung, dass seine Qualifikation nur eine winzige Frage offen lässt: Wann hat der Kerl eigentlich gearbeitet?

Aber ist es nicht ein gutes Geschäft, einen solchen Mitarbeiter und sein kostenloses Wissen an Bord zu holen? Nur dann, wenn er nicht auf derselben Welle weiterreiten will. Und genau das fürchten die Firmen.

Fortbildungswille ist äußerst gern gesehen, aber nur nach Feierabend, wenn er die Firma keinen Cent und keine Minute kostet. Ansonsten werden Weiterbildungen oft nach den Notarzt-Prinzip vergeben: Man operiert erst, wenn es nicht mehr anders geht. Der fortbildungswillige Mitarbeiter, der auf die Vorsorge wert legt, wird in Firmenbroschüren bejubelt, aber im Alltag nicht selten ausbremst - es sei denn, er kann seien Chef überzeugen, dass die Fortbildung der Firma mindestens das Doppelte dessen einbringt, was sie kostet.

Irrtum Nr. 6: Der autoritäre Führungsstil hat ausgedient

Neuerdings wird Bewerbern empfohlen: "Fragen Sie im Vorstellungsgespräch, welcher Führungsstil gepflegt wird."

Überall erklingt dann die Hymne de Demokratie. Die Meinung der Belegschaft sei gefragt. Manchmal werden Mitarbeiter sogar zu "Mitunternehmern" hochgejubelt (wobei man vorsichtshalber dann doch davon absieht, sie angemessen an den Unternehmensgewinn zu beteiligen!)

Doch unter dem demokratischen Deckmantel verbergen sich oft die Ellbogen autoritärer Führung. Zwar dürfen die Mitarbeiter den Speiseplan in der Kantine und den Bildschirmschoner ihres Computer bestimmen - aber keiner fragt sie, wenn wesentliche Entscheidungen anstehen, etwa ein Umzug, eine Fusion, eine Änderung der Geschäftsstrategie. Jeder Journalist auf der Pressekonferenz erfährt mehr über die Geschäftszahlen und die Zukunftspläne des Unternehmens.

Etliche Firmen - auch solche, die sich "modern" nennen - führen noch wie zu Kaiser Wilhelms Zeiten: nach dem Prinzip von Befehl und Gehorsam. Wie demokratisch oder autoritär ein Unternehmen ist, können Sie meist an den gehobenen Führungskräften erkennen: Wie transparent gehen se mit Geschäftszahlen, wie menschlich mit Untergebenen, wie fair miteinander um? Demokratischer Führungsstil pflanzt sich nach unten fort - autoritärer leider auch!

Irrtum Nr. 7: Manager haben einen sichern Job

Was haben Militärpiloten und Topmanager gemeinsam? Den Schleudersitz! CEO´s sind nicht nur Meister im Entlassen sondern auch im Entlassenwerden! Im Jahr 2006 räumte weltweit fast jeder siebte CEO seinen Sessel, in Europa sogar jeder sechste - eine Hälfte "unfreiwillig", die anderen im gegenseitigen Einvernehmen (also noch unfreiwillig, siehe Einvernehmen). Die Quote der Abgänge ist seit 1995 um siebzig Prozent gestiegen - offenbar nimmt der Druck zu, die Chef-Piloten geraten immer öfter in Turbulenzen.

Woran scheitern die Top-Manager? Jeder Dritte an dem, was er lauthals von seinen Mitarbeitern verlangt hat: an (seiner) Leistung. Andere kommen bei Fusionen unter die Räder, wieder andere laufen ins Messer einer Intrige. Und sicher gibt es auch einige, die nichts gegen ihren Abgang haben: Denn während die Militärpiloten hart aufschlagen, fallen etliche Manager in ein weiches Abfindungs-Netz, das sie ein Leben lang trägt. Nun können sie sich mit interessanten Problemen beschäftigen. Etwa ihrem Handicap beim Golfen. (mec)

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