Kampf der Systeme

18.11.2002
Während in Europa die Netzbetreiber noch über die hohen Lizenzgebühren für das Universal Mobile Telecommunications System (UMTS) stöhnen, gibt es in Japan und Korea schon erste kommerziell nutzbare Mobilfunksysteme der dritten Generation. Dabei kämpfen derzeit die beiden Standards W-CDMA und CDMA 2000 um Marktanteile.

Von: Dr. Thomas Hafen

Rund 1,4 Millionen Teilnehmer sollten bis Ende März 2003 "Freedom of Mobile Access" (Foma) nutzen, so die optimistische Prognose des Betreibers NTT Docomo. Als der japanische Marktführer im Oktober 2001 unter diesem Namen ein Netz der dritten Mobilfunkgeneration (3G) startete, war er voller Optimismus. Schließlich hatte der Anbieter mit dem Datenservice "I-Mode" bereits einen sensationellen Erfolg erzielt. Rund 35 Millionen Teilnehmer nutzen den Dienst - und das bei einer geringen Übertragungsrate von 9,6 kBit/s. Foma liefert nun das rund 40-Fache an Geschwindigkeit und ermöglicht damit Multimedia-Services wie zum Beispiel Videotelefonie. Als die Kundenzuwächse jedoch im Juni 2002 dramatisch einbrachen, musste NTT Docomo seine Vorhersagen revidieren. Nun rechnet der Mobilfunkbetreiber bis zum Frühjahr kommenden Jahres nur noch mit 320 000 Teilnehmern.

NTT Docomo macht es wechselwilligen Kunden nicht gerade einfach. Foma nutzt Wideband Code-Division Multiple Access (WCDMA) nach dem IMT-2000-Standard (International Mobile Telecommunications; siehe Kasten). Es ist damit nicht kompatibel zu den in Japan verbreiteten PDC-Netzen (Personal Digital Cellular). Die Teilnehmer müssen deshalb neue Endgeräte kaufen, die mit 200 bis 500 Euro teuer und zudem nicht Dual-Mode-fähig sind. Eine Netzabdeckung ist derzeit nur in den Ballungsräumen vorhanden. Wer also landesweit erreichbar sein will, muss zwei Handys mit sich herumschleppen. Immerhin bietet der Betreiber seit Juli einen so genannten "Dual Network Service". Damit sind die Nutzer auf beiden Mobiltelefonen unter derselben Rufnummer erreichbar und erhalten nur eine Rechnung. Foma ist auch nicht kompatibel zum europäischen UMTS-Standard. Obwohl beide dasselbe Codierungsverfahren benutzen und den IMT-Standard einhalten, ist die Interpretation dieser Vorschriften unterschiedlich ausgefallen. Ein Roaming würde deshalb spezifische Interworking-Gateways und Endgeräte erfordern. Immerhin behauptet der finnische Hersteller Nokia, dass sein UMTS-Endgerät "6650" auch in den japanischen W-CDMA-Netzen funktioniert.

Hauptursache für die mangelnde Foma-Akzeptanz dürfte aber die starke Konkurrenz durch den Mitbewerber KDDI gewesen sein. Dieser hatte im April 2002 ebenfalls ein 3G-Netz in Betrieb genommen, allerdings nach dem Standard CDMA 2000 (1xRTT, siehe Glossar). Dieses Netz namens "Au" ist abwärtskompatibel zum bestehenden IS-95-Netz des Betreibers. Die 3G-Mobiltelefone lassen sich also auch außerhalb des Abdeckungsgebiets von CDMA 2000 nutzen. Die Endgeräte sind zudem mit umgerechnet 80 bis 160 Euro wesentlich preiswerter. Nach Angaben von KDDI hat der neue Service bereits über eine Million Teilnehmer, obwohl das Verfahren im Downlink nur 144 kBit/s zur Verfügung stellt, Foma dagegen 384 kBit/s. Keinen Unterschied gibt es bei den Uplink-Raten, die sich auf 64 kBit/s belaufen.

CDMA 2000 liegt vorn

Was den Roll-out betrifft, hat das CDMA-2000-System derzeit die Nase vorn. Rund 10 Millionen Teilnehmer gäbe es bereits, so KDDI. Neben Japan sind Netze in Nordamerika, Puerto Rico und Rumänien zu finden. In Südkorea und den USA ist sogar schon die nächste Stufe - 1xEV-DO - implementiert. Dieses bietet Datenraten von bis zu 2,4 MBit/s.

Was WCDMA beziehungsweise UMTS angeht, ist Foma derzeit noch immer das einzige wirklich kommerziell genutzte Netz. In Europa laufen zwar seit einiger Zeit Pilotinstallationen, so beispielsweise in Finnland, auf der Isle of Man oder in deutschen Großstädten. Ein landesweites Netz gibt es nach Angaben des Betreibers Mobilkom Austria in Österreich. In Italien und Großbritannien hat Hutchison bereits eine Infrastruktur aufgebaut. Da aber Endgeräte nicht in größeren Stückzahlen zur Verfügung stehen, bleiben diese Installationen vorerst ohne Kunden.

Wenn schließlich die Mobiltelefone auf den Markt kommen, wird es teuer. Motorola will für Endgeräte zirka 1200 Euro ohne und 1500 Euro mit Kamera verlangen. Laut Presseberichten kosten die Endgeräte bei Hutchison rund 600 bis 900 Euro. Die Monatsgebühren belaufen sich demnach auf 85 bis 140 Euro. Immerhin sollen damit die Verbindungsgebühren für 40 Stunden Sprachübertragung als auch für Datentransfer weitgehend abgedeckt sein.

W-CDMA ist technisch überlegen

Trotz des Vorsprungs von CDMA 2000 sehen die Experten die Zukunft der Mobilfunksysteme in GSM und UMTS. Dies hat mehrere Gründe. So bietet das hauptsächlich implementierte CDMA-2000-System 1xRTT zwar theoretisch Bruttodatenraten von 635 kBit/s. Tatsächlich unterstützen 1x-Netze aber derzeit nur 307 kBit/s, Endgeräte sogar nur 144 kBit/s. Wichtiger als die tatsächlich verfügbare Bandbreite ist jedoch die Tatsache, dass das System schnell an die Grenzen seiner Leistungsfähigkeit stößt. Während die UMTS-Weiterentwicklung High Speed Downlink Packet Access (HSDPA) bis zu 10 MBit/s erreichen soll, kann CDMA2000 theoretisch nur noch bis 3,1 MBit/s erweitert werden. Der Preis für diese Bandbreitenerhöhung ist außerdem hoch. Der nächste Schritt - 1xEV-DO - besteht nämlich aus einem Overlay-Netz, das einen Datentransfer im Downlink bis zu 2,4 MBit/s ermöglichen soll. Die Investitionen in die Infrastruktur sind damit erheblich größer als bei der Migration von GSM/GPRS zu UMTS. Die Reservierung eines eigenen Carrier-Kanals für den Daten-Downlink verschwendet außerdem Bandbreite (siehe Grafik). Der Standard ist inkompatibel zu 1xRTT und macht neue Endgeräte mit Dual-Mode-Funktion notwendig. Ein weiteres Problem liegt im Synchronmodus des Systems. Um die Zellen synchronisieren zu können, müssen diese Informationen aus dem Global Positioning System (GPS) erhalten. Hierfür muss eine Sichtverbindung zu den Satelliten bestehen. Bei Zellen in Gebäuden oder bei ungünstigen Wetterlagen (Nebel, Smog) kann die Verbindung abreißen, womit die Synchronisation und damit die Funktionsfähigkeit des Systems gefährdet wäre. W-CDMA arbeitet dagegen asynchron und ist damit von GPS unabhängig.

Fazit

Wer sich für die Zukunft der 3G-Mobilfunknetze interessiert, sollte den japanischen Markt genauer unter die Lupe nehmen. Die mangelnde Akzeptanz für die Foma-Dienste von NTT Docomo und der Erfolg des Au-Netzes von KDDI zeigen deutlich, worauf es bei der Weiterentwicklung der Mobilfunkmärkte ankommt: Umfassende Roamingmöglichkeiten auch in die bestehenden Netze, günstige Tarife und Endgeräte sind derzeit wichtiger, als Bruttodatenraten und technische Vorzüge.