Itanium Insides: Mike Fister im Interview

26.06.2002 von NICO ERNST 
Intels 'Mr. Itanium' nimmt Stellung zu den zukünftigen Entwicklungen von 64-Bit-Prozessoren und erteilt dem Hammer eine klare Absage. Zudem gibt er auch noch einen Ausblick auf den nächsten Pentium 4.

Michael J. Fister ist bei Intel Senior Vice President und Leiter der Enterprise Platform Group. Damit ist er für alle Serverprodukte von Intel zuständig. Der Diplom-Ingenieur kam 1987 zu Intel und war zuerst in der CPU-Entwicklung tätig. Seine technische Detailkenntnis und Überzeugungsarbeit für die IA-64 brachte ihm Intel-intern schnell den Spitznamen "Mr. Itanium" ein. Wir treffen den Manager im Rahmen des europäischen Intel Developer Forums in München.

tecCHANNEL: Sie haben in ihrer Rede hier auf dem IDF eine Studie vorgelegt, nach der alle "proprietären Betriebssysteme" Marktanteile verlieren. Was ist für Sie denn "proprietär"?

Fister: Wenn zum Beispiels Microsofts Projekt "Monterey" Realität geworden wäre, wäre das nicht proprietär gewesen. Und HP-UX geht es jetzt ja vor allem um die Migration von der Plattform der Alpha-Prozessoren. Mit "True64" verliert ein weiteres Betriebssystem Marktanteile. Deshalb habe ich diese Bemerkung gemacht.

tecCHANNEL: Das heißt also nicht, dass alles was nicht von Microsoft kommt, für Intel proprietär ist?

Fister: Nein, Nein... Alles, was sich mehrfach einsetzen lässt, sehen wir als nicht-proprietär an. Ich hasse es, wenn die Leute von "Wintel" sprechen. Damit unterschätzt man das, was wir machen.

"Wir sind bei Linux sehr aktiv"

tecCHANNEL: Mitte der Neunziger Jahre gab es doch dieses "Wintel-Imperium". Wahrscheinlich gäbe es das IDF gar nicht, wenn Microsoft nicht seine Konferenz "WinHEC" ins Leben gerufen hätte.

Fister: Das mag vielleicht der Fall sein. Mit Sicherheit trifft das auf den Desktop-Markt eher zu, bei den Servern waren wir mit dem P6 völlig auf Windows NT konzentriert und hingen bei Solaris zwei Versionen hinterher. Mit dem Itanium sind wir aber auch bei Linux sehr aktiv. Das Unternehmen gibt auch einen riesigen Geldbetrag aus, um den Wert von Unix zu erhöhen. Und das geschieht mit voller Absicht.

tecCHANNEL: Wenn Intel sich aber so stark auf die "building blocks", also Standard-Bausteine für IT-Infrastrukturen konzentriert, warum stellen sie dann bisher die kompletten Itanium-Server selbst her?

Fister: "Building Blocks" gibt es doch auf allen Ebenen. Ein kleiner Teil meines Geschäfts sind Motherboards und sogar Gehäuse. Die sind bei den "white boxes" sogar recht erfolgreich (Anm.d.Red.: Damit bezeichnet man OEM-Systeme, bei denen die verkaufende Firma nur noch ihr Logo und kleinere Änderungen anbringt). Das Ganze soll aber nur Technologien schneller in den Markt bringen. Beim ersten Itanium-Prozessor wurde unsere Referenz-Plattform die Grundlage für die Rechner von vielen Herstellern. Das ist doch ein Kompliment für den Baustein.

tecCHANNEL: Der wurde aber nur noch mit einer anderen Frontblende versehen.

Fister: Das stimmt - aber auch mit Management-Software und Software-Lizenzen und Wartung. Der Umfang der "building blocks" war hier besonders groß - wir bauen hier eben große Computer! Mit McKinley und seinen Nachfolgern verwenden die Firmen zunehmend auch Mikro-Komponenten, um ihre Systeme zu differenzieren. Das System, das Bull hier auf dem IDF zeigt, hat einen eigenen Chipsatz und verwendet kein Board-Design mehr von uns. Das tun jetzt viele Hersteller.

"Wir konkurrieren nicht mit unseren Kunden"

tecCHANNEL: Sun verfolgte immer die Strategie "Konkurriere nicht mit Deinen Kunden". Warum funktioniert das bei Intel?

Fister: Ehrlich, wir konkurrieren nicht mit ihnen. Eine Konkurrenz wäre es, wenn ich eine white box von Intel hätte, das Intel-Logo darauf anbringen würde, und das in deren Vertriebskanälen verkaufen würde. Wir machen das Gegenteil. Wir haben zum Beispiel Leute, die unseren Vertrieb mit unseren Kunden koordinieren. Dabei ergänzen wir uns, weil die Endkunden gerne unseren technologischen Standpunkt hören, und den von mehreren Lieferanten. Bei den Chipsätzen ist es genauso: Entweder sie ergänzen sich, wenn jemand aber seinen eigenen macht, ist das auch in Ordnung - oder er nimmt den eines ganz anderen Herstellers.

tecCHANNEL: Aber mit Sun konkurriert Intel schon.

Fister: Sie verwenden nicht allzu viele Intel-Komponenten, außer bei Ihren Cobalt-Produkten. Wenn die Industrie aber nicht schnell genug ist und Sun im Telekommunikationsgeschäft mitspielt, dann baue ich einen TelCo-Server, der wird eine Referenzplattform, und die Leute verwenden ihn dann als Basis. An dem Tag aber, an dem jemand sagt: "Ich mache das alles selbst" höre ich damit auf und mache etwas anderes.

"Alpha-Itanium kommt Mitte des Jahrzehnts"

tecCHANNEL: Schöne Strategie, aber die muss man sich auch leisten können.

Fister: Zunehmend bieten wir da auch andere Möglichkeiten. Wenn wir Geld und Ressourcen für die Entwicklung bei einem Kunden ausgeben, dann ist das Ziel, dass er sein Geld für etwas ausgibt, was sich eher lohnt. Dafür sind die Schwenks der PA-RISC-Architektur oder von Alpha zum Itanium ein gutes Beispiel.

Wenn Firmen wie Dell zum Beispiel nicht soviel für Forschung und Entwicklung ausgeben - naja, wir haben alle schon mal gehört, dass das Freunde von uns sind. AMD arbeitet da anders. Wir sehen das so, dass sie nur unsere Produkte imitieren, und vor ein paar Jahren haben wir uns wirklich gewundert, wie sie das schaffen. Damit verlagert man jedoch die Investitionen, man treibt sie nicht wirklich an. Das ist schwer für die Kunden.

tecCHANNEL: Sie haben gerade die Alpha-Technologie angesprochen, die Intel ja gekauft hat. Was haben Sie bisher damit angefangen?

Fister: Da geht's vor allem um die Entwickler. Wir haben das Team in Massachusetts intakt gelassen, und die arbeiten nun in unserem Design-Center an einem neuen Itanium der in der Mitte des Jahrzehnts erscheinen wird.

tecCHANNEL: Noch so lange?

Fister: Das dauert eben seine Zeit. Und was die mit EV8 gemacht haben, braucht auch noch Jahre um auf den Markt zu kommen. Das ist alles aber auch ein Bekenntnis zu den Chancen rund um Itanium, wenn diese Leute, die technologische Konkurrenten waren, jetzt zusammenarbeiten wollen - die sehen da wohl etwas, das ihnen interessant erscheint.

tecCHANNEL: Viele Leute hatten aber den Eindruck, dass Intel mit Alpha nur einen Konkurrenten aufgekauft hat, damit dessen Produkt nicht auf den Markt kommt. Und man hat seitdem ja auch nicht mehr viel vom EV8 gehört.

Fister: Das werden sie auch nicht, denn wir sprechen eben nicht über nicht angekündigte Produkte - außer was die Namen betrifft.

"Man kann RISC nicht auf 64 Bit migrieren"

tecCHANNEL: Arbeiten denn nicht einige der ehemaligen Compaq-Entwickler jetzt an den Intel-Compilern?

Fister: Das ist ein Teil der Expertise, die wir übernommen haben. Die Idee hinter dem Ganzen ist es, die menschlichen Ressourcen zu bewahren. Das sind Leute, die seit Jahrzehnten zusammenarbeiten. Das ist doch ungeheuer wertvoll.

tecCHANNEL: Etwas zu bewahren passt hier ganz gut: Was hat es denn mit den Gerüchten um das Projekt Yamhill Technology auf sich?

Fister: Das ist eine interessante Frage - ein paar Gedanken dazu. Zum einen: Wenn wir RISC-Prozessoren mit 32 Bit hätten migrieren können, hätten wir das getan (Anm.d.Red.: Fister meint hier den Wechsel zu 64 Bit).

tecCHANNEL: Meinen Sie noch die 860- und 960-Reihe von Intel?

Fister: Nein, den P6. Der P6 ist das faszinierendste Design der letzten 20 Jahre. Selbst das Threading und die out-of-order-Funktionen des Pentium 4 bauen auf dem P6 auf. Wir haben das ständig weiterentwickelt. Ich habe damals die Erweiterung des Adressraumes mit PAE in den P6 integriert. Soweit ich das sehe, muss man, wenn man irgendetwas darüber hinaus vorhat, diese Funktionen ohnehin benutzen. Ich habe mir für die nächsten drei Versionen Erweiterungen angesehen, und wir haben das nicht eingebaut, weil es am Markt keinen Bedarf dafür gab. Man kann eben das RISC-Erbe nicht auf 64 Bit migrieren ohne einen echten 64-Bit-Prozessor zu bauen. Das ist ein Grundsatz, den schlaue Menschen wohl verstehen sollten.

"Ein Geheimnis in Prescott"

tecCHANNEL: Wann sehen Sie denn einen Bedarf für mehr Speicher?

Fister: Wenn man sich das Marktsegment heute ansieht, ist da wahrscheinlich kein Bedarf für mehr als 4 GByte bis 2004 oder 2005. Um das machen zu können, muss man aber den Support von Microsoft haben. Das amüsiert mich immer wieder: Die Leute rennen herum und sagen: "Oh mein Gott, die sind vollkommen auf einer Linie mit Microsoft" (Anm.d.Red: Fister meint hier Microsofts Unterstützung  für den Hammer). Microsoft ist aber nicht "auf einer Linie", bis Longhorn erscheint. Nach allem was ich gesehen habe, kommt Longhorn frühestens Anfang 2004 - was zum Geier soll das Feature also bis dahin überhaupt bewirken?

tecCHANNEL: Angeblich soll Yamhill schon mit dem nächsten Pentium 4, Codename Prescott, geliefert werden.

Fister: Sie haben recht: Wir machen noch ein Geheimnis daraus, was in Prescott alles steckt. Wenn wir darüber reden, werden Sie aber recht beeindruckt sein...

tecCHANNEL: Hyper-Threading soll Prescott aber doch auf jeden Fall beherrschen...

Fister: Absolut! Das ist das wichtigste Feature.

tecCHANNEL: Aber es gibt noch etwas anderes?

Fister: Ja, mehrere Dinge. Wenn wir über neue Technologien reden, geben wir ihnen blöde Namen, damit sie schwerer für die Leute zu erraten sind. Ich glaube aber, dass die Threading-Erweiterungen die wichtigsten Sachen sind, die in der nächsten Zeit passieren werden. Hyper-Threading ist eine wirklich große Idee auf dem Weg zu mehr Integration auf dem Die. Die Möglichkeiten von in Threads aufgeteilten Programmen hat man schon auf dem Server gesehen. 30 Prozent mehr Leistung sind doch nicht zu unterschätzen.

"Wir werden mit Itanium nicht scheitern"

tecCHANNEL: Das lässt sich auch mit unseren synthetischen Benchmarks erreichen.

Fister: Ja, Ihre Benchmarks waren da noch höher als unsere eigenen. Manche Leute haben zu mir auch gesagt, das meine Performance-Einschätzungen für Hyper-Threading viel zu konservativ gewesen seien. Das liegt aber daran, dass diese Technologie sehr anwendungsabhängig ist. Nachdem man das aber jetzt so einfach messen kann, indem man es ein- und ausschaltet, hat man das noch gar nicht richtig sehen können. Die Befehlsketten, die wir beim ersten Pentium 4 mit Hyper-Threading benutzt haben, waren ziemlich evolutionär. Was wir jetzt für Erweiterung davon lernen, kommt aus einem größeren Befehlssatz.

tecCHANNEL: Wäre es für Intel nicht trotzdem schlau, einen Plan B in der Tasche zu haben, wenn AMD mit dem Hammer wirklich Erfolg haben sollte?

Fister: Ich habe etwas gegen diesen Ausdruck "Plan B". Im Englischen gesteht man sich mit diesem Ausdruck einen Fehlschlag ein. Wir werden aber mit dem Itanium nicht scheitern. Ich erinnere mich noch, wie die Leute sich über den ersten Pentium Pro beklagt haben: "Das Ding wird nie was, out-of-order ist eine Katastrophe, dreht lieber die Taktfrequenz des Pentium hoch" - beim Itanium wird das genauso. Er verfügt eben nicht über die Einsatzgebiete eines Desktop-Prozessors. Aber die Verbesserungen, die er für Server bringt, sind einfach faszinierend. Deshalb bin ich mit "Plan B" etwas empfindlich. Natürlich werden wir die 32-Bit-Technologie noch weiter entwickeln. Wenn man sich Intels Geschichte ansieht, sind wir ziemlich berechenbar - das Timing ist für solche Erweiterungen einfach alles.

"Unser Gewinn an Marktanteilen ist gigantisch"

tecCHANNEL: Können Sie denn die Kritik am Itanium nach so langer Zeit noch hören?

Fister: Es gibt so viele Leute, die immer noch schreiben: "Itaniums Performance ist lausig", und das machen sie je nach Perspektive. Meiner Meinung nach ist das falsch und irreführend.

tecCHANNEL: Vielleicht kommt das daher, dass Intel bisher nach zwei Jahren jeden Markt in der Tasche hatte, den man neu betreten hat, und diesmal ist das nicht so.

Fister: Da muss man sich die Kurven anschauen, mit denen neue Technologien vom Markt angenommen werden. Sehen Sie sich die Geschichte von Mikroarchitekturen wie Power, Sparc oder PA an: Der Umstieg hat immer Jahre gedauert. Wenn man natürlich den Desktop-Markt als Vorgabe nimmt, ist das ganz anders: Der Pentium 4 hat in einem Jahr den Pentium III ersetzt.

tecCHANNEL: Aber bei diesem Beispiel hat das doch Intel selbst völlig in der Hand.

Fister: Stimmt. Das ist sehr aggressiv, aber das ist eine andere Welt. Die Leute machen eben erst Pilot-Programme, bevor Server wirklich eingesetzt werden. Dennoch ist unser Gewinn an Marktanteilen bei den Enterprise-Servern gigantisch. Wir haben da eine komplementäre Strategie mit Xeon und Itanium, es heißt nicht: Entweder Oder. Und das wird eine lange Zeit so bleiben. Wenn da jemand mit einem Imitat kommt, das mit vier Prozessoren arbeitet, und einen 32-Bitter zum 64-Bitter macht, um uns zu verdrängen, steckt er meiner Meinung nach in einer unmöglichen Situation.

"Ich weiß nicht, warum die so ein kleines Die bauen"

tecCHANNEL: Ist auf diesem Weg das über 400 Quadratmillimeter große Die des Itanium aber nicht viel zu teuer? Schon jetzt kosten die Xeons mit 2 MByte L2-Cache über 3500 Dollar.

Fister: Unsere Forscher in der Halbleiterfertigung sind faszinierend, ich habe größten Respekt vor ihnen.

tecCHANNEL: Wenn dabei die Ausbeute nicht stimmt, hat Intel wenig davon.

Fister: Woher wollen Sie wissen, dass die Ausbeute nicht stimmt? Die Leute, die die Chips herstellen, haben bewiesen, dass sie große Dies bauen können, in denselben Fabs und zu vernünftigen Kosten. Die Preisentwicklung, die Sie bei den Xeons zitiert haben, hat nicht so viel mit den Kosten des Dies zu tun, es ist das, was die Industrie haben will. Die Performance ist den Firmen also etwas wert. Das belohnt uns wiederum damit, dass wir die Kapazitäten nutzen können, um ein großes Die herzustellen. Nur weil das Die groß ist, heißt das nicht, dass die Ausbeute schlecht ist. Wir machen das, weil es für uns Sinn macht. Lassen Sie das mal unsere Mitbewerber versuchen.

tecCHANNEL: Meinen Sie etwa, dass sie keine großen Dies bauen, weil sie es nicht können?

Fister: Vielleicht... Ich weiß nicht, warum die so ein kleines Die bauen...

tecCHANNEL: Herr Fister, wir danken Ihnen für dieses Gespräch. (nie)